Protocol of the Session on November 9, 2005

Meine Damen und Herren, das soll es für heute gewesen sein. Wir werden uns Ihrer Sache annehmen. Normalerweise ist das der klassische Fall, in dem ein Antrag hier direkt weggestimmt wird. Das machen wir aber nicht. Wir überweisen ihn an den Ausschuss und machen es dort. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuhmichel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Dr. Vesper das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuhmichel, Mensch, wie tief sind Sie gesunken, dass Sie es schon als eine Leistung hinstellen, dass Sie einen Antrag hier nicht wegstimmen, sondern ihn an einen Ausschuss überweisen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

So schnell ändert sich mit dem Sein offenbar das Bewusstsein. Darüber sollten Sie wirklich einmal nachdenken. Wenn Sie im Bereich der Hochschulpolitik wenigstens zu so konkreten Erkenntnissen kommen würden wie der, dass die Erde rund ist! Was Sie vortragen, ist keine Kugel, nicht einmal eine Scheibe. Es ist nichts, überhaupt nichts, was wir bisher hören, außer nebulösen Ankündigungen ohne etwas dahinter.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir uns die Anhörung der letzten Woche im Wissenschaftsausschuss zu der Frage der Abschaffung der ZVS vergegenwärtigen, die Sie gerne möchten, dann mussten Sie doch feststel

len, dass sich durch die Bank alle geladenen Expertinnen und Experten gegen eine schlichte Abschaffung der ZVS gewandt haben. Sie ist von niemandem gewollt und macht auch einfach keinen Sinn. Die Realität ist anders, als Sie es sich in Ihrem Elfenbeinturm der Hochschulpolitik vorstellen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Zum Antrag auch, lieber Herr Lindner. Er gibt einem die Gelegenheit, noch einmal deutlich zu machen, Herr Pinkwart, was Sie an vernünftiger Hochschulpolitik der vorherigen Regierung weiterführen und weiterführen sollten. Das Hochschulkonzept 2010 der letzten Landesregierung bildete und bildet bis heute einen wesentlichen Orientierungspunkt in diesem Abstimmungsprozess. Das sollte man zumindest annehmen. Denn dieses Hochschulkonzept findet sich ja auch bis heute auf den Internetseiten Ihres Ministeriums. – Dass Sie nicken, Herr Pinkwart, zeigt mir, dass das kein Versehen, sondern ganz bewusst so gemacht worden ist.

Ich will gar keinen Hehl daraus machen, dass wir Grüne an diesem Hochschulkonzept auch die eine oder andere Detailkritik hatten. Zum Beispiel war uns vieles zu quantitativ ausgerichtet.

Aber der entscheidende Vorteil war – und ist – eine von allen Beteiligten in einem intensiven Prozess ausgehandelte Richtschnur und ein verlässlicher Rahmen, um auf dieser Grundlage dann die notwendigen Reformen anzupacken und umzusetzen.

Wenn dieser verlässliche Rahmen aber nun von der neuen Koalition an einzelnen Stellen einseitig verlassen werden sollte, ohne dass klar ist, wo es konkret hingehen soll, dann ist das sicherlich sehr problematisch, Herr Kuhmichel. Deswegen heißt Verantwortungsbewusstsein auf diesem Gebiet eben auch, nicht nur herumzuschwadronieren, sondern konkret zu sagen, wohin man will. Das vermissen wir aber bisher.

(Beifall von der SPD)

Wir haben das Hochschulkonzept 2010 immer als Einstieg in einen Prozess begriffen, an dem Landespolitik und Hochschulen ständig zusammenarbeiten müssen, in dessen Verlauf auch weitere Kriterien der Qualitätsbewertung ergänzt und die Prozesse innerhalb der Hochschulen immer wieder rückgespiegelt werden sollten.

Von daher freue ich mich auf die Beratung dieses Antrags im Ausschuss, weil wir dort hoffentlich dann noch ein bisschen mehr über den Stand dieses Prozesses erfahren werden und Gelegenheit

haben, auch als Landtag unseren Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Konzepts zu leisten.

Ich kann jedenfalls nur davor warnen, aus bloßem Aktionismus diesen geraden Weg zu verlassen.

Zum Beispiel steht im FDP-Wahlprogramm: „keine Bestandsgarantie für bestehende Hochschulen“. Das war ein Zitat, Herr Lindner.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das erklärt er gleich!)

Und die CDU erklärt in ihrem sogenannten Zukunftsprogramm:

„Wir werden uns in der Landeshochschulplanung an wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen orientieren.“

Da möchte man hinzufügen: Klammer auf – und an nichts anderem. Das soll das ja wohl heißen.

Das zeigt doch, dass Sie offenbar nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen, welche Bedeutung die Frage von Hochschulstandorten auch außerhalb der Hochschulpolitik für andere Politikfelder hat. Deswegen darf man damit nicht spielen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: So ist es!)

Wir haben dagegen verstanden, welch enorme Bedeutung eine Hochschule gerade für die Wirtschaft, für Innovationen, für Arbeitsplätze in einer Region hat. Das kann und darf man bei der Debatte nicht ausblenden. Es wäre fahrlässig, wenn man das tun würde.

Insofern, meine Damen und Herren, freue ich mich darauf, im Ausschuss einmal etwas Konkretes dazu zu hören, wie Sie sich die künftige Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen vorstellen. Denn diese Antwort sind Sie uns bislang schuldig geblieben. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Vesper. – Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Kollegen Lindner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt darf ich als Angehöriger der – wie Herr Schultheis so schön gesagt hat – konservativ-neoliberalen Regierungskoalition zu dem sozialistischen Antrag sprechen, der hier vorgelegt worden ist.

(Beifall von FDP und CDU)

Er steht in einer kleinen Tradition von Oppositionsinitiativen. Wir hatten solche zum Qualitätspakt, zum BAföG, zur ZVS und zum Bologna-Prozess. Der Anlass ist nie ganz klar, aber das Motiv. Sie schießen mit der Schrotflinte ins Dunkle in der Hoffnung, irgendetwas zu treffen.

(Zurufe von Marc Jan Eumann [SPD] und Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie haben in der Regel Initiativen ergriffen zu Zeitpunkten, zu denen die Landesregierung auf Ebene der Kultusministerkonferenz in Verhandlungen steht – Stichwort „ZVS“ – und zu denen die Landesregierung und die Regierungskoalition Gespräche führen über die zukünftige Haushaltsstruktur und auch mit den Hochschulen im Gespräch stehen. Sie erwarten dann, dass Wasserstandsmeldungen vor dem Abschluss dieser Gespräche hier in aller Öffentlichkeit ausdiskutiert werden.

Das haben Sie nie so gemacht. Ich meine, es ist ein gutes Zeichen auch der ehrlichen Gesprächsbereitschaft der Landesregierung mit den Hochschulen und auch mit den anderen Ländern in der Kultusministerkonferenz, wenn Vorabstellungnahmen auch auf Ihre Veranlassung hin hier nicht ohne Weiteres gegeben werden, sondern Ihnen hier dann konkrete Konzepte, die auch konzeptionell in der Tiefe anders geschärft sind als Ihre Papierchen, zur Beratung vorgelegt werden.

Insofern sollten Sie sich gedulden und nicht weiter Ängste schüren, was etwa den Bestand einzelner Hochschulen angeht, wie Sie das hier mit diesem Antrag tun.

Im Übrigen hätte es das Hochschulkonzept 2010 verdient, etwas differenzierter diskutiert zu werden. Es wäre ja zu fragen – Herr Vesper hat das sehr diplomatisch angedeutet –, ob ein Aushandlungsprozess unter Hervorhebung vor allen Dingen von Kapazitätszielen prinzipiell geeignet ist, die Entwicklung einer leistungsfähigen Hochschullandschaft zu befördern. Von Exzellenz ist nämlich im Hochschulkonzept 2010 erst gar nicht die Rede. Das Wort taucht gar nicht auf.

Aber sei’s drum: Das Hochschulkonzept 2010 und der Qualitätspakt sind von der Regierungskoalition ja auch als Grundlagen ihres Regierungshandelns beschrieben worden. Sie haben bislang auch keinen Anlass geboten bekommen, an diesen Zusagen zu zweifeln. Im Gegenteil: Auch handwerkliche Fehler oder politisches Kalkül der Vorgängerregierung sind korrigiert worden. Beim Studienkontengesetz etwa wurden den Hochschulen 24,5 Millionen € mehr zur Verfügung gestellt, die Sie ihnen sonst vorenthalten hätten aufgrund

eines Webfehlers dieser Verrechnungsklausel, der korrigiert worden ist.

Ich könnte das weiter fortsetzen mit dem Heizkostenzuschuss, den Sie nicht gewährt hätten, und anderem mehr.

Aber Ihnen geht es um etwas anderes, nämlich um die leistungsorientierte Mittelvergabe. Dazu heißt es wörtlich in Ihrem Antrag:

„Zudem will sie“

also die neue Regierung –

„die Kappungsgrenzen bei der leistungsorientierten Mittelvergabe drastisch senken. Einen solchen Substanzverlust würden einige Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aber nicht verkraften.“

Da sollten wir uns miteinander in Erinnerung rufen, was es mit dieser leistungsorientierten Mittelvergabe eigentlich auf sich hatte.

Die Vorgängerregierung hatte den Wettbewerb unter den Hochschulen eingeführt und gefördert – Drittmitteleinwerbung, Lehre, Kapazitätsauslastung –, hatte aber die Ergebnisse des Wettbewerbs in den Hochschulhaushalten gedeckelt. Konkret finden wir eine Situation vor, in der die Deckelung maximale Verschiebungen von 1 % innerhalb von drei Jahren gestattet.

Sie malen jetzt Horrorgemälde, dass eine auch nur leichte Ausweitung dieser Ergebnisorientierung zur Gefährdung des Bestands ganzer Hochschulen, ja gar zu flächendeckenden hochschulpolitischen weißen Flecken in NordrheinWestfalen führen könnte.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Sie müssen sich an Ihre Verantwortung erinnern lassen. Sie leisten mit dieser Art von Polemik in Nordrhein-Westfalen keinen vernünftigen Beitrag zur Entwicklung des Hochschulwesens.

(Beifall von der FDP)