Wir haben stattdessen den Haushalt 2009 vor knapp zweieinhalb Wochen hier in diesem Hohen Hause verabschiedet. Wir haben Ihnen vorher gesagt: Das ist Makulatur. Was darin steht, ist Quatsch. – Jeder konnte es wissen. Sie wussten es. Jeder wusste es, der etwas davon versteht. Jetzt sitzen wir hier heute wieder, und Sie wollen den Eindruck vermitteln, als seien Sie eine kräftige Regierung und würden zeitnah reagieren. Mindestens
drei Wochen sind Sie zu spät. Sie sind vor allen Dingen intransparent und lassen die Menschen erst sehr verspätet wissen, wie groß das Ausmaß der Tragödie in Nordrhein-Westfalen wirklich ist.
Wir strecken Ihnen auch dieses Mal, ein zweites Mal, die Hand entgegen zu einem beschleunigten Verfahren für diesen Nachtrag. Innerhalb von vier Wochen kann man zu einem Ergebnis kommen. Allerdings wollen wir es nicht ganz ohne das Parlament, Frau Kollegin Freimuth, tun. Ganz einfach durchwinken geht nicht.
In diesem Nachtragshaushalt sind auch fachliche Dinge vermengt worden, die beraten werden müssen. Wir brauchen zumindest eine kurze Anhörung und auch eine Beratung in dem einen oder anderen Fachausschuss. Aber das kann man innerhalb von vier Wochen erledigen. Wir müssen das nicht innerhalb von zwei Wochen schaffen; denn damit würde sich das Parlament praktisch selbst abschaffen, für absurd erklären. Es gibt durchaus einiges zu beraten.
Wir brauchen eine kritische Anhörung, zum Beispiel zum Fachhochschulausbau. Wir haben Ihnen von Anfang an gesagt: Das ist falsch. Richten Sie Studienplätze an den Fachhochschulstandorten ein, die wir schon haben. Das geht schnell, das ist kostengünstig. – Stattdessen brauchen Sie jetzt mehr Geld für neue Standorte, und die Fachhochschulstudienplätze sind erst 2013 da, wenn der Peak derjenigen, die Studienplätze suchen, gerade erreicht ist und die Zahl wieder heruntergeht. Es mag sein, dass der Druck auf die Studienplätze 2013/2014 nicht mehr so groß ist. Aber es ist jedenfalls nicht richtig für 2009, für 2010, für 2011 und auch nicht für 2012. Sie kommen mit dem Ausbau viel zu spät. Sie müssten sehr viel schneller handeln. Das haben wir Ihnen auch gesagt, aber Sie wollen nicht hören.
Auch beim KiBiz hatten wir Ihnen gesagt, dass Sie mehr Geld brauchen werden. Nun beraten wir das im Nachtragshaushalt.
Dass Sie jetzt auch noch die 1 Million € für die Obdachlosen einstellen, ist irgendwie auch nett. Noch vor zwei Wochen haben Sie gesagt, das sei absolut unnötig, da gebe es überhaupt keinen Bedarf, das sei absurd. Ich erinnere mich noch, wie Herr Klein – jetzt ist er geflüchtet – hier als Finanzfachpolitiker gestanden und sich über die Obdachlosenpolitik ausgelassen hat. Wir sind trotzdem nicht einverstanden, meine Damen und Herren. Wir sind einverstanden, dass das im Nachtragshaushalt bleibt, dass das etatisiert wird, aber nicht so, wie Sie glauben, das durchziehen zu müssen. Das ist fachpolitisch noch nicht in Ordnung. Deshalb brauchen wir auch da eine Beratung.
Inhaltlich haben Sie in diesem Nachtragshaushalt – und das ist das Allerschlimmste – keinen eigenen Schwerpunkt gesetzt. Wenn es so ist, wie Sie es vorhin gesagt haben, Herr Finanzminister, dass das die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte des Landes ist – und ich glaube, das ist so –, dann muss doch ein eigenes Konzept her. Herr Finanzminister Linssen, Frau Wirtschaftsministerin Thoben, wo ist das Konzept gegen die Krise? Ich erlebe Sie hier als handlungsunfähig. Da kommt nichts von der Regierung und von den sie tragenden Koalitionsfraktionen schon gar nicht.
Sie haben unser Konjunkturpaket, Frau Ministerin Thoben, im Oktober noch abgelehnt mit dem Hinweis, man könnte die Atomkraftwerke länger laufen lassen. Absurd! Bis heute sind Sie nicht in der Lage, ein eigenes Konjunkturpaket vorzulegen, das tatsächlich die Rezession mildern und dazu führen würde, dass wir wieder zu Steuermehreinnahmen oder zumindest zu einer Abmilderung der Steuermindereinnahmen kämen. Das jedenfalls nenne ich keine kräftige Regierung.
Stattdessen macht die Landesregierung unter der Führung von Jürgen Rüttgers weiter folgenschwere Fehler. Erinnern Sie sich an die Bankenkrise, meine Damen und Herren? Genauso laufen die Fehler jetzt auch in der Konjunkturkrise. In der Bankenkrise ist Jürgen Rüttgers losgelaufen und hat gesagt: Ja, das machen wir mit dem Rettungsschirm! – Oettinger und auch Beckstein haben sich zurückgehalten, haben verhandelt, haben etwas herausgeholt für ihre Länder. Am Ende sind wir das einzige Land, das doppelt zahlt: Wir zahlen für unsere WestLB und für den Rettungsschirm der anderen Banken.
Genauso handeln Sie jetzt, Herr Ministerpräsident, in der Frage Opel. Natürlich kann ich als Bochumer nur sagen: Selbstverständlich muss das Opel-Werk in Bochum gerettet werden, aber auch die Werke an den anderen Standorten und die Zulieferer, alles, was da dranhängt. Das ist doch völlig klar. Aber auch da sind Sie wieder vorschnell gewesen, auch da kommen Sie jetzt unter Druck, weil das Unternehmen sagt: Ja genau, die Politik hat schon alles zugesagt. – Und das, ohne dass es ein Zukunftskonzept gibt! Aber das würde ich mir von einer kräftigen Regierung erwarten: dass es ein Konzept gibt, das länger durchhält als bis zum nächsten Landtagswahlkonzept. Sie müssten als kräftige Regierung – wären Sie denn eine – die Krise als Chance für eine Neuorientierung nutzen, damit nachhaltiges Wirtschaften in Nordrhein-Westfalen an diesen Standorten mit Industrie möglich bleibt.
Das alles tun Sie nicht. Sie können gewiss sein, dass die Bürgerinnen und Bürger im Lande Nordrhein-Westfalen das beobachten; denn sie zahlen am Ende die Zeche Ihrer Politik. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Wir setzen die Debatte fort. Herr Finanzminister Dr. Linssen erhält das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie hörten gerade den Herrn mit dem fröhlichen Potpourri, das immer wieder neu aufgelegt wird. – Lieber Herr Groth, wenn Sie sich einmal mit den Fakten des Haushaltes beschäftigen würden, wie Frau Walsken das heute getan hat! Ich fand, Frau Walsken war heute einfach besser.
(Gisela Walsken [SPD]: Kriege ich heute eine gute Note, Herr Minister? Danke schön! – All- gemeine Heiterkeit)
Frau Walsken hat sich mit bestimmten Positionen des Haushaltes beschäftigt. Aber ich werde ihr nachweisen, dass praktisch keine Zahl von ihr stimmte.
Frau Walsken, das Beste an Ihrem Vortrag war, dass Sie das Verfahren positiv begleiten wollen. Das fand ich auch bei Herrn Groth sehr nett. Sie haben gesagt: 14 Tage reichen nicht, es sollten vier Wochen sein, wenn sich das Parlament nicht ganz aufgeben wolle. – Wir sollen drei Wochen zu viel für den Nachtragshaushalt gebraucht haben. Ich nehme an, die Aufstellung eines Nachtragshaushalts mit Steuerschätzung ist etwas mehr Arbeit – ich bin ja Parlamentarier –, als einen solchen Nachtrag durch die Gremien zu bringen.
Sie haben beklagt, Frau Walsken: Kein eigenes Programm! – Dazu darf ich Ihnen sagen, dass wir mit der Haushaltseinbringung – das war bereits im Juni letzten Jahres – den Haushalt expansiv angelegt haben. Wir sind dafür von Ihnen gescholten worden. Sie haben gesagt: Ihr dehnt die Verschuldung von 1,6 Milliarden auf 2,9 Milliarden € mit der Ergänzungsvorlage aus. Das geht nicht. – Das haben wir getan, weil wir schon damals die automatischen Stabilisatoren wirken lassen wollten. Wir haben nämlich 1,22 Milliarden € Steuermindereinnahmen nicht durch Sparmaßnahmen ersetzt, um die Konjunktur nicht zu gefährden. Wir haben Ihnen damals die Summe von 780 Millionen € vorgerech
net: allein 415 Millionen mehr für die Kommunen, 110 Millionen für KiBiz, 40 Millionen für die Bau- und Infrastruktur, 150 Millionen für Schule, 35 Millionen für Hochschule und Wissenschaft. – Wenn das nicht ein expansiv angelegter Haushalt war und eben kein kontraktiv angelegter, dann weiß ich nicht, wo ich mich jetzt befinde.
Dann haben Sie uns das Paket Baden-Württembergs als Vorbild hingestellt. Das ist nun wirklich das Schönste! Da bitte ich Sie doch einmal anzuhören, was Baden-Württemberg so Vorbildliches geleistet hat. Baden-Württemberg hat ein EinMilliarden-Programm verkündet. Ich will Ihnen einmal sagen, wie das aussieht. Sie lesen vermutlich die Überschrift, Frau Walsken, und meinen dann, das wäre es auch. Aber das sind 350 Millionen € Bürgschaftsrahmenerhöhung.
Sollen wir Ihnen die von 900 Millionen auf 1,5 Milliarden € auch noch vorrechnen? Sollen wir die auch noch ins Konjunkturprogramm tun? 350 Millionen € Bürgschaft! Es sind in BadenWürttemberg 300 Millionen Vorgriff für den kommunalen Finanzausgleich und 350 Millionen Baransatz.
Den könnte man ernst nehmen; ich habe Ihnen gerade 780 Millionen vorgerechnet, die wir expansiv drin haben. Der Baransatz von 350 Millionen in Baden-Württemberg wird jetzt für die Kofinanzierung des Bundesprogramms gebraucht.
Herzlichen Glückwunsch, Frau Walsken, dass Sie so etwas als vorbildlich für Nordrhein-Westfalen bezeichnen!
Sie wissen ganz genau, dass der Verfassungsgerichtshof Münster uns so etwas verbietet, anders als meinetwegen Baden-Württemberg.
Wir haben es nicht tun dürfen, wir haben stattdessen die Reserve von 925 Millionen für die Pensionen und von 1,3 Milliarden für Bankrisiken und Finanzmarktstabilisierungsgesetz gebildet. Wenn wir nicht den Schuldensockel Nettoneuverschuldung bei Ihnen von 6,7 Milliarden auf praktisch 164 plus in 2008 zurückgeführt hätten – das sind die 92 % Rückführung der Nettoneuverschuldung plus der Reservebildung –, wären wir jetzt überhaupt nicht mehr in der Lage, so etwas kozufinanzieren. Wir müssen jetzt 5,6 Milliarden Schulden machen. Frau Walsken hat heute sehr bewusst die hohe Ver
Das habe ich wohl gemerkt, weil Sie auch schlechte Karten in Bezug auf Ihren Bundesfinanzminister haben. Daran müssen Sie etwas mehr denken als zum Beispiel Herr Groth, der sein Potpourri hier völlig frei vortragen kann.
Frau Walsken hat insinuiert, wir hätten Polster angelegt. Das macht sie bei jedem Haushalt, egal, ob Vorlage des Originalhaushalts oder des Nachtragshaushalts. Sie erzählt immer wieder, wir hätten Polster angelegt.
Sie haben den Länderfinanzausgleich vorgetragen. Das ist vorsichtiger Kaufmann, Frau Walsken; das will ich Ihnen ganz klar sagen.
Es sind 200 Millionen. Wenn Sie sich die Steuerentwicklung in Hessen – die haben dafür gesorgt, dass wir auf 99,8 % der Finanzkraft gesunken sind – genau ansehen, stellen Sie fest, dass wir, wenn wir vorsichtig sind, eine solche Position berücksichtigen müssen.
Dann haben Sie die Kraftfahrzeugsteuer erwähnt. Liebe Frau Walsken, lesen Sie den Haushalt doch mal richtig!