Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die Fraktion der SPD hat als nächster Redner Herr Kollege Garbrecht das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter Garbrecht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zu Anfang ein paar Stichworte nennen, die heute die Presse bestimmen: Armutszeugnis, Jobcenter-Debakel zulasten der Ärmsten, harter Schlag gegen die Jobcenter, Kommunen bestürzt über das Scheitern der Jobcenter-Reform.
Einen Presseartikel will ich Ihnen nicht vorenthalten. Er stammt aus der „Financial Times Deutschland“, also einer Zeitung, die nicht zu den sozialpolitischen Leib- und Magenblättern gehört. Der Artikel trägt den Titel: „Albtraum für Arbeitslose!“
Ich will mit Genehmigung der Präsidentin – muss ich die Genehmigung, diese Floskel, eigentlich einholen?; das klären wir mal in der Geschäftsordnung – zitieren:
Es ist ein Glück, nicht arbeitslos zu werden. Ein ganz besonderes Glück aber ist es derzeit, nicht Hartz-IV-Empfänger
zu werden. Denn nichts scheint die Politik mehr zu reizen, als diese gesellschaftliche Gruppe, mit Angehörigen immerhin sieben Millionen Menschen stark, zum Experimentierfeld für neue Ideen, für taktische Spielchen zu missbrauchen. Dies geschieht vorzugsweise dann, wenn keiner sie gebrauchen kann, am wenigsten die Betroffenen selbst, also mitten in der Krise – jetzt.
Ich weiß nicht – ich vermag es auch nicht zu deuten –, was die Spitzen und die CDU/CSU-Fraktion geritten hat, zu entscheiden, die Reform der Jobcenter vor die Wand zu fahren. Das, was mit den 7 Millionen Menschen und den insgesamt 55.000 Beschäftigten passiert, war jedenfalls nicht Leitmotiv dieser Entscheidung der CDU/CSU-Fraktion.
Es ist – ich muss es deutlich sagen; man ist ja kaum noch in der Lage, die starken Worte, die der Arbeitsminister hier schon gebraucht hat, zu toppen – eine reine Chaosstrategie, die die CDU/CSUFraktion des Bundes hier fährt.
Auch die nun veröffentlichte Argumentation halte ich überhaupt nicht für stimmig. Einmal wird erklärt, die Verfassung nicht ändern zu wollen, weil man die Verfassung nicht einer bestimmten Organisationsform anpassen dürfe. Der andere Argumentationsstrang ist, mitten in der Krise dürfe man keine neue Organisationsform schaffen. Was gilt denn nun? Wer die Verfassung nicht ändert, der schafft eine neue Organisationsform, der schafft Unruhe, Unruhe in einer Zeit, in der wir sie nicht gebrauchen können. Also noch mal: Wer die Verfassung bei dieser Frage nicht ändern will, der trifft eine Regelung, die insbesondere zulasten der Betroffenen geht.
Jetzt will ich nicht deuten, ob dort machttaktische Spielchen innerhalb der CDU, der Blick auf einen möglichen Koalitionspartner FDP, maßgeblich sind. Ich will mal sachlich vermuten, es wären doch grundsätzliche Erwägungen dieser sogenannten Föderalismusfundamentalisten. Nur: In der Föderalismuskommission haben wir das auseinandergezogen, und jetzt wollt ihr das wieder zusammenführen.
Ich erinnere an die Diskussion, die wir gestern zu Anfang geführt haben, nämlich unter anderem über die Erkenntnis in der Sozialpolitik und in der Ar
mutsbekämpfung, dass die unterschiedlichen Zweige von sozialen Sicherungssystemen auf der Ebene der Kommune zusammenarbeiten müssen, um Armut überhaupt wirksam bekämpfen zu können. Das ist doch ein Lehrsatz, der im Prinzip von allen, auch parteiübergreifend, getragen wird.
Über die Arbeitsmarktpolitik hinaus gilt dieses Prinzip für viele andere Bereiche. Wir haben es bei der Diskussion über die Pflegestützpunkte erlebt. Wir haben heute die Vielzahl von Schnittstellen im Bereich der Eingliederungshilfe gesehen. All das sind Bereiche, bei denen wir sagen: Wenn wir effektiv behinderte Menschen, bestimmte Personengruppen versorgen müssen, müssen wir eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen Zweige der Sozialversicherung mit den staatlichen Ebenen – auch der Ebene der Kommunen – organisieren. Das ist doch Erkenntnisstand in diesem Land.
Das hat sich noch nicht bis zu den Föderalismusfundamentalisten auf der Bundesebene rumgesprochen – bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht! Aber es wird die Zeit kommen, wo auch bei Herrn Kauder, bei Herrn Röttgen und bei anderen diese Erkenntnis ankommt.
Ich vermisse leider – das will ich nicht verschweigen – die Positionierung der CDU des Landes. Sie hat sich eben nicht positioniert, wie es die SPD getan hat, die sich sehr frühzeitig für eine Verfassungsänderung ausgesprochen hat, um eine solche Organisationsform möglich zu machen.
Folgendes möchte ich noch ausführen, weil ich nicht nur als Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag tätig bin, sondern auch in meiner Kommune Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der örtlichen Arbeitsgemeinschaft bin: Ich habe am Montag ein Gespräch mit den Personalräten. Ich weiß nicht, was ich denen sagen soll. Ich weiß nur, dass der jetzige Stand dazu führt, dass die Beschäftigten – nicht nur in Bielefeld, sondern überall im Lande – aus nachvollziehbaren Gründen – auf die hohe Zahl der Befristungen ist hier schon Bezug genommen worden – schauen, ob sie in die Agentur für Arbeit, ob sie in die Kommune gehen bzw. wieder zurückgehen können.
Die befristeten Arbeitsverhältnisse werden auslaufen. Damit wird sich die Leistung für die Betroffenen verschlechtern – nicht erst 2010, sondern ab morgen. Das ist die bittere Realität, die wir zur Kenntnis zu nehmen haben.
Wir wissen auch – diese Frage ist sehr oft kontrovers diskutiert worden –: Manchmal sind viel zu schnell und zu voreilig Wertungen vorgenommen worden. Aber aufgrund vieler Untersuchungen wissen wir, dass 50 % der Menschen, die im Leistungsbezug stehen, seit 2005 fast kontinuierlich im Leistungsbezug sind und dass diesen Menschen nur durch eine konzentrierte Form der Bündelung
zwischen sozialpolitischen, örtlich verankerten Maßnahmen und Arbeitsmarktpolitik eine Perspektive gegeben werden kann. Ich sage es noch mal: Ich glaube, diese Erkenntnis hat sich auf Bundesebene noch nicht rumgesprochen.
Zu dem Thema, das Kollege Post erwähnt hat: Wir Sozialdemokraten sind für ein Agieren auf Augenhöhe. Gerade bei mir steht es wohl nicht in Zweifel, dass ich auch der Bundesebene in bestimmten zentralistischen Fragen meine Meinung zur Kenntnis gegeben habe. Aber ganz bemerkenswert ist doch auch, dass der, der heute Namenstag hat, im Ausschuss selbst erklärt hat: Das ist nicht so sehr eine Frage von Parteipolitik, sondern auch von Ebenen. – Auf der zentralen Ebene, auf der er auch schon tätig war, gibt es eben eine andere Denke.
Da gibt es also viel zu tun. Ich finde, manchmal wird auch eine Monstranz vor sich hergetragen. Das geschieht in der Frage „Arbeitsgemeinschaften oder Optionskommunen?“
Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Es gibt keine Erfahrungswerte, nach denen das eine Organisationsmodell a priori besser wäre als das andere. Es kommt vielmehr darauf an, wie es auf der kommunalen Ebene gelingt, Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik zu verschränken.
In den Landkreisen, in denen kommunale Sozialpolitik vorher nicht im wesentlichen Umfang gemacht worden ist, gelingt das wenig. In Arbeitsgemeinschaften, in denen eine kommunale Sozialpolitik seit vielen Jahren Tradition ist, gelingt dies eben besser. Es kommt insbesondere auf die Menschen an, die es vor Ort umsetzen.
Von daher, Frau Kollegin Steffens, bleiben wir dabei, die Landesregierung aufzufordern, eine Bundesratsinitiative zu starten.
Wir bleiben dabei, weil der Ministerpräsident dieses Landes dies öffentlich verkündet hat und weil auch andere CDU-Ministerpräsidenten wie Herr Oettinger diese Initiative ergreifen wollen. Im Prinzip ist es schon eine Minute nach zwölf – das ist wohl richtig –, aber ich gebe nicht auf,
auch im Interesse der Beschäftigten, im Interesse derjenigen Menschen, die im Lande betroffen sind, nach einer einvernehmlichen Regelung zu suchen und nichts unversucht zu lassen, liebe Frau Kollegin Steffens, diese Chance noch einmal zu ergreifen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Romberg das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Romberg.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Grünen ist mal wieder ein leicht durchschaubarer Versuch, nicht etwa konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, sondern Ärger zu schüren,
(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir unterstützen den Vorschlag der Landesregierung!)
frei nach dem Motto: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. – Man kann das schon verstehen, wenn man daran denkt, was auch die Grünen – sowohl hier im Land als auch im Bund in der Opposition – die letzten Tage auf Bundesebene miterlebt haben. Mich stimmt das eher traurig. Zumindest muss man aber das Fazit ziehen, dass die Große Koalition wieder an einem entscheidenden Punkt gescheitert ist.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die hat Herr Rütt- gers ins Gespräch gebracht! Fallen Sie ihm jetzt auch noch in den Rücken?)
Herr Schmeltzer, die Koalitionsrunde, so habe ich gehört, hat zum letzten Mal getagt, übrigens ein halbes Jahr vor einer Bundestagswahl. Da passiert also überhaupt nichts mehr. So sieht die Regierungsverantwortung im Bund aus. In einer Situation, in der man in den Medien lesen kann, die Kanzlerin klassifiziere den Entwurf ihres Bundesarbeitsminister als „ungenügend“ – das ist die Schulnote sechs –,
da glauben Sie doch wohl nicht, dass bei diesem Regierungsbündnis in Berlin noch irgendetwas Produktives herauskommt. Daher sollte man ganz pragmatisch an die Sache herangehen.
Frau Steffens, glauben Sie wirklich, dass die langzeitarbeitslosen Menschen es Ihnen abnehmen, dass es tatsächlich um deren Interessen geht?
Ich denke, das ist nicht der Fall. Auffallend ist nämlich, dass man im Antrag vergeblich nach brauchbaren, praktikablen Vorschlägen sucht, was man im Sinne der Betroffenen wirklich besser machen könnte.
onskommunen haben wir im Landtag schon vielfach kontrovers diskutiert. Die grundsätzlichen Haltungen der Fraktionen dürften hinlänglich bekannt sein. Dass die Argen mit ihrer Mischverwaltung ein problematisches Konstrukt sind, haben wir in den letzten Jahren so deutlich gemacht wie keine andere Fraktion im Haus.