Ich glaube, das ist dann der Weg, der es uns erlaubt zu behaupten: Wenn wir daran arbeiten, dann haben wir vielleicht die Chance, dass die Pisa-Ergebnisse für uns beim nächsten Mal besser ausfallen.
Vergessen wir nicht das, was Grundlage für Schule ist, nämlich den gesamten vorschulischen Bereich. Auch darauf müssen wir Wert legen. Dann wird es auch in der Schule besser werden. – Danke schön.
Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Aktuelle Stunde.
Hinter diesem etwas spröden Titel – ich sage das für die Zuschauerinnen und Zuschauer – verbirgt sich die Debatte, die wir gemeinhin mit dem Begriff „Kopftuchverbot“ verbinden.
Ich gebe als erstem Redner Herrn Abgeordneten Solf, CDU-Fraktion, zur Einbringung des Gesetzentwurfes das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Seit Herbst 2003 haben wir hier mehrfach über die für NordrheinWestfalen aus dem damals wenige Wochen alten sogenannten Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehenden Konsequenzen gesprochen. Die Aussprachen waren wohltuend differenziert und der Komplexität der Materie angemessen.
Und wichtiger noch: Über die Fraktionsgrenzen hinweg bestand weitgehend Einigkeit, dass wir an unseren Schulen Symbole, die als politisches Zeichen für eine mindere Stellung der Frau und gegen unsere Verfassungswerte gerichtet verstanden werden können, nicht wollen.
Uneinig waren wir über den Weg. Die damalige Landesregierung hatte sich als Dienstherr aus der Verantwortung gestohlen. Das war nicht fair. Seitens der CDU haben wir schon damals gefordert, den Schulen quälende Einzelfallentscheidungen zu ersparen. Wenn es denn über die Angelegenheit Streit und sogar Unfrieden geben sollte, dann habe diese – so haben wir immer argumentiert – der Dienstherr, die Landesregierung, auszuhalten.
Der vorgelegte Gesetzentwurf ist rechtlich abgesichert. Der geschätzte Kollege Werner Jostmeier wird Ihnen das gleich noch einmal darlegen.
Unser Ansatz ist geprägt von der Frage nach dem gemeinsamen Nenner in unserer Gesellschaft, von der Frage nach dem Zusammenhalt unseres Gemeinwesens.
In aller gebotenen Kürze will ich auf drei wesentliche Wegmarken eingehen, die wir dabei nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Sie betreffen die gesamte Gesellschaft und damit auch den Islam.
Die erste Wegmarke heißt Freiheit. Heute verstehen viele Menschen Freiheit nur noch als die Freiheit, sich schrankenlos selbst zu verwirklichen, ihren persönlichen oder ihren Gruppeninte
Der Freiheitsbegriff unserer Gesellschaft war ursprünglich ein ganz anderer: nicht Freiheit, etwas zu tun, sondern Freiheit von Zwang, von der „Benutzung“ durch andere. Dieses Grundprinzip ist fast vergessen. Ich würde mir wünschen, wir wären uns der Gefahren eines deformierten Freiheitsbegriffes bewusster.
Die zweite Wegmarke heißt Integration. Natürlich hat sich unsere Gesellschaft Neuem zu öffnen, auf Menschen zuzugehen, deren Grundeinstellungen von der ihren abweichen mögen. Aber die, die neu hinzukommen, müssen sich auch öffnen. Genauso wie sich die Gesellschaft durch ihr Hinzutreten wie selbstverständlich weiterentwickelt, müssen auch sie sich in Richtung auf diese Gesellschaft weiterentwickeln. Unser gemeinsamer Weg in die Zukunft muss zu einer gemeinsamen Gesellschaft führen; es darf nie und nimmer zu einer Auflösung in Parallelgesellschaften kommen.
Die dritte Wegmarke betrifft jene merkwürdige Angst vor einer Wertediskussion, eine Angst, die nicht nur in juristischen Kreisen, sondern auch in der politischen Öffentlichkeit und sogar in den Kirchen um sich greift. Warum wollen wir denn – gerade auch wenn es um Integrationsfragen geht – nicht unsere Werte offen legen, für sie eintreten? Der Versuch einer Äquidistanz zu sämtlichen ethischen und religiösen Positionen ist nicht ehrlich.
Unsere europäische Kultur ist durch ein spezifisches Menschenbild geprägt, das wir ohne Scham „christlich“ nennen dürfen. Seine drei gesellschaftspolitisch wichtigsten Kerne sind erstens der feste Glaube, dass der Mensch immer nur ein Ziel an sich, niemals Mittel sein darf, zweitens der Glaube, dass jeder Mensch den gleichen Wert besitzt, und drittens der kategorische Imperativ, wie ihn am präzisesten Kant formuliert hat.
Eine Gesellschaft, die nach diesen drei Zielen nicht wenigstens strebt, ist keine gute Gesellschaft. Zeichen, die in eine andere Richtung weisen, können wir nicht wollen.
Das gilt gerade auch für den Ort, an dem wir unsere jungen Menschen ausbilden: für die Schule. So fordert es die Landesverfassung in Art. 12 Abs. 6.
Aber ich sage auch: Es darf keine Rhetorik geben, die mehr auf Beifall in den eigenen Reihen als auf eine Lösung der Probleme zielt.
Und die Probleme sind wahrhaft gewaltig: Die wachsenden sozialen Schieflagen werden ethnisch und religiös aufgeladen. Da helfen keine starken Worte, sondern nur Taten, viele einzelne Taten wie die Sprachförderung, von Minister Laschet initiiert, oder die Werkstattklassen, von Minister Laumann installiert, die ja auch ein Programm für junge, arbeitslose Muslime sind.
Und denjenigen Muslimen, die uns in der Kopftuchfrage nicht folgen wollen, sage ich: So wie das Kopftuch als politisches Zeichen gegen die vom Grundgesetz garantierte Pluralität im Unterricht der öffentlichen Schulen nicht geduldet werden kann, genau so garantiert gerade diese Pluralität ihnen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Akzeptanz ihres Bekenntnisses und nicht zuletzt auch die Vielfalt der Bekenntnisse innerhalb des Islam.
Liebe muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wir haben im Sommer 2001 die Integrationsoffensive NRW auf den Weg gebracht. Wir unternehmen verschiedenste Bemühungen zur besseren schulischen und beruflichen Integration, und wir streben die Einrichtung einer repräsentativen Institution der Muslime auf Landesebene an.
Mit ihr könnten wir endlich auch zu einem islamischen Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach kommen.
Wir sind also auf einem guten Weg des Miteinanders. Wir sollten diesen Weg weiter gemeinsam gehen. – Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde auch von der FDP-Fraktion eingebracht. Der Vorsitzende dieser Fraktion, Herr Dr. Papke, hat deswegen nun das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat des bekannten Islam
„Es gibt keine einzige Stelle im Koran, die Frauen zu einem Kopftuch verpflichtet. Die Frauen sollen keusch und sittsam auftreten, aber von einem Kopftuch ist keine Rede. Das ist einzig und allein eine Vorschrift der postkoranisch konstruierten Scharia. Mit anderen Worten: Wenn Sie als deutscher Staat, als deutsches Bundesland das Kopftuch zulassen, lassen Sie – im Namen der Toleranz – die Scharia zu. Das kann der Staat nicht wollen, weil Scharia und Demokratie unvereinbar sind.“
Tatsache ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das Kopftuch als politisches Symbol spätestens seit der Machtübernahme von Khomeini im Iran zu einem weltweiten Symbol des islamischen Fundamentalismus geworden ist.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2003 ausdrücklich festgestellt, dass das muslimische Kopftuch als politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus angesehen werden kann, das die Abgrenzung zu Werten der westlichen Gesellschaft wie individuelle Selbstbestimmung und Emanzipation der Frau ausdrückt.
Maßgeblich ist dafür nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Empfängerhorizont, konkret die Wahrnehmung des Kopftuchs bei den betroffenen Kindern und den Eltern an einer öffentlichen Schule. Es geht beim Kopftuchverbot also definitiv nicht um eine Bewertung von Religionen oder gar von Glaubenswahrheiten. Das geht den freiheitlichen Staat nichts an, auch in Nordrhein-Westfalen nicht. Jeder in Nordrhein-Westfalen soll nach seiner Fasson selig werden, ob als Christ, als Jude oder als Moslem. Aber der freiheitliche Staat muss sich einmischen, wenn fundamentalistische Haltungen an unseren Schulen Einzug halten, die sich gegen den Wertekonsens der offenen Gesellschaft und gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau richten.
Selbstverständlich kommt Lehrerinnen und Lehrern an öffentlichen Schulen eine besondere Vorbildfunktion bei der Erziehung der Kinder zu. Das Kopftuchverbot, das wir eingebracht haben und das wir verabschieden werden, ist alles andere als ein Instrument zur Diskriminierung des Islam. Das Kopftuchverbot ist ein Zeichen der Selbstbehauptung unserer Verfassung gegen einen Fundamentalismus, der unsere freiheitliche Werteordnung an entscheidender Stelle in Frage stellt.
Schon deshalb ist das Argument nicht stichhaltig, es handele sich doch nur um vergleichsweise wenige Fälle. Der Staat muss auch deshalb handeln, weil wir nicht warten können, Frau Löhrmann, wie es in Baden-Württemberg erkennbar war, bis es an einzelnen Schulen zu massiven Konflikten kommt. Dann sind die Schulen vor Ort allein gelassen. Wir müssen Rechtsicherheit schaffen und klar zeigen, wo wir als Gesetzgeber in NordrheinWestfalen in dieser Frage stehen. Das Problem gewissermaßen über eine Gesinnungsprüfung vor Ort zu lösen ist nicht praktikabel und würde die Verantwortung wieder den Schulen übertragen, die damit heillos überfordert wären.
Das Argument, das uns immer wieder entgegengehalten wird, dieses Gesetz führe zur Ungleichbehandlung von Religionen, ist nicht stichhaltig. Unsere Verfassungsordnung – Kollege Solf hat darauf hingewiesen – beruht auf der christlichabendländischen Bildungs- und Kulturtradition, die im Grundgesetz, aber ausdrücklich auch in unserer Landesverfassung festgehalten ist.
Ich verweise etwa auf Art. 12 der Landesverfassung, in dem ausdrücklich die Gemeinschaftsschule als christliche Gemeinschaftsschule statuiert ist, die allerdings offen ist – selbstverständlich – für alle Weltanschauungen, für alle Bekenntnisse. Beides schließt einander also nicht aus: der christliche Charakter unserer Bildungs- und Kulturtradition auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Offenheit gegenüber allen Religionen und allen Weltanschauungen in unserem Land.