Protocol of the Session on February 12, 2009

Aber wenn man sich nun im Detail anschaut, was mit dem Geld aus dem Konjunkturpaket an den Hochschulen passieren soll, wird schnell deutlich, dass Ihr jetzt vorgelegtes Investitionsprogramm nicht hält, was seine Überschrift verspricht.

464 Millionen € für den Hochschulsektor – das klingt gut, sicher auch in den Ohren vieler Menschen an unseren Hochschulen. Aber sind es auch tatsäch

lich 464 Millionen € für unsere Hochschulen? Leider nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Weitem nicht! Herr Kuhmichel, dieses Programm ist bei Weitem nicht, wie Sie es eben gesagt haben, hochschulfreundlich; denn von den 464 Millionen € geht der Löwenanteil von 200 Millionen € erst einmal nicht an die Hochschulen, sondern an die Universitätsklinika.

Nun will ich gar nicht sagen, dass die Studienbedingungen für Medizinstudierende nicht genauso verbesserungswürdig wären wie die Studienbedingungen in anderen Fachbereichen.

Wenn das Geld also in die Renovierung von Hörsälen oder den Neubau von Seminar- und Praktikumsräumen fließen würde, dann wären sicher auch 200 Millionen € für die Universitätsklinika eine gute Investition in die Bildung. Doch was ist die Realität? Laut Ihrer Pressemitteilung, Herr Minister, soll das Geld unter anderem für eine medizinische Poliklinik, für ein Bettenhaus und für die Grundinstandsetzung von OP- und Behandlungsbereichen ausgegeben werden. Das alles mögen im Einzelfall sinnvolle Maßnahmen sein, keine Frage, aber wirkliche Investitionen in die Bildung, in den Hochschulbereich hinein sind das eben nicht. Dabei sollte das doch gerade ein wesentlicher Clou des Investitionsprogramms des Bundes sein. Es sollte ein Konjunkturprogramm sein, das nicht nur der Wirtschaft nützt, sondern gleichzeitig auch dem Klimaschutz dient und Bedingungen für bessere Bildung schafft. Stattdessen stopfen Sie mit diesen Mitteln Löcher im Bereich der Krankenversorgung und versuchen, das unter dem Label Hochschulsektor als Bildungsinvestition zu verkaufen.

Zweiter Punkt: Studentenwerke, 120 Millionen €. Hier sind wir tatsächlich schon ein bisschen näher am eigentlichen Ziel des Programms. Denn zu guten Rahmenbedingungen für ein Studium gehört natürlich auch eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum. Das war auch bitter nötig und höchste Zeit. Denn schließlich haben Sie in den letzten Jahren die Mittel für die Studentenwerke drastisch gekürzt und alle unsere Anträge zur Wiederaufstockung der Mittel abgelehnt. Von 2005 bis heute haben Sie – trotz unserer heftigen Proteste – die Mittel in der Titelgruppe 60 mit der Bezeichnung „Zuschüsse für die Studentenraumförderung“ mehr als halbiert. Schön, dass Sie jetzt plötzlich Ihre Meinung geändert haben. Nur, eine verlässliche Politik sieht anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kommen wir zum nächsten größeren Posten in Höhe von 80 Millionen €. Meine Damen und Herren, aber noch sind die Hochschulen nicht dran; da müssen Sie sich noch ein wenig gedulden. Und das muss man sich auch einmal sprachlich auf der Zunge zergehen lassen: Von den sogenannten Investitionen in den Hochschulsektor geht mehr Geld in

außeruniversitäre Forschungsorganisationen als in die Hochschulen selber.

Da kommen wir doch schon tatsächlich an vierter Stelle der Liste zu den Hochschulen. Immerhin: 60 Millionen € sollen sie bekommen – ein sattes Plus von ganzen 2 %, gemessen an ihren sonstigen Haushaltsmitteln. Dass damit keine großen Sprünge möglich sind, ist natürlich klar. Aber es wird auch schon deutlich an dem von Ihnen beschriebenen Verwendungszweck. „Mittel für kleinere Baumaßnahmen“ heißt es da vorsorglich, damit niemand auf die Idee kommen könnte, dass diese Mittel tatsächlich größere positive Veränderungen bewirken könnten.

Als Beispiele benennen Sie hier, Herr Minister Pinkwart, die Erneuerung von Kälteanlagen, die Anpassung von Fernwärmenetzen, den Umbau von Studierenden-Service-Centern oder die Modernisierung von Kindertagesstätten. Da hoffen wir, dass solche Ideen wie zum Beispiel die Braunkohlenstaubfeuerung für die Heizung des Uni-Klinikums in Aachen bald ad acta gelegt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Während der neue Campus über Fernwärme angeschlossen werden soll, fördern Sie hier noch solche Dinosauriertechniken.

Wenn man dann den Vergleich zu den ersten Posten auf Ihrer Liste zieht – bei den Universitätsklinika soll es nämlich tatsächlich Neubauten geben und eine Grundinstandsetzung von OP- und Behandlungsbereichen –: Da wollen Sie also tatsächlich etwas bewegen. Auch der Zuschlag, den die außeruniversitären Forschungseinrichtungen von Ihnen bekommen, ist eher eine Verdopplung, gemessen an dem, was sonst im Landeshaushalt steht.

65 % in die Bildung hieß die Devise beim Konjunkturprogramm des Bundes. 65 % von 464 Millionen wären genau 300 Millionen € gewesen – genau die Summe übrigens, die unsere Fraktion in unserem Antrag für ein landeseigenes Konjunkturprogramm als Mittel für die Hochschulen gefordert hat, die Sie aber abgelehnt hatten, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Heute wissen wir auch, warum – aus dem Grund nämlich, dass Sie zwar das Wort Bildung und Bildungsinvestitionen immer wieder gerne in den Mund nehmen, in Wirklichkeit aber nicht bereit sind, auch tatsächlich Geld dorthin zu geben, wo es der Bildung als Erstes nützen würde.

Vor diesem Hintergrund kann man nur sagen: Auch bei diesem Programm bleibt die Landesregierung ihrer Linien treu: Forschung vor Lehre. Die Hochschulen, meine Damen und Herren, bleiben auch beim Konjunkturprogramm für NRW die Stiefkinder des selbst erklärten Innovationsministers. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Innovationsminister Dr. Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu Frau Boos freue ich mich sehr, dass die Koalitionsfraktionen heute diesem Thema eine Aktuelle Stunde widmen. So wichtig auch die anderen Themen sein mögen, die Sie alternativ benannt haben, Frau Boos, meine ich, dass die zukünftige Ausstattung der Studentenwohnheime, die Ausstattung der Hochschulen, der Forschungseinrichtungen, der Universitätsklinika mindestens genau so bedeutsam sind wie die anderen von Ihnen angesprochenen Themen. Ich finde, die Studierenden und die Mitarbeiter in unseren Hochschulen und Universitätsklinika haben es auch verdient, dass Ihnen die Aufmerksamkeit einer solchen Aktuellen Stunde gewidmet wird. Ich freue mich darüber.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich freue mich besonders darüber, dass es die Landesregierung mit den von ihr getragenen Fraktionen geschafft hat, zusätzlich zu den riesigen Kraftanstrengungen – zu denen Sie, Frau Seidl, und die SPD leider nie die Kraft gefunden haben –, die wir Ihnen vor Weihnachten bereits haben vortragen können, aus dem Konjunkturprogramm noch einmal zusätzliche Maßnahmen an unseren Hochschulen in einer Größenordnung von fast einer halben Milliarde € zu fördern.

Da es mir in der Debatte noch nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht worden ist, möchte ich ergänzen, dass das nicht nur Geld des Bundes ist, sondern in den 464 Millionen sind auch 116 Millionen aus dem Landeshaushalt enthalten, wofür ich mich insbesondere beim Landesfinanzminister und den Kabinettskollegen bedanken möchte.

(Beifall von FDP und CDU)

Es ist nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass diese Maßnahmen komplett vom Land kofinanziert werden, und zwar nachdem die Landesregierung vor Weihnachten die Entscheidung getroffen hat, dass wir bis 2020 mit 8 Milliarden € endlich den Sanierungs- und Modernisierungsstau aufheben wollen, den Sie uns hinterlassen haben. Diese Entscheidung kennen Sie, Frau Seidl. Sie konterkariert komplett das, was Sie eben hier dargelegt haben. Ich verstehe, dass das unangenehm für Sie ist, aber das blenden Sie einfach aus.

(Beifall von FDP und CDU)

Hinzu kommt der Fachhochschulausbau. Auch darüber haben wir unlängst bei der Einbringung eines Gesetzentwurfes zur Erweiterung und Errichtung von Fachhochschulen diskutieren können. Wir ha

ben auch darüber diskutiert, dass wir einen erheblichen Mangel an Fachhochschulstudiengängen und Fachhochschulplätzen haben. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wollen hier investieren, und zwar 1,3 Milliarden € in den nächsten Jahren. Wem kommt denn das Geld zugute? – Den Studierenden kommt das in Zukunft zugute, Frau Seidl.

(Beifall von CDU und FDP)

Zusätzlich, zu diesen 9,3 Milliarden €, die in den nächsten Jahren in diese Bereiche fließen, kommen diese 464 Millionen €, die mit 116 Millionen € aus dem Landeshaushalt kofinanziert sind – das ist Teil des Konjunkturprogramms –, um ganz wichtige ergänzende und schnell umsetzbare Maßnahmen durchzuführen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das möglich ist.

Wir haben dieses Programm so strukturiert, dass es ergänzend zu den anderen Maßnahmen wirksam greifen kann, und wir haben dafür die Unterstützung der Landeswissenschaftskonferenzen der Universitäten und Fachhochschulen sowie der Studentenwerke, mit denen wir das natürlich vorher rückgekoppelt haben. Es fließen 200 Millionen € in die Universitätskliniken, dort unter anderem zu dem Zweck der energetischen Sanierung. Ferner werden 120 Millionen € für die Studentenwerke zur Verfügung gestellt, um dringend notwendige Sanierungen an Fassaden und Dächern in den Bereichen Heizung, Gebäudetechnik und Solar durchzuführen.

Auch hier muss ich Frau Boos und Frau Seidl noch einmal in Erinnerung rufen, dass sich darunter einige Studentenwohnheime befinden, die aus den 60er- und 70er-Jahren stammen und seitdem keine Modernisierung erfahren haben. Auch das können wir mit diesem Programm dankenswerterweise angehen.

(Beifall von der CDU)

Es entspricht nicht nur unserer Zielsetzung, dass wir neben bester Lehre auch beste Forschung wollen, sondern das entspricht 1:1 der Zielsetzung des Konjunktur- und Wachstumsprogramms, das zwischen Bund und Ländern verhandelt worden ist. Lesen Sie es einmal nach: Es geht um Schule, Hochschule und Forschung. Und nichts anderes tun wir.

Im Übrigen möchte ich an die Anhörung zur Titelgruppe 73 erinnern, zu der Sie alle eingeladen haben. Heute stellt es sich so dar, als wollten Sie die Forschung gar nicht fördern. In der Anhörung haben Sie aber dargestellt, wie stark Ihr Interesse an diesen Instituten sei. Auch diese Institute haben Sanierungsbedarf.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Natürlich!)

Wir werden Ihnen darlegen, wie wir hier Verbesserungen erreichen wollen. Bitte versuchen Sie, das etwas im Zusammenhang zu betrachten.

(Beifall von CDU und FDP)

Dass wir bei den Hochschulen im Rahmen der kleinen Baumaßnahmen ergänzende Maßnahmen durchführen können, hilft uns auch, sowohl bei der energetischen Sanierung als auch beim Studierendenservice als auch bei den Kindertagesstätten an Hochschulen Einiges zu bewegen. Wir haben die Verteilung mithilfe eines gerechten Schlüssels vorgeschlagen. Das geht nach Quadratmetern und Anzahl der Studierenden. Das ist von den Hochschulen als ein sehr gerechtes Verfahren empfunden worden. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es von den Hochschulen entsprechend der Zwecksetzung vernünftig eingesetzt werden wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu diesen wichtigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen einen Punkt ergänzen. Zentral geht es um die Köpfe. Köpfe brauchen beste Arbeitsbedingungen. Hier können wir neben dem beschlossenen Hochschulmodernisierungsprogramm einen weiteren wichtigen Beitrag leisten. Aber ebenso wesentlich ist es, dass wir mit Blick auf die steigenden Studierendenzahlen, den doppelten Abiturjahrgang eben auch den zweiten Teil des Hochschulpaktes unter Dach und Fach bekommen. Ich hoffe sehr, dass der Bund noch vor der Bundestagswahl diesen Hochschulpakt II mit den Ländern beschließen kann. Auch hier hat das Land Nordrhein-Westfalen alle notwendigen Vorentscheidungen bereits getroffen. Wir gehen sehr offensiv in die Verhandlungen, um möglichst viel für die Studierenden in NordrheinWestfalen erreichen zu können.

Ich hoffe sehr, dass auch der Bund seiner Verantwortung jetzt gerecht wird. Im Übrigen möchte ich insbesondere der SPD-Fraktion zurufen: Dass wir über dieserlei Maßnahmen im Rahmen eines Konjunkturprogramms diskutieren, ist vom Ergebnis her insoweit erfreulich, als dass sich dann überhaupt etwas tut. Man hätte das aber auch im vergangenen Herbst auf dem Bildungsgipfel tun können.

(Beifall von CDU und FDP)

Nur damals war der Bundesfinanzminister noch nicht bereit, klare Prioritäten für die Zukunftsgestaltung unseres Landes zu setzen. Erst unter dem verschärften Eindruck einer einbrechenden Binnenkonjunktur war man wohl eher bereit, hier etwas zu tun. Das zeigt mir, dass in der Bundesregierung, gerade aufseiten der SPD, die Bildung noch nicht hinreichend die Priorität erlangt hat, die sie dringend benötigt. Ich meine, dass insbesondere das Land Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in ihrem Handeln der letzten Jahre durch praktisches Tun deutlich gemacht haben, dass die Priorität ganz klar auf Schule, Hochschule, Forschung, Technologie und auf beste Köpfe für eine bessere Zukunft liegt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Schultheis.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, Herr Lindner, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie sich heute Morgen hier feiern lassen oder ob Sie das Angebot des Bundes ablehnen wollen. Sie legen eine Dialektik an den Tag, die nicht nachvollziehbar ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Lindner versucht zwar immer, Dialektik und seine Denke daran auszurichten,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Geht das so weit?)

aber man muss sich schon entscheiden, wohin man will.

Herr Minister, Sie und die Bundesländer haben gewollt, dass Bildung vorrangig durch die Bundesländer wahrgenommen wird. Also liegt auch die Verantwortung bei den Bundesländern. Sie können nicht bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit versuchen, die Verantwortung auf den Bund abzuschieben. Entweder sind wir in der Verantwortung oder wir sind es nicht. Insofern appellieren Sie, wenn Sie Finanzmittel mobilisieren wollen, ständig an den Bund. Appellieren Sie doch an Ihre eigene Regierung, an Ihren Finanzminister, wenn es darum geht, die entsprechenden Haushaltsmittel bereitzustellen!

(Christian Lindner [FDP]: Das waren 5 Milliarden € bis 2015!)