Protocol of the Session on March 19, 2009

Herr Remmel, Sie hätten die Verdienste des Umweltministers Sigmar Gabriel in Ihrem Antrag ruhig nennen können; sie hätten sie nicht so unter den Tisch zu kehren brauchen. Schließlich hat er mit seinem Votum in Brüssel Anfang März gegen das Anbauverbot von Genmais in Österreich und Ungarn ein deutliches Zeichen gesetzt und so die Diskussion über ein Anbauverbot von Genmais wiederbelebt.

Schon im letzten Jahr hat selbst der alte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer eingesehen,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Der Seehofer ist jung!)

dass er hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Maises MON 810 Bedenken hat. Nun bleibt zu hoffen, dass seine Nachfolgerin im Amt nicht den gleichen Fehler begeht und die Aussaat verbietet, wenn sie längst auf den Feldern ist.

(Zustimmung von Svenja Schulze [SPD])

Eine für Ende April angekündigte Entscheidung lässt aber Böses ahnen.

Ich bin betrübt, dass einige von Ihnen immer noch nicht den Unterschied zwischen roter, weißer und eben grüner Gentechnik verstanden haben. Der Einsatz von Gentechnik im sogenannten roten Bereich, also in der Medizin, ist nämlich gar nicht umstritten. Auch bei der grauen oder weißen Gentechnik gibt es sinnvolle Anwendungen. Ich sage das hier schon einmal vorsorglich, weil Herr Ellerbrock von der FDP gleich sicherlich wieder auf den tollen Nutzen von Insulin eingehen wird, den wir auch gar nicht bestreiten wollen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Dann brauche ich das ja nicht mehr zu machen!)

Wir wollen diese Chancen der Gentechnik auch nutzen. Deshalb haben wir uns auf Bundesebene im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Forschung auf diesem Gebiet weiter zu fördern. Wir halten aber gleichzeitig daran fest, dass der Schutz von Mensch und Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben muss und dass Koexistenz und Wahlfreiheit gewährleistet werden müssen.

Wenn ich mir so anschaue, was auf den Genmaisfeldern in Nordrhein-Westfalen in 2006 und 2007 so alles passiert ist, habe ich meine argen Bedenken.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Schlimm, wie die zertrampelt worden sind!)

Schließlich wohne ich selber in der Nähe eines solchen Feldes und habe das Nichteinhalten von Sicherheitsabständen und die Reaktion auf die darauffolgende Anordnung hautnah mitbekommen.

Im August 2007 musste die Landesregierung in der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage 1785 zugeben, dass in der Freisetzungsfläche in Werne Durchwuchsmais aufgetreten war. Daher müssen wir klären, ob Freilandversuche überhaupt jemals rückholbar sind,

(Svenja Schulze [SPD]: Genau!)

ob wir Freilandversuche gestalten können oder ob wir damit etwas anrichten, was wir nicht zurückholen können. Bevor so etwas nicht geklärt ist, muss man bei der Anwendung sehr kritisch sein.

Dann kommt immer wieder die gleiche Leier, nur Gentechnik könnte den Hunger in der Dritten Welt beseitigen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Misereor, Herr Ellerbrock, das Hilfswerk der katholischen Kirche, schreibt auf seiner Internetseite:

Gentechnologie ist nicht die Zauberformel, die uns die Sicherung der Welternährung bringen wird.

(Ralf Witzel [FDP]: Zauber? – Holger El- lerbrock [FDP]: Zauber ist das nicht!)

Notwendige Grundlage für Ernährungssicherheit ist der ungehinderte und rechtlich abgesicherte Zugang zu fruchtbarem Land und Saatgut. Dieser ist den Menschen in vielen Ländern verwehrt und wird durch den Patentschutz auf Nutzpflanzen noch weiter eingeschränkt.

Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Zusammenfassend stelle ich fest: Auch wenn die Landesregierung und die sie im Landtag tragenden Koalitionsfraktionen heute wieder einmal wahrheitswidrig die Klaviatur von einer angeblichen Überängstlichkeit, Forschungsfeindlichkeit und Gefährdung des Standorts NRW spielen, ist es höchste Zeit, sich bei uns in Nordrhein-Westfalen ein für alle Mal und damit endgültig vom Genmais zu verabschieden.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Herr Ellerbrock, Sie sind gleich dran.

In Berlin liegt seit dem 24. Februar dieses Jahres ein vollständig ausformulierter Antrag der Koalitionsfraktionen des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Für eine nachhaltige Weiterentwicklung des europäischen Gentechnikrechts“ vor. Dort wird auch auf MON810 und deren Verunreinigung in Lebensmitteln, unter anderem in Honig, eingegangen. Die CDU hat ihre Unterschriftsbereitschaft zurückgezogen.

Klare Kante gibt es hingegen bei der SPD in Land und Bund: Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich eindeutig gegen die Aussaat und Zulassung von Genmais ausgesprochen. Ebenso unterstützt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel den Kurs seiner Kabinettkollegin Aigner bei einem Verbot von Genmais MON810.

So stimmen wir selbstverständlich dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu und gehen eigentlich davon aus, dass auch die CDU-Fraktion mit dieser Abstimmung ihrer Bundeslandwirtschaftsministerin nicht in den Rücken fällt. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiegand. – Als nächster Redner hat Herr Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Remmel, an Ihrer Stelle hätte ich genauso mit dem Blick auf Bayern

begonnen und gesagt: Da macht ihr ja etwas – Bayern als gentechnikfreie Zone. – Wenn ich es so gemacht hätte wie Sie jetzt als Opposition, hätte ich das still zu erdulden.

(Svenja Schulze [SPD]: Das fällt Ihnen aber schwer!)

Allerdings ist es leichter, das still zu erdulden, wenn man die Einschränkungen in Bayern sieht, dass man nämlich sagt: Wenn jemand über die gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen hinausgeht, wollen wir das auch verbieten. – Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Zu den Pirouetten, die ich erwarte: Frau Aigner ist neu im Amt; sie muss sich an diese größere Dimension gewöhnen. Eine Pirouette ist eine Kunstform gerade beim Eistanz, die sich dadurch auszeichnet, dass man mit Umsicht in alle Richtungen dennoch klar seinen Kurs zieht. Deswegen gehe ich davon aus, dass Frau Aigner das auch tun wird.

Sie haben gesagt, die Gefahren könnten noch nicht hinreichend abgeschätzt werden. Wenn Sie das konkret in Maß und Zahl angeben würden, wäre es sehr viel besser. So werden Sie immer sagen können: Das ist noch nicht hinreichend erforscht, weil unsere Untersuchungstechnik und unsere Analytik besser werden. Wir geben keine Ruhe, und das ist gut so, bis wir das Periodensystem der Elemente in jedem Stoff wiederfinden. – Wir müssen uns dann aber auch klarmachen, was das eigentlich soll.

Nächster Punkt: Das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung hat wissenschaftlich eine noch höhere Akzeptanz für mich, Frau Kollegin Wiegand, als Misereor,

(Beifall von der FDP)

bei aller Wertschätzung der katholischen Kirche als langfristig orientierte Unternehmenseinheit. Aber das Max-Planck-Institut ist eine andere Hausnummer. Da werden Sie mir bestimmt zustimmen.

Kollege Remmel hat vorhin beklagt, dass eine Milliarde Menschen ohne ordentliches Wasser auskommen müssen. Er müsste eigentlich sagen: Diesen Menschen wollen wir aus der Hungersituation heraushelfen;

(Beifall von der FDP)

wir müssen Wege suchen, wie wir das machen können.

(Svenja Schulze [SPD]: Was für ein Unsinn!)

In diesem Zusammenhang müssen wir ganz klar sagen, worüber wir denn reden.

(Svenja Schulze [SPD]: Reden Sie mal mit Frau Aigner!)

Bei der roten Gentechnik muss ich das Beispiel Insulin nicht bringen; schönen Dank, Frau Wiegand. Rote Gentechnik ist breit akzeptiert.

Für mich ist völlig fraglich, warum die weiße Gentechnik nicht in besonderem Maße von den Grünen hervorgehoben wird, nämlich Enzyme. Dadurch gibt es weniger Wasserverbrauch, weniger Energieverbrauch usw. Alles das müsste doch eigentlich hervorragend in Ihr energiepolitisches Konzept passen.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie müssten jeden energiepolitischen Antrag damit begründen und zur weißen Gentechnik Ja sagen.