Protocol of the Session on April 2, 2009

In der „Rheinischen Post“ vom 19. März 2009 wurde gar unter der Schlagzeile „Köln war gewarnt“ berichtet, dass eine Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen schon im September 2008 vor Gefahren beim Kölner U-Bahnbau gewarnt hatte. Die Statikberechnungen für die unterirdischen Betonwände wären laut Hochschulstudie fehlerhaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle nicht den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft vorgreifen. Klar ist jedoch, dass offensichtlich nach vielfältiger Verlagerung der Verantwortung Bauherreneigenschaft und Bauaufsicht in einer Hand lagen. Treffend hat der „Kölner StadtAnzeiger“ am 16. März getitelt: „Die Kontrolleure kontrollieren sich selbst“. Herr Sahnen, genau dieser Sachverhalt muss auch hier parlamentarisch erörtert werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Schauen wir uns das an: Die technische Aufsicht wurde im Jahre 2002 von der Bezirksregierung Düsseldorf an die Stadt Köln delegiert, die diese wiederum, jedenfalls in Teilen, an die Kölner Verkehrsbetriebe übertrug. Dass das rechtmäßig geschehen ist, macht die Sache nicht unbedingt logischer und nachvollziehbarer. Genau das ist der Punkt, um den es hier geht: War es sinnvoll, die technische Bauaufsicht immer weiter zu delegieren, bis letztendlich der Bauträger auch die Bauaufsicht inne hatte? Ich meine, nein.

Grundsätzlich ist gegen die Möglichkeit, die technische Aufsicht an sachkundige Personen oder Stellen, wie es hier heißt, zu übertragen, nichts einzuwenden. Hierbei müssen allerdings ganz klare Kriterien gelten. Bauherr und Bauaufsicht müssen von

einander unabhängig sein. Hohe technische Standards müssen eingehalten werden. Qualität und Sicherheit müssen Vorrang haben. Und das Land muss dafür Sorge tragen, dass die personelle Aufstellung der Bauaufsicht ausreichend ist.

Ein permanenter Kostendruck darf nicht dazu führen, dass die Sicherheit vernachlässigt wird. Dies gilt sowohl bei der Wahl der Bauverfahren als auch bei der korrekten und verantwortungsvollen Durchführung der Bauaufsicht. Die Gefahrenabwehr und Sicherheit müssen gewährleistet werden. Dies ist eine staatliche Aufgabe.

Interessenkonflikte, die entstehen könnten, wenn Bauherr und Bauaufsicht in einer Hand liegen, sind generell auszuschließen. Hier trägt die Landesregierung eine große Verantwortung, und dieser muss sie auch gerecht werden. Die Landesregierung ist gefragt, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Defizite bei der technischen Bauaufsicht müssen umgehend aufgeklärt und beseitigt werden.

Wir erwarten keine Schnellenschlüsse, wir erwarten konsequentes Handeln. Es wird zu prüfen sein, ob die aktuellen Regelungen in der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen und im Personenbeförderungsgesetz geändert werden müssen.

Ein weiterer Punkt muss hier angesprochen werden und ist auch schon vom Kollegen Becker angesprochen worden: Die Bezirksregierung Düsseldorf muss als nachgeordnete Landesbehörde so aufgestellt sein, dass sie die Aufgabe der Bauaufsicht auch effektiv durchführen kann. Sie muss handlungsfähig sein. Eine personelle Ausstattung ist dafür Grundvoraussetzung. Die Landesregierung darf nicht auf Kosten der Sicherheit in diesem Land sparen. Sollten Defizite bestehen, hat die Landesregierung sofort und umgehend zu handeln.

Die SPD-Landtagsfraktion stimmt daher den vorliegenden Antrag der Grünen zu. Die Forderungen, dass die Ergebnisse der noch laufenden Untersuchung genau analysiert und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden müssen, sind nur folgerichtig. Ich meine, dass ist das Mindeste, was wir aus dieser Katastrophe lernen können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wißen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Überall in der Welt und in Deutschland werden Untertagebauwerke errichtet, Verkehrswege erschlossen und Bodenschätze abgebaut. Der technische Fortschritt ermöglicht es, zum Wohl der Bürger in der Zukunft insbesondere auch innerhalb von Stadtgebieten

trotz steigender Verkehrsaufkommen eine ausreichende Mobilität für Jung und Alt herzustellen. Dies sollte nach den Kölner Plänen auch durch die Verbindung der Nord-Süd-Bahn erreicht werden.

Dass es dabei schon zu Pannen wie dem schiefen Kirchturm, Häuserrissen und anderen kam, hat die Kritik vor der jetzigen Katastrophe bereits beflügelt. Gerade dort, wo unter der Erde Baumaßnahmen vorkommen werden, ist die Sorge vor unvorhersehbaren Entwicklungen groß und nicht immer unberechtigt. Der Steinkohlebergbau hat zum Beispiel zahlreiche Grubenschäden an Wohnhäusern verursacht, die heutigen Ewigkeitslasten. Die Nutzung von Erdwärme hat durch Bohrungen bei verschiedenen Projekten zu massiven Bodenbewegungen und Hausschäden geführt. Auch beim U-Bahnbau gab es bereits in der Vergangenheit Schattenseiten – siehe München 1994.

Vertrauen und Zuversicht der Bürger lässt sich bei unterirdischen Großbauprojekten nur durch eine größtmögliche Transparenz, Aufklärungsarbeit und Qualität am Bau gewinnen und sicherstellen. Dazu gehört auch eine sachgerechte und umfassende Aufklärung des Unglücks und der Verantwortlichkeiten für etwaige Fehler oder Nachlässigkeiten.

Die Untersuchung der Kölner Staatanwalt über die Ursachen und demzufolge der Verantwortlichen des Kölner Unglücks laufen. Erst mit dem Vorliegen des in Auftrag gegebenen Gutachtens und dem Abschluss der Ermittlungen kann vollständig und sicher beurteilt werden, ob die Optimierung von Abläufen und die Überarbeitung von Rechtsnormen angezeigt ist.

Zu dieser Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, machen die Grünen mit der heutigen Plenardebatte ein tragisches Unglück zur Bühne ihres – mit Verlaub – schäbigen Wahlkampfstückes

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

„Weitere Spekulationen bei der Aufklärung der Unglückssache“. Hieran beteiligt sich die FDP-Fraktion nicht.

(Beifall von FDP und CDU)

Die Grünen sind sich nicht zu schade, dieses Unglück auf dem Rücken der Opfer und des erfahrenen Leids politisch mit falschen Behauptungen und dem durchschaubaren untauglichen Versuch zu instrumentalisieren, der Landesregierung den schwarzen Peter zuzuschieben. Das wird deutlich, wenn sie am Beispiel der technischen Bauaufsicht unser Motto „Privat vor Staat“ anfeinden. Das ist völlig fehl am Platz. Es gibt keinerlei Zusammenhang mit der Weitergabe der Bauüberwachung an die KVB durch die Bezirksregierung Düsseldorf. Denn bei der KVB handelt sich um ein öffentliches, nicht um ein privates Verkehrsunternehmen. Die Verbindung zur Stadt Köln wird über den Aufsichtsrat hergestellt. Dort ist der für die Stadt Köln zustän

dige Dezernent für Stadtentwicklung, Planen und Bauen vertreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Technische Aufsichtsbehörde – abgekürzt TAB – hat im Fall der fast vollständig unterirdisch verlaufenden Nord-Süd-Bahn Gebrauch von § 5 der Bundesverordnung über den Betrieb der Straßenbahnen gemacht. Es wurde somit grundsätzlich eine vom Gesetz eröffnete Möglichkeit genutzt.

Wenn Sie jetzt fragen, ob das, was dort vom Gesetz vorgesehen ist, richtig ist, dann müssen Sie auch sagen, dass die wesentlichen Regelungen solche des Bundesrechts sind. Dann müssen Sie auch fragen, seit wann das so ist, wie das bei anderen UBahnprojekten praktiziert wurde, wie das in NRW unter Rot-Grün war und wie das in anderen Bundesländern geregelt ist.

(Beifall von FDP und CDU)

Die KVB hat am 26. März erklärt, dass die Bauüberwachung, die der Bauaufsicht untersteht, von fachlich qualifiziertem Personal durchgeführt wird. Dabei hat sich die TAB von der Regelung der Zuständigkeit bei der KVB sowie von der Qualifikation des Personals überzeugt.

Die KVB hat der TAB mittlerweile angeboten, einen weiteren hochqualifizierten Bauingenieur zu beauftragen, der gegenüber der KVB einen neutralen Standpunkt einnehmen soll. Diesen Vorschlag der verstärkten Eigenkontrolle begrüße und unterstütze ich.

Auch die Stadt Köln hat reagiert, und zwar hat sie Experten zur Begutachtung der weiteren UBahnbaustellen eingeschaltet. Der Weiterbau des U-Bahnprojektes ist seit gestern nach Beendigung der Begutachtung wieder aufgenommen.

Die Landesregierung ist der Stadt Köln bei der Rettung der Bestände des historischen Archivs beigesprungen. So sind 300.000 € aus dem Landeshaushalt unverzüglich bereitgestellt worden. Das Land hat Mitarbeiter des Landesarchivs zum Unglücksort entsendet. Es ist eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Landesarchivs, der Kölner Stadtwerke sowie der Landschaftsverbände eingerichtet worden, die die Rettungsmaßnahmen koordinieren und eine Prioritätenliste für die anstehenden Restaurierungen der Archivalien erstellen.

Ferner hat Staatssekretär Grosse-Brockhoff angekündigt, das Archivgesetz zu novellieren und darauf zu achten, dass die Sicherheitsstandards so gestaltet werden, dass sich eine solche Kulturkatastrophe nicht noch einmal ereignet.

Darüber hinaus werden die Sicherheitsstandards des Landesarchivs beim Neubau in Duisburg noch einmal unter die Lupe genommen. Damit hat die Landesregierung bereits dokumentiert, dass großes Interesse an der Behebung des Schadensvorfalls und an der Aufklärung der Unglücksursache be

steht. Hierzu bedarf es keinerlei Aufforderung durch einen Antrag – erst recht nicht von den Grünen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Landesregierung hat das Wort Herr Minister Lienenkämper.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Durch das tragische Unglücksereignis in Köln vom 3. März 2009 sind nicht nur das Gebäude des historischen Stadtarchivs und Teile der angrenzenden Bebauung eingestürzt, sondern wir haben vor allem den Tod von zwei jungen Männern zu beklagen. Den Angehörigen der Opfer gelten unser Mitgefühl und unser Bedauern.

(Beifall von CDU und FDP)

Mitgefühl und Trauer sollten uns alle ebenso einen, wie der Wunsch nach umfassender Aufklärung der Ursachen und Ergreifen von sachgerechten Konsequenzen danach. Das Unglück ist nicht geeignet, politisches Kapital daraus zu ziehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung beobachtet und begleitet bereits seit dem ersten Tag des Unglücks das Handeln und die Aktivitäten der zuständigen Behörden intensiv. So habe ich mich persönlich als Mitglied der Landesregierung und im Auftrag des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers unmittelbar und unverzüglich nach Bekanntwerden der Katastrophe zusammen mit Herrn Staatssekretär Grosse-Brockhoff an die Unglücksstelle begeben.

An der Unglücksstelle konnte ich feststellen, dass die Rettungskräfte mit übermenschlichem Einsatz getan haben, was sie tun konnten. Der Krisenstab hat Tag und Nacht getagt. Die Männer und Frauen an der Unglücksstelle haben das Menschenmögliche getan, um der Katastrophe Herr zu werden. Dafür möchte ich allen beteiligten Rettungskräften heute von hier aus ausdrücklich danken.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN)

Die zuständige Fachabteilung meines Hauses hat sich unmittelbar am Tag nach dem Unglück mit der zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde in Verbindung gesetzt. Eine im Rahmen dieser Aktivitäten eingeforderte Berichterstattung, die auch über das beabsichtigte weitere Vorgehen der Aufsichtsbehörde Auskunft gibt, liegt zwischenzeitlich als Zwischenbericht vor. Wesentliche Inhalte dieses Zwischenberichts sind auch die rechtlichen Grundlagen und die gesetzesmäßigen Zuständigkeiten, die ich aus meiner Sicht wie folgt zusammenfassen darf:

Erstens. Rechtsgrundlage für den Bau, den Betrieb und die Linienführung von Straßenbahnen ist das Personenbeförderungsgesetz. Die Stadtbahn in Köln gilt im Sinne dieses Gesetzes als Straßenbahn. Die rechtliche Grundlage für die technische Aufsicht über Straßenbahnen und O-Bus-Unternehmen ergibt sich aus § 54 dieses Gesetzes.

Zweitens. Die Aufgabe der Technischen Aufsichtsbehörde besteht in der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in straßenbahn- und obustechnischer Hinsicht. Sie überwacht die Einhaltung der Vorschriften der Verordnung über den Bau und Betrieb von Straßenbahnen, die wiederum in § 57 des Personenbeförderungsgesetzes ihre Begründung findet.

Drittens. Durch die Verordnung über die technische Aufsicht über Straßenbahn- und Oberleitungsomnibusunternehmen vom 22. März 1960 wurde der Regierungspräsident Düsseldorf – jetzt die Bezirksregierung – Technische Aufsichtsbehörde über Straßenbahnen und O-Busunternehmen im ganzen Land Nordrhein-Westfalen. Das heißt: Andere Bezirksregierungen üben diese Aufgaben nicht aus. Diese Vor-Ort-Zuständigkeit besteht seit fast 50 Jahren.

Viertens. Auch das tragische Unglück der Wuppertaler Schwebebahn im Jahre 1999, das während der Ausbauphase nach der gleichen Konstruktion beaufsichtigt wurde, hat die damalige Landesregierung nach Überprüfung nicht dazu bewogen, Veränderungen der Zuständigkeitsregelungen zu erlassen, obwohl natürlich auch damals alles intensiv geprüft worden ist.

Fünftens. Nach der einschlägigen Verordnung kann sich die Technische Aufsichtsbehörde bei der Ausübung der technischen Aufsicht anderer sachkundiger Personen und Stellen bedienen. Dazu gehört auch der Betriebsleiter oder der Vorhabenträger.

Sechstens. Die Aufsicht über den Bau der betreffenden Anlagen der Nord-Süd-Stadtbahn Köln sowie die Abnahme wurden zunächst durch den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln vom 30. April 2002 der Stadt Köln übertragen. Der KVB AG als Vorhabenträger wurden die Rechte und Pflichten aus dem Planfeststellungsbeschluss und der Baugenehmigung durch Bestätigungsschreiben der Bezirksregierung Köln vom 6. September 2002 übertragen. Dieses betrifft die Überwachung der Vorschriften der BOStrab. Besonders in Erfüllung dieser Aufgabe führt sie auch die erforderlichen Prüfungen, Zustimmungen und Abnahmen durch und trifft die notwendigen Anordnungen.

Siebtens. Ebenso ist die Planfeststellung von Straßenbahn- und Stadtbahnanlagen im Personenbeförderungsgesetz begründet. Hier ist grundsätzlich für die Stadtbahn in Köln die Bezirksregierung Köln die zuständige Behörde. Die Technische Aufsichts