Protocol of the Session on May 6, 2009

(Beifall von CDU und FDP)

Wir lassen es denen, egal von welcher Seite, nicht durchgehen, meine Damen und Herren.

Natürlich ist es klar, dass, mit Blick auf die Kürze der Zeit, die Nachbereitung und die Bewertung dieses Einsatzes noch nicht abgeschlossen sein kön

nen. Aber nach dem heutigen Erkenntnisstand ist es völlig klar, dass die Polizei nicht davon ausgehen musste, dass es in Dortmund zu derartigen Störungen kommen würde.

Der bundesweite Aufruf der Rechtsextremen zu Aktionen nach dem Verbot der Kundgebung in Hannover zielte am Ende darauf ab, in Mainz oder in Siegen aufzuschlagen, aber nicht in Dortmund. Das ist nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden jedenfalls völlig klar.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Frau Düker, dass Sie immer bessere Erkenntnisse haben, wissen wir schon. Sie sind nur nicht richtig.

Meine Damen und Herren, die entsprechenden Hundertschaften sind sofort aus Hannover zurückgerufen worden. Auch aus Bochum ist eine in Marsch gesetzt worden. Sie sind so zeitnah eingetroffen,

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Später!)

dass sie diesen hervorragenden Erfolg vor Ort verbuchen konnten: eine professionelle Reaktion der Polizei in einer schwierigen Situation, bei der eben nicht klar war, dass Dortmund Einsatzgebiet werden würde.

Es ist bedauerlich, dass es zu

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Lüge!)

Gewalttätigkeiten und Übergriffen gekommen ist, gerade auch gegenüber der Polizei, die immer wieder ihren Mann/ihre Frau an diesen Wochenenden steht. Es ist gut, dass wir jetzt am Ende die Täter haben und sie ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

(Beifall von der FDP)

Wir werden das Ganze im Innenausschuss und auf der IMK sicherlich noch vertiefen.

Mir ist aber auch wichtig, deutlich zu machen, dass der Kampf gegen Extremismus – egal, aus welcher Richtung – letztendlich nicht nur mit Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zu bewältigen ist. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Ziel von Erziehung und Bildung muss sein: Ächtung von Gewalt zur Durchsetzung von Interessen jedweder Art, meine Damen und Herren.

Es ist wichtig, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt und bei der Bekämpfung strafbarer Handlungen, gerade auch gewalttätiger sogenannter Demonstranten, gilt.

Die Unterstützung der Prävention durch Sicherheitsbehörden ist vielfältig. Information, Aufklärung auf individueller Basis, Schulungsveranstaltungen, aber auch Öffentlichkeitsarbeit, gemeinsam mit Kooperationspartnern: Das alles läuft bereits. Es ist

aber nichts so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann. Insofern sind wir immer gespannt, welche Vorschläge von anderer Seite kommen. Es ist allerdings auch festzuhalten, dass diese Landesregierung eine ganze Menge von Dingen angestoßen hat. Wir wollen auch immer wieder festhalten, dass wir über einen relativ kleinen Kreis von Menschen sprechen, der schwer zu erreichen ist, häufig auch in einem Alter ist, bei dem die Jugendprävention schon nicht mehr greifen kann.

Wir haben uns vorgenommen, in der Jugend damit zu beginnen. Das muss wachsen. Wir wollen, dass in der vorkindlichen Bildung, der Erziehung, vor allem durch die Eltern, aber auch der Schulbildung die Aufklärung über extremistisches Gedankengut einfach ihren Platz hat. Wir setzen auch auf die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen. Wir haben ein Internet-Portal aufgesetzt. Es gibt Benchmark, Veranstaltungen jedes Jahr, 100 bis 150 Aufklärungsveranstaltungen mit 8.000 Teilnehmern, Jugendschutzkongresse, Aussteigerprogramme für die Rechtsextremisten. Es ist nicht so, als ob nichts passierte. Wir müssen hier am Ball bleiben. Wir werden den Kampf gegen extremistische Gewalt auch weiterhin mit aller Kraft führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister Dr. Wolf. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Kuschke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Hohen Hause ein hohes Prinzip: in freier Rede, in Wort und Widerwort um den besten Weg zur Lösung von politischen Aufgaben zu ringen. Ich glaube, Herr Innenminister, eines aber haben wir schon seit langer Zeit hinter uns gelassen und brauchen es deshalb nicht mehr: Wir brauchen keinen Wettkampf um Ehrlichkeit bei der Abwehr von Extremismus. Wir, alle Fraktionen, haben in diesem Hohen Hause mehrfach deutlich gemacht, wie wir das sehen.

Ich darf die Entschließung, die vorhin schon erwähnt worden ist, in einem Punkte zitieren:

Es ist Aufgabe aller demokratischen Kräfte, den Versuchen von Extremisten, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben und ein Klima der Einschüchterung und des fremdenfeindlichen Hasses zu verbreiten, entschieden entgegenzutreten.

Das ist ein gemeinsam von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedeter Antrag. Meine Damen und Herren, wir haben aber auch schon damals in dem Antrag im Dezember 2007, vor fast anderthalb Jahren, darauf hingewiesen, dass wir es mit veränderten Strategien der Rechts

extremisten zu tun haben und dass sich von daher auch ergibt, dass wir andere Handlungskonzepte brauchen, als wir sie bisher haben.

Es wurde verschiedentlich schon angesprochen, dass – bei mir sträubt sich vieles, hier von Qualität zu sprechen – wir es hier mit einer neuen Dimension zu tun haben.

Ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf einen Vorgang in Holzwickede, einer Stadt im Kreis Unna, lenken. Es gibt eine Internetseite der Autonomen Nationalisten Unna mit einer Todesliste, auf der mehr als 20 Personen genannt werden – Jugendliche, Schulsekretärinnen. Haben wir eigentlich ein Gefühl, ein Empfinden dafür, was in Jugendlichen, in Schülerinnen und Schülern vorgehen muss, die nichts anderes getan haben, als ihre Meinung zu äußern, und jetzt im Internet auf einer Todesliste stehen, meine Damen und Herren? – Das ist eine Dimension, die, verbunden mit dem, was in Dortmund passiert ist, wirklich einzigartig ist.

Ich appelliere an uns und auch an Sie, Herr Innenminister, diese Einzigartigkeit des Vorgangs in Dortmund auch wahr- und ernst zu nehmen und auch zu berücksichtigen, dass es kein Zufall ist, dass das in Dortmund stattfindet. Wir haben hier wie in keiner anderen Stadt in den vergangenen Jahren eine Massierung von Demonstrationen, von Aktivitäten von Rechtsextremisten gehabt. Wir haben sie nicht nur in Dortmund, sondern wir haben sie im gesamten östlichen Ruhrgebiet einschließlich des Kreises Unna. Wir haben sie bis in den Hagener Raum hinein. Wir haben sie mit Ausfransungen, Herr Kollege Kruse – wir beide wissen das –, in Richtung Südwestfalen und auch des Hochsauerlandkreises.

Reagieren wir angemessen auf diese Entwicklungen, meine Damen und Herren, Herr Innenminister? Wer koordiniert das? – Wir hatten eine Polizeireform. Ein Ergebnis dieser Polizeireform ist, dass Aufgaben, die vorher von der Bezirksregierung – ich sage das auch als früherer Regierungspräsident – koordiniert worden sind, nun nicht mehr koordiniert werden.

Erweisen wir uns als handlungsfähig bei einer solchen neuen Entwicklung? Sind wir in der Tat ein wehrhafter Staat und setzen wir die Null-ToleranzLinie, so wie es sich gehört, auch um?

Herr Kruse, Sie haben völlig Recht, wenn Sie sagen, man könne über Einsatzstrategien streiten. – Man sollte das in der Bewertung der Dortmunder Ereignisse insgesamt auch tun, wenn die Ergebnisse, die Fakten auf dem Tisch liegen. Aber es ist doch zulässig, gerade in diesem Hohen Hause eine Reihe von Fragen zu stellen.

Woher kommt die Massierung in Dortmund? Haben diejenigen, die ihre Aktivitäten auf Dortmund verlagern, wenigstens subjektiv den Eindruck und das Gefühl, sie könnten es dort leichter tun als an ande

rer Stelle? Wie sieht es mit den Einsatzstrategien aus?

Auch aus meiner Erfahrung aus den Jahren 1998 bis 2002, festgemacht am Beispiel der Prüfung, ob man Verbotsanträge stellt, sage ich: Ich war in solchen Situationen, in denen das schwer zu entscheiden war, immer dafür, den Verbotsantrag zu stellen, auch mit dem Risiko, vor Gericht eine Niederlage zu kassieren. Denn das ist doch keine persönliche Niederlage! Man würde vielmehr deutlich machen, dass man diese Aktivitäten nicht für zulässig hält und dass man mit allen juristischen Mitteln dagegen vorgeht. Die Erteilung von Auflagen ist durch eine solche Vorgehensweise nicht erschwert worden. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass sie auch weiterhin möglich bleibt.

Vor Kurzem hat die Schulministerin in einem Rundschreiben an die Schulen auf die Aktivitäten von Rechtsextremisten im Hinblick auf Flugblätter, Propagandamaterial und vieles andere, was dazugehört, verwiesen. Alles, was in dem Schreiben steht, ist richtig. Aber das Ganze ist zu defensiv. Es fehlt eine offensive Strategie in allen gesellschaftlichen Bereichen – zum Beispiel in den Schulen und in der Öffentlichkeitsarbeit –, und zwar konzentriert auf Städte und Gemeinden, denn dort finden die Auseinandersetzungen statt, nicht vor der Tür des Landtages. Wir können die Städte und Gemeinden in dieser Situation nicht alleinlassen.

(Beifall von der SPD)

Es ist daher unerlässlich, das umzusetzen, was Kollege Rudolph aufgeführt hat. Ein wichtiger Baustein ist dabei ein Handlungskonzept, das auf die kommunalen Möglichkeiten abstellt.

Durchaus selbstkritisch gebe ich zu, dass wir in solchen Situationen häufig an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, etwas zu tun, und uns fragen, wo die gesellschaftlichen Ursachen für ein solches Gewaltpotenzial liegen. Das ist zwar alles richtig, aber es ist nur ein Teil der notwendigen Aufforderung. Die vollständige Aufforderung muss lauten: Wir brauchen den Aufstand der Anständigen genauso wie die Verantwortung der Zuständigen. – Lassen Sie uns das in diesem Hohen Hause sowie in der Landesregierung anpacken!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuschke. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Lohn das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Anfang möchte ich betonen, dass ich sehr froh darüber bin, dass wir heute die Gelegenheit haben, eine Aktuelle Stunde zu den Mai-Krawallen durchzuführen. Wenn man sich im Internet die Bilder aus Berlin, Hamburg und Dort

mund anschaut, wird einem klar, dass die realistische Gefahr bestand, dass wir heute hätten keine Aktuelle Stunde durchführen dürfen, sondern vielleicht eine Gedenkstunde hätten abhalten müssen. Denn es bestand konkrete Lebensgefahr für viele Polizistinnen und Polizisten sowie friedliche Demonstranten.

Die Beiträge meiner Vorredner haben übereinstimmend deutlich gemacht, dass der 1. Mai 2009 leider nicht als Tag der Arbeit und Solidarität in die Geschichte eingehen wird, sondern als Tag bisher unbekannter gewalttätiger Exzesse – auch in Nordrhein-Westfalen.

Nach den schweren Angriffen sogenannter autonomer Nationalisten – besser wäre die Bezeichnung „Verbrecher“ – auf Leib und Leben friedlicher Mitbürger und Polizisten sind wir in der Pflicht, auf der einen Seite Vorsorge zu treffen, damit so etwas in unserem Lande nicht wieder geschieht, und auf der anderen Seite Solidarität mit Polizisten und Opfern zu zeigen.

Insbesondere haben wir uns bei der Polizei in Dortmund – unserer Polizei – dafür zu bedanken, dass es bei uns nicht zu noch schlimmeren Folgen gekommen ist, wie es zum Beispiel in Berlin der Fall war. Eindrucksvoll belegt die im Internetportal „Der Westen“ veröffentliche Chronologie der Ereignisse das Geschehen am 1. Mai. Wenn ich daraus zitiere, ist das, glaube ich, unverdächtig, weil dieses Portal nicht gerade in dem Ruf steht, ein Propagandaorgan des Innenministeriums zu sein. Ich zitiere:

10:40 Uhr: Anstatt in den Zug nach Siegen zu steigen, jagt die Gruppe aus dem Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt, wo zur gleichen Zeit auf dem Theatervorplatz rund 2.500 Menschen dem Aufruf des DGB zur 1. Mai-Demo gefolgt sind. Die Polizei ist überrascht, alarmiert sofort weitere Kräfte, so die Einsatzhundertschaft aus Bochum.

10:50 Uhr: … Mit Pflastersteinen und Knallkörper greifen die teilweise vermummten rechten Chaoten auch die Polizei an, die mit Schlagstockeinsatz die rechten Schläger zurückdrängen kann. Es gibt auch auf Seiten der Polizei Verletzte. … Ein massives Aufgebot der Polizei kann weitere Übergriffe auf den DGB-Tross verhindern.

11:15 Uhr: Schließlich gelingt es den Beamten mit Hilfe einer sofort alarmierten Einsatzhundertschaft aus Bochum, den Mob einzukesseln.

Es werden zunächst 40 und später noch einmal 150 Personen dingfest gemacht. Die Dortmunder Polizei schritt sofort konsequent ein”…