Protocol of the Session on January 29, 2009

Das freut mich, Herr Lindner. – Ich möchte eine grundsätzliche Frage zur Haushaltsberatung stellen. Sie sagten gerade, es lägen keine konkreten Änderungsanträge von uns vor, sondern das wären politische Zielbestimmungen.

Wie schätzen Sie sich denn selbst in Sachen politische Zielbestimmung ein? Denn ich konnte kürzlich in der Zeitung lesen, dass Sie die Landesregierung auffordern, die Schulbücher für Gymnasien adäquat der Schulzeitverkürzung anzupassen. Die Gymnasien sollten sie bekommen, und die Landesregierung solle das bezahlen. Haben Sie denn einen konkreten Änderungsantrag zum Haushalt zur Un

termauerung dieser politischen Zielbestimmung vorgelegt?

(Beifall von der SPD)

Frau Schäfer, vielen Dank für diese Frage. – Hierbei sind allerdings zwei Sachverhalte systematisch zu trennen. Zum einen gibt es das, was gemeinsam von Union und FDP in diesem Parlament vertreten wird und was zu gemeinsamen Initiativen führt. Zum anderen existieren Vorschläge, die Parteien im politischen Diskussionsprozess unterbreiten.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass zu Zeiten Ihrer Verantwortung im nordrhein-westfälischen Landtag unterschiedliche Anträge von SPD und Grünen zur Abstimmung gelangt wären, sondern ausschließlich gemeinsam getragene Papiere. So ist das bei uns auch. Das ist ein ganz regulärer und normaler Vorgang.

Im Übrigen hat sich mein Vorschlag auf das Konjunkturpaket II bezogen, das noch nicht durchkonkretisiert ist. Wir wollen insofern zunächst abwarten, ob möglicherweise etwas realisierbar ist.

Ich komme zur Haushaltsberatung zurück. Ich könnte eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen benennen, die der Integration von zugewanderten Menschen dienen, angefangen bei der vorschulischen Sprachförderung über die Integrationsagenturen, -initiativen und -programme, die es in diesem Haushalt gibt.

Ich müsste und würde gerne über die Beteiligung von Zuwanderern an sie betreffenden politischen Entscheidungen in der Kommune sprechen. Dazu haben wir aber an anderer Stelle in dieser Plenarwoche noch Gelegenheit.

Hervorheben will ich jedoch eine Maßnahme mit Pioniercharakter, die ich für besonders bedeutsam und für die Bundespolitik insgesamt wichtig erachte. Das ist die Kampagne, die die Landesregierung gestartet hat, um Menschen aufzufordern, sich dem Thema Einbürgerung zu stellen. Auch durch den vom Minister vorgestellten Integrationsbericht wissen wir, dass Einbürgerung ein Zeichen gelingender Integration ist. An der Stelle immer mehr Menschen, die von anderswo zu uns gekommen sind, anzuregen, deutsche Staatsbürger zu werden, das ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass die Menschen wirklich ankommen und ihren Platz in der Gesellschaft finden.

Zum Bereich „Eine Welt“ wäre eine Menge zu sagen, etwa dass wir auch in der bundespolitischen und internationalen Szene als Bundesland Nordrhein-Westfalen inzwischen ein wichtiger Faktor sind. Als einen Beleg dafür nenne ich nur die 13. Metropolis-Konferenz, die im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen stattgefunden hat.

Aber auch in der ganz konkreten Lebenswirklichkeit sind wir dabei, neue Strukturen einzuführen. In Bezug auf die Kinder- und Jugendpolitik haben wir darüber gesprochen, dass wir mit dem internationalen Jugendaustausch mit unserem Partnerland Ghana, im Übrigen aber auch – das ist besonders wichtig – mit der Türkei – Sie wissen, dass es einen Plan gab, ein deutsch-türkisches Jugendwerk zu schaffen- und mit Israel eine neue Position im Kinder- und Jugendförderplan geschaffen haben.

Insgesamt ist und bleibt Nordrhein-Westfalen in der Integration bundesweit Tempomacher. Mit diesem Haushalt sorgen wir dafür, dass das so bleibt. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Kollege Lindner. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Asch das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Bereich Migration müssen wir natürlich in dieser Woche über die Ergebnisse der Berliner Studie sprechen, die sehr intensiv diskutiert wird.

Zunächst einmal stellen wir fest, dass das, was uns dort an Ergebnissen gezeigt wird, für uns in Nordrhein-Westfalen nichts Neues ist. Es deckt sich weitestgehend mit dem, was bereits im Integrationsbericht der Landesregierung deutlich wurde.

Wesentlichstes Ergebnis ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund keinen Anschluss in unserem Bildungssystem finden, dass ihre Bildungserfolge und damit auch ihr Zugang zur Erwerbstätigkeit weit unter den Möglichkeiten liegen, die die Mehrheitsgesellschaft hat.

Aber was folgt daraus? Folgt daraus wirklich, dass der Grad der Integration dieser Menschen ein schlechterer ist? Ich bitte darum, dass wir zur Bewertung des Integrationserfolgs nicht nur Bildungserfolg und Erfolg im Erwerbsleben sowie die finanzielle Situation der Migranten zugrunde legen, sondern auch andere Parameter aufnehmen wie zum Beispiel die Frage nach der Identifikation mit dieser Gesellschaft, mit der Stadt/dem Land, wo die Zugewanderten leben, die Identifikation mit unserer Verfassung und die Beherrschung der deutschen Sprache.

Die Studie sagt uns letztendlich das, was wir alle wissen: Der Grad der Integration hängt in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen von der sozialen Schicht, nicht aber der Volkszugehörigkeit ab. Darin zeigt sich zum wiederholten Mal eine Bankrotterklärung für unser Schulsystem, das nicht in der Lage ist, Kinder aus bildungsfernen und niederen sozialen Schichten mitzunehmen und zum Bildungserfolg

zu führen. Das ist das wesentliche Ergebnis dieser Studie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich muss auch noch vor Fehlinterpretationen warnen, die in einer Presseerklärung der CDU-Fraktion zu lesen waren. Die Studie sagt ganz klar, dass 40 Jahre – vier Jahrzehnte! – Abschottungspolitik der Bundesregierung zu den negativen Integrationsergebnissen geführt hat. Die Kehrtwende, der Paradigmenwechsel, ist genau 1998 mit der rotgrünen Bundesregierung eingetreten. Das ist ein ganz klares Ergebnis, das schwarz auf weiß nachzulesen ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle parteipolitisch intendierten Versuche, dieses Ergebnis umzudeuten, sind falsch. In der Studie ist ganz klar nachzulesen, dass unter Rot-Grün endlich eine systematische Integrationsförderung begonnen hat. Das ist nicht wegzudiskutieren, meine Damen und Herren.

Wo stehen wir in Nordrhein-Westfalen? – Obwohl ich dem Minister zugestehe, dass er sich auf diesem Gebiet mit sehr viel Verve, mit sehr viel Engagement bewegt, sind die Ergebnisse sehr mager.

Über den § 27 der Gemeindeordnung und die Partizipation von Migratinnen auf kommunaler Ebene werden wir morgen noch intensiv sprechen, stellen aber fest: Entgegen allen Versprechungen, die den Migrantinnen gemacht wurden, ist bis jetzt nichts erreicht worden.

Der zweite Punkt ist der Dialog mit dem Islam, die Etablierung islamischen Religionsunterrichts. Auch dort sind wir nicht weitergekommen. Selbst der Schulversuch, der für Köln und Duisburg angesetzt war, ist nicht zustande gekommen. Hier bewegt sich nichts. Man muss sagen: Wir sind keinen Schritt vorangekommen.

Die Besetzung des Lehrstuhls in Münster ist absolut offen, weil das Ministerium mit Herrn Pinkwart an der Spitze und die CDU völlig überquer liegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die konkreten Fortschritte in der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen bleiben aus.

Auch da muss man natürlich noch einmal auf den Haushalt verweisen. Und man muss ganz klar feststellen, dass bei der kommunalen Integrationsförderung weiter gekürzt wird, statt dass etwas draufgelegt wird – wie es der Herr Minister in all seinen Reden immer insinuiert, wenn er nahelegt, dass man das jetzt endlich in Angriff nimmt.

Seit 2005 wurde ein Drittel dieser Mittel gekürzt. Wir sind unter Rot-Grün mit 10 Millionen € gestartet, und jetzt sind wir bei 3 Millionen € angelangt. Auch in diesem Haushalt finden sich weitere Kürzungen. Meine Damen und Herren, das ist kein Haushalt,

der uns zeigt, dass diese Landesregierung und diese Koalition es mit der Integrationsförderung wirklich ernst meinen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine ähnliche Entwicklung haben wir bei der EineWelt-Politik. Ich bedauere es immer sehr – meine Redezeit ist schon fast zu Ende –, dass diese Bereiche hier eben mal in fünf Minuten abgehandelt werden. Ich hoffe, dass das kein Indiz dafür ist – aber es scheint so zu sein –, wie „wichtig“ dieser Bereich genommen wird.

Die Eine-Welt-Politik dümpelt nach wie vor vor sich hin. Alte Fehler bestehen weiterhin. Die Mittel für die Bildungsarbeit in diesem Bereich bleiben gekürzt.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Wir haben eine Partnerschaft mit Ghana, die mit großem Brimborium ins Leben gerufen wurde. Auch dazu gibt es wenig zu sagen. Das dümpelt ebenfalls vor sich hin.

Ich muss feststellen: Die Eine-Welt-Politik ist das Stiefkind in diesem Hause.

Frau Kollegin.

Das muss ich angesichts der internationalen Entwicklungen insgesamt – der Hunger in der Welt nimmt zu – wirklich sehr bedauern. Ich kann nur hoffen, dass die Regierungskoalition auch da einmal die Kurve kriegt und ihre globale Verantwortung für die Eine-Welt endlich wahrnehmen wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laschet das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist ihrem Ziel, Nordrhein-Westfalen zum Land der neuen Integrationschancen zu machen, 2008 ein gutes Stück näher gekommen. Auch in diesem Jahr behalten wir dieses Ziel im Auge.

Die Chancen, dass 2009 ein erfolgreiches Jahr für die Integration werden kann, sind gut. Die am Montag vom Berlin-Institut präsentierte Studie bestätigt allerdings, dass wir uns jetzt mit Hochdruck den Integrationsversäumnissen der Vergangenheit widmen müssen.

Wir haben das bereits im Rahmen unseres Integrationsberichts beschrieben. Dabei haben wir eine

Analyse der Zahlen aus dem Mikrozensus von 2006 vorgenommen.

Es ist erstaunlich – ich will das Institut nicht kritisieren –, dass man mit großem Bohei, in einem „Spiegel“-Vorabbericht, eine Studie vorstellt, die auf Ergebnissen basiert, die aus dem Jahr 2005 stammen, obwohl die Zahlen aus dem Jahr 2007 inzwischen ebenfalls vorliegen. Jedenfalls ist NordrheinWestfalen hier auf der Höhe der Zeit. Das, was wir vorgelegt haben, bezieht sich auf das Jahr 2006.

Schließlich steht die Integrationspolitik auch finanziell auf einer stabilen Grundlage. Der Haushaltsplan 2009 sichert im Kapitel 15 060 die Fortsetzung und Weiterentwicklung unserer Programme: die vorbildliche Arbeit der RAAs – insgesamt 2,2 Millionen € –, die landesweit 119 Integrationsagenturen in Trägerschaft der freien Wohlfahrtspflege sowie die integrationspolitischen Reformprojekte in kommunaler Trägerschaft.

Der Haushaltsplan bietet zugleich eine solide Grundlage für die Neuausrichtung des Zentrums für Türkeistudien. In nahezu allen Kapiteln des Haushaltsplans des Generationenministeriums, seien es die Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen, die frühe Sprachförderung, die Familienzentren oder die interkulturelle Öffnung der Familienbildung, findet Integrationspolitik statt.