Protocol of the Session on March 18, 2009

Auf den Anfang kommt es an. Nun, auch hier erleben wir unglaublich viel Selbstlob, was Sie alles tun, um die Kindertagesstätten mit Ihrem Kinderbildungsgesetz besser zu stellen.

Ich fange einmal mit dem ersten Bereich an: Bildung. Wir meinen, dass der Bereich Bildung öffentlich finanziert werden soll und dass nicht die Elternbeiträge dazu herangezogen werden sollen. Auch hier gibt es einen Unterschied zwischen NordrheinWestfalen und allen unseren Nachbarbundesländern: Rheinland-Pfalz hat die Elternbeiträge im Kindergarten abgeschafft, Niedersachsen will sie abschaffen, Berlin hat sie abgeschafft.

(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn ge- macht?)

Ein Großteil der Bundesländer ist diesen Schritt gegangen. Hier werden den Kommunen, die dies in eigener Verantwortung machen wollen, wie Aachen und der Kreis Düren von dieser Landesregierung sogar noch Knüppel zwischen die Beine geworfen, indem sie ihnen diese Befreiung von den Elternbeiträgen dann über die Bezirksregierungen untersagt.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das nutzt kei- nem! Die armen Kinder zahlen doch gar kei- nen Kindergartenbeitrag!)

Das ist eine Politik gegen die Eltern, und das ist eine bildungsfeindliche Politik. Das müssen wir hier ganz klar festhalten.

(Minister Armin Laschet: Sie reden doch nur für Besserverdienende! Arme Kinder zahlen doch nichts!)

Kinderbildungsgesetz: ein Gesetz – das haben wir hier schon an verschiedener Stelle debattiert –, das den Etikettenschwindel sozusagen schon im Namen trägt. Denn es ist kein Kinderbildungsgesetz, es ist ein Kinderfinanzierungsgesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl- Josef Laumann: In was für einer Debatte sind wir eigentlich bei Ihnen? – Ralf Witzel [FDP]: Richtig, ein Finanzierungsgesetz mit einem Mittelaufwuchs in dreistelliger Millionenhöhe!)

Herr Witzel, schreien Sie nicht dazwischen. Ich habe Sie eben auch ausreden lassen.

Jetzt sagen Sie wieder: Wir haben ja so viele U3Plätze geschaffen. Aber, meine Damen und Herren, Bildung allein stellt sich nicht über die Quantität her, sondern wir wissen, dass wir Kinder ausreichend fördern müssen, um eine gute Basis für den Bildungsweg und die Bildungslaufbahn der Kinder zu schaffen. Das bedeutet, dass sie ausreichend Zeit zur Verfügung haben müssen und dass genug Personal in den Einrichtungen zur Verfügung stehen muss, damit diese individuelle Förderung angeboten werden.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tenhumberg?

Jetzt nicht.

Okay.

Genau das ist mit dem Kinderbildungsgesetz ins Gegenteil verkehrt, meine Damen und Herren.

(Minister Karl-Josef Laumann: Was halten Sie denn da für eine Rede, Frau Kollegin?)

Sie haben die Standards abgebaut. Sie haben dafür gesorgt, dass sich die Ressourcen, die Rahmenbedingungen für die Kindertagesstätten verschlechtert haben. Damit sorgen Sie dafür, dass wir im Kindergarten nicht mehr, sondern weniger Bildung und weniger Förderung haben. Das ist das Resultat Ihrer Politik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Bernhard Tenhumberg [CDU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

So, Herr Tenhumberg, bitte jetzt.

Bitte schön, Herr Tenhumberg.

Frau Kollegin, Sie hatten sich zur Beitragsfreiheit geäußert. Ist Ihnen bekannt, dass die Vorgängerregierungskoalition in der Legislaturperiode 2000 bis 2005 offiziell mitgeteilt hat, dass die Beitragsfreiheit haushaltsmäßig nicht darstellbar sei?

(Beifall von der CDU)

Herr Tenhumberg, das kennen wir von Ihnen – das hat Herr Witzel eben auch gemacht –, dass Sie jeweils, wenn wir Ihre Verantwortung, die Sie als CDU und FDP in dieser Legislatur tragen, einklagen und Sie fragen, was Sie machen, nach hinten verweisen, so wie Kinder, die sagen: Meine Eltern sind schuld; wir konnten gar nicht anders. – Herr Tenhumberg, Sie haben jetzt die Verantwortung. Wenn Sie den politischen Willen haben, tun Sie es, und verweisen Sie nicht auf die Haushaltslage von 2005!

(Beifall von Hans-Theodor Peschkes [SPD] – Ralf Witzel [FDP]: Wer gibt mehr Geld aus, wir oder Sie?)

Sie haben in einer Zeit der Hochkonjunktur regiert, und Sie haben diese Zeit nicht genutzt, um zusätzliche Ressourcen in nennenswertem Umfang ins Bildungssystem und damit auch in die Kindertagesstätten zu stecken.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl- Josef Laumann: Das war die schlechteste Rede, die ich seit 2005 gehört habe!)

Eben haben wir wieder gehört, dass die Kindertagesstätten in den sozialen Brennpunkten angeblich bessergestellt werden.

(Ralf Witzel [FDP]: Natürlich, die kriegen Zu- lagen!)

Herr Laschet, Sie wissen genau, mit dem alten Gesetz konnte jede Kindertagesstätte in einem sozialen Brennpunkt eine zusätzliche Stelle beantragen. Jetzt sind es lediglich 15.000 €, und Sie wissen genau, dass man mit 15.000 € noch nicht einmal eine halbe Stelle finanziert bekommt. Das heißt, Sie haben auch die Situation der Kindertagesstätten in den sozialen Brennpunkten verschlechtert. Das ist die Realität.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits um fünf Minuten überschritten.

Ich komme zum Schluss. – Das, was Sie benennen, ist mal wieder Etikettenschwindel, das hat mit effektiven Maßnahmen, mit Maßnahmen in die Zukunft, mit Maßnahmen, die auch greifen, wenn sich jetzt die Konjunktur verschlechtert, nichts zu tun. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie konkrete Lösungen entwickeln, um die Kinderarmut zu bekämpfen, damit beim Konjunkturabschwung nicht wieder die Kinder die Leidtragenden sind, sondern den Kindern in diesem Land wirksam geholfen wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Tenhumberg noch einmal zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Asch, so einfach kann man es sich nicht machen. Wir haben in den letzten Haushaltsjahren gerade in den Bereich „Kinder und Jugendliche“ erhebliche Mittel investiert und Gelder zur Verfügung gestellt,

(Beifall von der CDU – Zuruf von der CDU: Richtig!)

und zwar überproportional. Wenn Sie heute behaupten, wir hätten weniger oder unterproportional investiert, können Sie keinen Haushalt lesen. Das scheint Ihr Problem zu sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage Ihnen, dass wir allein im Kindergartenbereich mehr als 400 Millionen zur Verfügung gestellt haben, ganz zu schweigen vom gesamten Personal im schulischen Bereich, in dem auch gegen Armut gekämpft wird, indem wir Bildungschancen verbessern. Das müssen Sie endlich mal zur Kenntnis nehmen. Aber das wollen Sie nicht und rufen heute vor breitem Publikum: Bitte, jetzt macht mal was! – Sich einfach herauszustehlen und an unsere Verantwortung zu appellieren, die wir sehr ernst nehmen, obwohl Sie zwischen 2000 und 2005 Ihre Verantwortung selber nicht wahrgenommen haben, das ist einfach schäbig. Sie haben 2000 bis 2005 nichts getan – aber wir packen es an und verbessern die Chancen für Kinder und Jugendliche –, und dann die eigene Verantwortung zu leugnen, das ist schäbig.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Laumann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nur noch mal gemeldet, weil ich die Rede der Kollegin Asch schon unterirdisch fand.

Wir sollten am Ende der Debatte doch Folgendes festhalten: Wenn in Nordrhein-Westfalen 24 % der Kinder, die mit ihrer Mutter oder ihrem Vater zusammenleben, in einem Haushalt aufwachsen, der deutlich unter 1.000 € im Monat zur Verfügung hat – über die Forschung wissen wir, dass die Startchancen dieser Kinder nachher im Schulsystem wesentlich schlechter sind als für andere –, hat diese Gesellschaft ein erhebliches Päckchen zu tragen, falls sie ihre Zukunftsfähigkeit nicht verlieren will.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Denn die jetzigen Grundschulklassen sind kleiner als die Grundschulklassen, denen wir angehört haben, werden aber im Wirtschaftsprozess relativ starke Jahrgänge ersetzen. Wir werden unseren Wohlstand nicht mit Menschen ohne Berufsausbildung verteidigen, sondern wir werden ihn nur mit Menschen verteidigen können, die in der Lage sind, gute Produkte zu fertigen und intelligente Dienstleistungen anzubieten. Mit Menschen ohne Berufsausbildung werden wir am Ende, wenn wir das nicht besser hinkriegen, unseren Wohlstand in diesem Land verlieren. All diejenigen, die die Armutsfrage nicht ernst nehmen, sollten vielleicht diese Frage ernst nehmen.

Zweiter Punkt: Was kann man tun? Uns ist doch bekannt, dass Armut bei Alleinerziehenden mehr ein Thema ist als bei anderen. Ich könnte sagen: Machen wir es wieder wie früher! Wenn man zusammen ein Kind bekommt, hat man auch zusammen für das Kind zu sorgen. Das wäre wahrscheinlich die einfachste Lösung; aber so einfach ist es nicht. Auf jeden Fall ist die Antwort, für mehr U3Plätze zu sorgen, keine verkehrte. Dass wir da in den letzten Jahren weitergekommen sind, ist wohl richtig. Deswegen ist es nicht falsch, wenn Kinder, die Probleme mit der Sprachkompetenz haben, so unterstützt werden, dass sie bei der Einschulung die Lehrerin verstehen und am Unterricht teilnehmen können. Das kann keine schlechte Politik sein,

(Hannelore Kraft [SPD]: Das sagt auch kei- ner!)

weil sie die Startchancen von Kindern erhöht. Ich finde, eine Landesregierung, die das eingeführt hat, darf schon sagen, dass sie es eingeführt hat. Das ist eingeführt; das darf ich doch wohl sagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein weiterer Punkt: Natürlich kann man eine Debatte über das Schulsystem führen, wie sich unterschiedliche soziale Entwicklungen in der Schule gut entfalten können. Aber tun Sie das bitte nicht so, als wenn unsere Förderschüler und unsere Hauptschüler im Gesamtschulsystem besser klarkommen würden. Ich möchte mal wissen, wie ein Förderschüler in einer großen Gesamtschule klarkommt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Gehen Sie doch mal in die ausgezeichnete Schule!)

Die Förderschule will ich nicht schlechtreden, sie ist eine der teuersten Schulformen, die sich dieses Land gönnt. Ich bin froh, dass wir sie für diese Kinder haben.