Protocol of the Session on November 9, 2005

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Ich fordere Sie auf: Bewerten Sie bitte selbst, wie erfolgreich Sie waren! Bewerten Sie, was Sie in den letzten Jahren getan haben!

(Beifall von CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Schäfer, SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben, war klar, dass Sie sie auch nutzen wollten, um mit der rot-grünen Vorgängerregierung noch einmal so richtig abzurechnen. Das ist aus Ihrer Sicht auch sehr verständlich. Aber die ein oder andere Rede, zum Beispiel die von Herrn Recker, gehörte eigentlich in die Vorwahlzeit, denn es war nicht der Blick nach vorne, es war der Blick zurück.

(Widerspruch von Bernhard Recker [CDU])

Ich bin sehr enttäuscht darüber, wie wenig sensibel Sie mit den neuen Erkenntnissen umgehen. Ich wiederhole, was ich eben gesagt habe: Die neueste Pisa-Untersuchung zwingt alle Bildungspolitiker, sich endlich aus den alten Schablonen herauszulösen und neue Denkrichtungen zuzulassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Wider- spruch von der CDU)

Ich erkläre hier: Wir werden das tun! Ich habe auch schon vorher immer gesagt

(Zurufe von der CDU)

seien Sie doch einfach einmal so höflich, mich ausreden zu lassen –: Wir müssen bestimmte Instrumentarien weiterentwickeln, die die rot-grüne Landesregierung angeschoben hat, zum Beispiel die Transparenz unseres Bildungssystems durch Lernstandserhebungen.

Übrigens, Frau Ministerin, habe ich gehört, dass Sie auf dem GEW-Kongress gesagt haben, Sie wollten diese Lernstandserhebungen zukünftig nur noch jedes zweite Jahr durchführen lassen. Das finde ich sehr schlimm, denn diese Lernstandserhebungen leisten einen Beitrag dazu, festzustellen, wie man jedes Kind individuell fördern kann. Sie sprechen immer von der individuellen Förderung, teilen uns aber nie mit, wie Sie sie denn umsetzen wollen.

(Beifall von der SPD)

Ich kann nur mahnen: Lassen Sie das, und führen Sie diese Erhebungen weiter jährlich durch.

Wir haben die Schulinspektion ins Leben gerufen: die Überprüfung unserer Schulen, die Sie dankenswerterweise und konsequenterweise fortsetzen.

Wir haben die flexible Schuleingangsphase eingeführt, um auf unterschiedliche Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler einzugehen. Auch das setzen Sie dankenswerterweise fort.

Wir haben die offenen Ganztagsschulen eingeführt – Sie setzen das dankenswerterweise fort.

Was ich allerdings auch ansprechen möchte, ist Ihr Programm für die Hauptschulen. Dort betreiben Sie eine Qualitätsoffensive, die man nur begrüßen kann. Allerdings: Der alten Landesregierung vorzuwerfen, die Hauptschule sei eine vergessene Schulform gewesen, ist de facto falsch;

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

ganz falsch, denn wir haben den Sprachunterricht in den Hauptschulen mit 500 zusätzlichen Lehrern verstärkt, wir haben als Land – und das ist eine freiwillige Landesleistung – den Einsatz von Sozialpädagogen in den Hauptschulen unterstützt. Das hätten wir nicht machen müssen.

(Beifall von der SPD)

Wir haben es getan, denn Erziehung und Bildung besitzen an den Hauptschulen einen besonderen Stellenwert. Wir haben sogar dafür gesorgt, dass die Schüler-Lehrer-Relation an den Hauptschulen die beste ist. Unsere Hauptschulen sind personell gut ausgestattet gewesen. Ich möchte Ihnen damit noch einmal verdeutlichen: Sie können noch mehr Geld in dieses System hineinstecken – machen Sie das ruhig –, aber Sie werden bemerken – genauso wie wir –, dass man neue Denkrichtungen einschlagen muss. In anderen Ländern ist es schon so.

Wie sieht nun die Zukunft der Hauptschule tatsächlich aus? – Da wollen Sie nun das, was wir im Schulgesetz verankert haben – die Verbundschulen zuzulassen –, wieder zurücknehmen. Ich kann davor nur warnen. Auch der VBE hat noch einmal betont, dass man den Kommunen die Steuerungsmöglichkeiten erhalten muss. All diese Dinge sind von uns implementiert worden.

(Beifall von der SPD)

Sie setzen sie teilweise fort. Aber wenn Sie jetzt von der Neuausrichtung der Bildungspolitik unter der schwarz-gelben Landesregierung sprechen, Frau Ministerin: Sie haben in der Pressekonferenz einen Zehnpunkteplan angekündigt, Sie haben hier wieder ein Programm angekündigt, und auch im Schulausschuss haben Sie angekündigt, demnächst Programme aufzulegen. Aber Sie kündigen immer nur an, und man hört nie, was Sie jetzt tatsächlich machen.

(Beifall von der SPD)

Sie können sich hier hinstellen und sagen, die individuellen Förderungen müssen verbessert werden, die kognitiven Leistungen müssen gestärkt werden, die vorschulische Sprachförderung muss intensiviert werden, nur: Dann handeln Sie und unterlegen Sie Ihre Ankündigungen und Forderungen mit ganz konkreten Initiativen und Konzepten.

(Zuruf von Bernhard Recker [CDU])

Nach sechs Monaten ist die Denkpause für Sie vorbei. Heute war Ihre letzte Chance, noch einmal zurückzublicken. Sie müssen jetzt nach vorne blicken und die Dinge weiterentwickeln.

(Zuruf von Bernhard Recker [CDU])

Wir unterstützen Sie gerne, wenn Sie uns denn auch lassen. Frau Pieper-von Heiden – Sie haben uns die Arroganz der Macht vorgeworfen –, wenn Sie im Schulausschuss die von uns beantragten Punkte mit Mehrheit von der Tagesordnung neh

men, dann frage ich mich wirklich, wo die Arroganz der Macht sitzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Helmut Stahl [CDU]: Warum?)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Kastner von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, Frau Schäfer hätte diese Rede nicht gehalten.

(Beifall von der CDU)

Ich glaube, es tut nicht gut, wenn jemand ans Pult tritt und versucht, noch einmal zu verteidigen, wofür er in der Pisa-Studie abgestraft worden ist.

(Beifall von der CDU)

Sie haben uns hier einige Dinge vorgeworfen, auf die ich kurz eingehen möchte. Sie haben gesagt, die Denkpause sei vorbei und nach einem halben Jahr müssten wir endlich handeln. Ich weiß nicht, ob 1.000 eingestellte Lehrer und der Wert von 1.000 Lehrern in Geld-statt-Stellen bis nach den Sommerferien nicht Handlungen statt eine Denkpause waren,

(Ursula Meurer [SPD]: Es hat doch jeder er- kannt, dass das nicht so ist! – Weitere Zurufe von der SPD)

ob das, was Frau Sommer jetzt zur Stärkung der Hauptschulen durch Ausbau der Hauptschulen zu Ganztagshauptschulen in die Schulen gegeben hat, nicht auch eine Handlung statt eine Denkpause war? Ich glaube, das ist ein ganz deutlicher Handlungsauftrag an die Schulen und eine Verbesserung der Hauptschulen, die in die richtige Richtung geht.

Damit bin ich bei dem, was ich mir vorgenommen hatte, heute hier vorzutragen. Ich habe in den Analen geblättert. Vor fünf Jahren gab es hier am 14. Dezember eine Rede zur ersten Pisa-Studie. Das Haus hat getobt. Ich habe damals in ganz besonderer Weise auf etwas hingewiesen, was damals gar nicht so im Mittelpunkt stand, sich dann jedoch langsam aber sicher herauskristallisiert hat: das Wort Chancengleichheit. Sie haben es jahrzehntelang für die Schule im Mund geführt, und es wurde durch die Pisa-Studie deutlich in die Ecke gestellt. Heute haben Sie interessanterweise unser Wort der Chancengerechtigkeit häufiger aufgenommen.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

In der Schule geht es letztendlich darum, den Kindern eine Chance zu geben, die keine besitzen, weil sie in einem bildungsfernen Elternhaus leben.

Damals habe ich in meiner Rede formuliert:

Bildung ist die neue soziale Frage des 21. Jahrhunderts.

Unter Punkt 3 habe ich gesagt:

Kinder erreichen umso leichter einen höheren Grad an Bildung, wenn auch das häusliche Umfeld die Bildungsbemühungen abfedert.

Das hat sich in den fünf Jahren, meine Damen und Herren, nicht geändert. Auch heute reden wir über Schule. Ich möchte noch einmal denselben Akzent wie vor fünf Jahren setzen: Wir können an der Schule arbeiten, wie wir wollen. Wenn wir aber nicht die Grundlage für die Schule verändern, das heißt, wenn wir uns nicht bemühen zu schauen, wie wir die Elternhäuser erreichen und wie wir es im vorschulischen Bereich schaffen, eine Grundlage dafür zu legen, Kinder gemeinsam starten zu lassen, dann nützt das Arbeiten nichts.

Diese Schaffung der Grundlagen haben wir über die intensive Sprachförderung und die Familienzentren – zwei Projekte, die wir umsetzen werden – bereits angelegt. Dazu kommt die Unterstützung der Hauptschulen für die benachteiligten Kinder.

Ich glaube, das ist dann der Weg, der es uns erlaubt zu behaupten: Wenn wir daran arbeiten, dann haben wir vielleicht die Chance, dass die Pisa-Ergebnisse für uns beim nächsten Mal besser ausfallen.