Fraktionen unisono die Landesregierung wegen der neuen Schulden auf das Schärfste verurteilt haben und andererseits nicht müde werden zu kritisieren, dass es kein eigenes Konjunkturprogramm des Landes gibt.
Meine Damen und Herren, einem eigenen MiniKonjunkturprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem wir noch die eine oder andere Milliarde mehr an Schulden machen – in Klammern: machen müssten – und dessen Effekt aufgrund der Tiefe der Rezession kaum spürbar sein dürfte, erteilen wir auf jeden Fall eine Absage. Denn wenn wir uns über die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unterhalten – und in der Tat muss man in dieser Situation von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts reden –, dann muss man auch in gleicher Weise im Blick halten, ob die dafür aufgenommenen Kreditmittel tatsächlich effizient eingesetzt werden, um die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auch wirksam zu bekämpfen.
Meine Damen und Herren, ich will noch auf einige Punkte eingehen, die gerade in der Debatte eine Rolle gespielt haben.
Hier sind die 38 neuen Stellen zur Bewältigung der Aufgabenflut aus dem Konjunkturpaket II kritisiert worden. Anders als zu früheren Zeiten geht die Landesregierung mit diesem Sachverhalt und angesichts der anfallenden Arbeit mit den Beschäftigten und auch mit der Öffentlichkeit aufrichtig um.
Wir haben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren unter unterschiedlichen politischen Verantwortungen sehr viel abverlangt. Bis 2010 werden wir 12.000 kw-Vermerke realisiert, also nicht nur ausgebracht haben. Im Ergebnis sind das 12.000 Stellen weniger in der inneren Landesverwaltung.
Wenn es jetzt mehr zu tun gibt – immerhin müssen mehr als 2,8 Milliarden € in einem geordneten Verfahren ihrem Verwendungszweck zugeführt werden –, dann halte ich es auch für legitim, gerade aufgrund der schon angesprochenen komplexen Vorgaben des Bundes in einem moderaten Rahmen den Stellenplan befristet für die Dauer der Verteilung auszuweiten. Anstatt die Bürokratie grundsätzlich zu erweitern, nehmen wir Verstärkungen gezielt da vor, wo es notwendig ist, und nur so lange vor, wie es notwendig ist.
Dass das nicht außergewöhnlich ist, zeigt sich unter anderem daran – darauf darf ich an dieser Stelle hinweisen –, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das zur Bearbeitung der Anträge für die Abwrackprämie zuständig ist, vorübergehend 70 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellt. Bei der niedersächsischen Landesregierung sind es zur Umsetzung des Konjunkturpaketes sogar 105 neue Stellen.
Ferner will ich auf den Vorwurf eingehen, wir hätten in besseren Zeiten alle Steuereinnahmen ausgegeben und keine Vorsorge für zukünftige Risiken betrieben. – Meine Damen und Herren, das ist doch der absolute Aberwitz. Das Gegenteil ist der Fall: In den Jahren von 2006 bis heute haben wir über 3 Milliarden € für die Vorsorge für künftige Risiken zurückgelegt.
Unter Rot-Grün war Vorsorge ein unbekanntes Wort. Zur Einrichtung der Versorgungsrücklage, also der Abfederung der Pensionsverbindlichkeiten, die auf das Land wie eine Lawine zurollen …
Kollege, das ist Fakt. Die rollt auf uns zu, und wir treffen entsprechende Vorsorge für jeden getroffen. Für jeden neu zu ernennenden Beamten werden Monat für Monat 500 € in diesen Pensionsfonds eingestellt.
Meine Damen und Herren, wir haben auch die guten Steuereinnahmen des vergangenen Jahres zur Risikovorsorge genutzt, nämlich zur Absicherung der Risiken der Geschäfte der WestLB – ich will die Debatte an dieser Stelle nicht wiederholen – und natürlich auch der erforderlichen Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen am Finanzmarktstabilisierungsfonds. Dafür haben wir 1,3 Milliarden € zurückgestellt, um eben spätere Belastungen für nachfolgende Haushaltsgesetzgeber und nachfolgende Generationen zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, in der Krise bleiben wir auf Kurs, und der heißt: Konsolidieren und Investieren. Die neuen Schulden sind aus meiner Sicht leider nicht zu vermeiden, aber wir werden genauso kontinuierlich wie bislang daran arbeiten, den Haushalt strukturell in Ordnung zu bringen. Wir hatten angesichts der Verabschiedung des Landeshaushaltes 2009 bereits darauf hingewiesen, dass wir, hätten wir diese besonderen Rückstellungen für im Grunde schon bestehende Verbindlichkeiten nicht treffen müssen, bereits mit einem Haushaltsplus abgeschnitten und einen ausgeglichenen Haushalt hätten vorweisen können. Das ist etwas, was Sie in all Ihren Jahren nicht geschafft haben.
Wir konsolidieren und investieren. Wenn ich sage „wir investieren“, dann investieren wir in das kostbarste Gut, das wir haben, nämlich in die Menschen in unserem Land.
Meine Damen und Herren, es wäre noch vieles anzuführen, insbesondere, dass die Forderung der FDP nach einem privaten Konjunkturprogramm durch Abbau von Bürokratie und staatlichen Investitionshemmnissen bei der sogenannten Großen Koalition in Berlin leider so wenig Gehör gefunden hat. Ein solches Konjunkturprogramm kostete die Steuerzahler keinen Cent. 90 % aller Investitionen in Deutschland sind privat. Hier könnte durch einfa
che Deregulierungsmaßnahmen ein enormes Potenzial, etwa beim Flughafenausbau oder in der Energiewirtschaft, freigesetzt werden. Ohne die Freisetzung zusätzlicher privater Investitionen werden im Übrigen die staatlichen Maßnahmen möglicherweise nicht die Wirkung entfalten können, die sich manche erhoffen und von denen wir alle wünschen, dass sie auch tatsächlich eintreten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Groth.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt nicht auf die Gründe eingehen, weshalb wir heute über den Nachtragshaushalt beraten. Dass Sie sich, nachdem klar geworden war, dass die Oppositionsfraktionen eine Sondersitzung des Plenums wegen eines gesonderten Termins für die Kommunalwahlen beantragen wollten, schnell mit zwei Punkten in der Tagesordnung vor unseren Tagesordnungspunkt gesetzt haben, wird wie Ihre ganzen Tricksereien auch nachher noch eine Rolle spielen.
Ich will Ihnen einfach noch einmal sagen, wie ich die Situation einschätze und dass diese Einschätzung von vielen im Land geteilt wird. Sie haben schon in guten Zeiten schlecht regiert. Zwei Fakten dazu: höchster Schuldenstand aller Zeiten in NordrheinWestfalen und höchster Ausgabenstand aller Zeiten in Nordrhein-Westfalen.
Trotz aller Schulden und Ausgaben aber ist das Ganze sozialökologisch voll daneben und wirtschaftspolitisch unzureichend, denn Sie geben keinen einzigen Euro für Neuinvestitionen aus, wollen uns das hier jedoch glauben machen. Uns können Sie das sowieso nicht glauben machen, denn fest steht: Es gibt aus dem Landeshaushalt keinen einzigen Euro für Neuinvestitionen.
Nicht deshalb also wird die Verschuldung steigen. Das müssen Sie der Öffentlichkeit auch sagen. Da müssen Sie ehrlich bleiben.
Sozialökologisch voll daneben: Ich sage nur KiBiz, Mittagessen, Ganztagsbetreuung, Vorsorgung mit Lehrern, Studienplätze, die wir nicht haben, Verbraucherschutz, Lebensmittelkontrolle usw. – die Aufzählung könnte man fortsetzen –, und das alles bei Steuermehreinnahmen
Herr Minister, hören Sie gut zu, denn das verantworten Sie ja mit; das verantworten nicht nur der Finanzminister und der MP, sondern Sie sitzen mit im Kabinett – von 6 Milliarden im Vergleich zu 2004.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 6 Milliarden Mehreinnahmen – aber nur für ein Jahr, meine Damen und Herren, nicht, dass Sie glauben, das wären die gesamten Mehreinnahmen. Wenn man das einmal für die Jahre 2006 bis 2009 summiert, sind das fast 24 Milliarden, die die Landesregierung in guten Zeiten mehr an Geld zur Verfügung hat. Sie ist trotzdem nicht in der Lage, einen sozialökologisch vernünftigen Haushalt aufzustellen und ist nicht in der Lage, wirtschaftspolitisch und konjunkturpolitisch die richtigen Zeichen in solch schwieriger Zeit zu setzen. Das, meine Damen und Herren, nenne ich konzeptionslos!
Zusätzlich haben Sie alle Versprechen finanzpolitischer Art, die Sie dazu gegeben haben, gebrochen. Ich nenne nur zwei. Die Beschäftigten werden weiter gerupft – da haben Sie damals auch etwas anderes versprochen. Und Sie hatten gesagt, dass Sie die Nettoneuverschuldung sehr viel intensiver zurückführen würden. Sie behaupten immer noch, dass Sie mehr als die Hälfte der Steuermehreinnahmen dafür verwandt hätten. Das RWI spricht eine ganz andere Sprache und redet von nur ungefähr 30 %.
Was haben Sie also geschafft? Den höchsten Schuldenstand, den höchsten Ausgabenstand, und Sie haben die Nettoneuverschuldung nicht so zurückgeführt, wie Sie es immer versprochen haben.
Schon bei Sonnenschein, den Sie nicht verdient hatten, haben Sie schlecht regiert. Jetzt, wo das unverdiente Glück langsam aussetzt, neigen Sie noch zur Intransparenz.
Sie müssen den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen das ganze Ausmaß der Tragödie vermitteln. Ich habe Sie, Herr Finanzminister, schon im Dezember aufgefordert: Machen Sie sich endlich ehrlich! Sagen Sie den Menschen in NordrheinWestfalen, wie schlecht es um dieses Land bestellt ist. – In den letzten Tagen habe ich die Nachricht bekommen, dass wir endgültig zum Nehmerland geworden sind. Wir zahlen nicht mehr in den BundLänder-Finanzausgleich ein. Es ist eine Finte, jetzt noch einmal 200 Millionen € dafür einzusetzen. Wir sind während Ihrer Regierungszeit jedenfalls im Gesamtzug der Länder zurückgefallen. Sie müssen ehrlich sagen, was Sie getan haben.
Jetzt ist das unverdiente Glück am Ende. Schon im Dezember haben wir an Sie appelliert, zu den Menschen ehrlich zu sein und ihnen vor Augen zu führen, was auf sie zukommt. Schon damals hatten Sie eine Ergänzungsvorlage für den Haushalt 2009 angekündigt, Herr Finanzminister. Die ist dann gar nicht vorgelegt worden. Sie hatten bereits im De
zember eine Ergänzungsvorlage angekündigt, weil schon damals klar war, dass Sie mindestens die 500 Millionen € Pendlerpauschale etatisieren mussten.
Seinerzeit schon hatten wir gesagt: Es ist nicht nur die Pendlerpauschale. Wir wissen auch, dass die Wirtschaftsleistung zurückgeht. Wir wissen, dass es Steuermindereinnahmen geben wird. Wir wissen, dass wir bei KiBiz mehr Geld brauchen. Wir wissen, dass man für den Fachhochschulausbau – auch wenn wir ihn fachpolitisch für falsch halten – auf jeden Fall mehr Geld braucht, was Sie ja jetzt auch etatisiert haben. Das wussten wir alles.
Wir hatten Ihnen die Hand gereicht – jedenfalls ausgestreckt hatten wir sie – und vorgeschlagen: Lasst uns das alles und auch das, was das Konjunkturpaket II bringt – auch wenn die Summen im Einzelnen noch nicht stehen –, in einer Ergänzungsvorlage umsetzen. Wären wir so verfahren, dann wären wir vor drei Wochen mit diesem Verfahren fertig gewesen. Vor drei Wochen wären wir schon fertig gewesen! Dazu waren Sie nicht in der Lage.
Heute wird offenbar, dass Sie die Nettoneuverschuldung im Vergleich zu 2008 verfünffachen. Sie verfünffachen innerhalb von einem Jahr die Nettoneuverschuldung! Sie verfünffachen sie! Meine Damen und Herren, noch im Haushaltsentwurf …
Nein, zum Haushalt hören Sie das nicht gern. Aber die Sonne ist untergegangen, Herr stellvertretender Ministerpräsident, und jetzt kommt Ihnen auch der Wind entgegen. Schon mit dem Haushaltsentwurf hatten Sie die Nettoneuverschuldung verdreifacht. Im Gegensatz zum letzten Jahr ist es jetzt mit dem Nachtrag sogar eine Verfünffachung.
Meine Damen und Herren, ich nenne das ein Fiasko. Ich glaube, wir hätten eine andere Landesregierung verdient.
Wir haben stattdessen den Haushalt 2009 vor knapp zweieinhalb Wochen hier in diesem Hohen Hause verabschiedet. Wir haben Ihnen vorher gesagt: Das ist Makulatur. Was darin steht, ist Quatsch. – Jeder konnte es wissen. Sie wussten es. Jeder wusste es, der etwas davon versteht. Jetzt sitzen wir hier heute wieder, und Sie wollen den Eindruck vermitteln, als seien Sie eine kräftige Regierung und würden zeitnah reagieren. Mindestens