Protocol of the Session on January 29, 2009

(Beifall von FDP und CDU – Frank Sichau [SPD]: Quatsch!)

der will den Kreis der Bedürftigen politisch immer größer ziehen und der will eine Gesellschaft von Taschengeldempfängern. Und das wollen wir ausdrücklich nicht.

(Beifall von FDP und CDU)

Deshalb „Privat vor Staat“. Deshalb im Übrigen auch „Freiheit vor Gleichheit“ und „Erwirtschaften vor Verteilen“. Das ist eine soziale Politik,

(Britta Altenkamp [SPD]: Klarheit vor Einheit in Ihrer Koalition!)

die soziale Investitionen und nicht länger soziale Reparaturen will.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist doch lächer- lich! – Andrea Asch [GRÜNE]: Das ist neoli- beraler Zynismus!)

Herr Kollege Lindner, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Kollege Jörg würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kollege Jörg.

Lieber Kollege Christian Lindner,

(Andrea Asch [GRÜNE]: Lieber?)

haben Sie schon einmal irgendwo von irgendeinem Parteigremium der SPD ein einziges Mal den Slogan „Staat vor Privat“ gehört?

Dann muss offensichtlich die Auffassung „Privat vor Staat“ von euch geteilt werden.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Entschuldigung. Selbst wenn der Staat genauso wichtig sein sollte wie die einzelnen Menschen, fände ich das schon falsch. Die einzelnen Menschen sind wichtiger als staatliche Bürokratie.

(Beifall von FDP und CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Ich warte die ganze Zeit auf Zahlen!)

Ich möchte gerne auf die Zahlen zu sprechen kommen, weil das von Britta Altenkamp eingefordert wird.

(Britta Altenkamp [SPD]: Jetzt wird es inte- ressant!)

Ich will das an dem, was Kollege Jörg gesagt hat, deutlich machen. Seine These war, in NordrheinWestfalen sei alles weniger gerecht als vorher.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ich ahne, was jetzt kommt!)

Jetzt schauen wir uns einmal an: Gerechtigkeit 2005 und Gerechtigkeit 2009.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Im Jahr 2009 erhalten 13,6 % der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz. Im Jahr 2005 sind es 2,8 %. Was ist da fairer, 2005 oder 2009? Ich sage 2009.

(Beifall von der CDU)

Schauen wir uns auch das von Wolfgang Jörg am Rande gewählte Beispiel der Freistellungen der

Leitungen von Kindertageseinrichtungen an. Gerechtigkeit 2005: eingruppiger Kindergarten – keine Leitungsfreistellung, zweigruppiger Kindergarten – keine Leitungsfreistellung, dreigruppiger Kindergarten – keine Leitungsfreistellung, viergruppiger Kindergarten – volle Leitungsfreistellung. Das war Gerechtigkeit 2005.

(Britta Altenkamp [SPD]: Stimmt nicht!)

Gerechtigkeit 2009: eingruppiger Kindergarten – 20 % Freistellung, zweigruppiger Kindergarten – 40 % Freistellung, dreigruppiger Kindergarten – 60 % Freistellung, viergruppiger Kindergarten – 80 % Freistellung usw.

(Beifall von FDP und CDU)

Das ist Gerechtigkeit 2009. Ich sage: 2009 ist fairer als 2005.

Die Frage der Pauschalierung ist der Kernpunkt des Kinderbildungsgesetzes, weil wir auf Kindpauschalen umgestellt haben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Der Kernpunkt?)

Entschuldigung, einer der Kernpunkte. Der systematische Kernpunkt der Umstellung ist natürlich technisch die Kindpauschale. Wir führen hier schon eine Fachdebatte, liebe Britta Altenkamp.

Gerechtigkeit 2005: Die rot-grüne Vorgängerregierung hat für 250.000 € eine Studie in Auftrag gegeben, eine sogenannte Benchmarkinguntersuchung, wie die einzelnen Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen – quer durch die ganze Region – gefördert werden. Dafür hat Rot-Grün 250.000 € aufgewendet. Das Ergebnis bei gleicher Leistung war: Ein Kindergartenplatz – drei- bis sechsjährige Kinder, 25 Kinder in der Gruppe –war bei einem Träger in Ostwestfalen-Lippe, den ich hier nicht nennen will, um 30 % günstiger als bei einem anderen Träger in Aachen.

(Lachen von Britta Altenkamp [SPD])

Gerechtigkeit heute, 2009: gleiche Leistung, gleiche öffentliche Förderung. Dieses Prinzip verteidige ich.

(Beifall von der CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Das ist theoretisch so! Praktisch ist es nicht so, weil die Leistung nicht gleich ist!)

Den letzten Punkt zu den Elternbeiträgen will ich nicht schuldig bleiben. Ich will ganz klar bekennen, dass ich mir aus Gerechtigkeitsgründen eine Beitragsfreiheit für den Kindergartenplatz wünsche,

(Demonstrativer Beifall von Ingrid Hack [SPD] – Beifall von Ralf Witzel [FDP])

aber nicht – das müssen wir systematisch sauber auseinanderhalten –, weil das die wirklich Schwachen in der Gesellschaft stärken würde. Für die ist der Kindergarten schon jetzt beitragsfrei. Das Problem aber ist, dass insbesondere durch Entscheidungen, die die SPD auf der Bundesebene mit ge

troffen hat, diese Mitte der Gesellschaft bei einem Durchschnittseinkommen von 36.000 € im Jahr und mit zwei Kindern mit 150 € im Monat belastet worden ist. Diese Mitte der Gesellschaft muss entlastet werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Die ist durch die Mehrwertsteuerlüge auch der SPD belastet worden, die vor der Bundestagswahl gesagt hat: „Nein, die Mehrwertsteuer erhöhen wir nicht“, und die nach der Bundestagswahl nicht nur die von der CDU geforderten 2 % mitgegangen ist, sondern sogar 3 % unterschrieben hat. Deshalb sind die Familien in der Mittelschicht belastet. Für die will ich mich einsetzen, dass die eine Entlastung bekommen, etwa beim Kindergartenbeitrag.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das müssen Sie mal den eigenen Leuten erzählen!)

Das ist heute nicht möglich, weil wir andere Prioritäten im Bereich der Qualität der Kinderbetreuung haben und weil wir mehr Plätze aufbauen. Aber hierzu sage ich: Es muss eine Kernaufgabe der nächsten Legislaturperiode sein, in diesem Bereich zu einer Entlastung der Familien zu kommen.

Herr Kollege Lindner, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Sichau würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Das darf er.

Bitte schön, Herr Kollege Sichau.

Herr Kollege Lindner, in welcher Weise können Sie sich vorstellen, dass Kostenunterschiede bei unterschiedlichen Gruppen darauf zurückzuführen sind, dass die Mitarbeiterinnen aufgrund einer Altersspreizung preiswerter und auch teurer sein können?

Sehr geehrter Herr Kollege Sichau, vielen Dank für diese fachliche Frage. Die Kindpauschalen sind auf Basis von Durchschnittswerten kalkuliert. Das Durchschnittsalter der Erzieherinnen liegt bei 42,5 Jahren. Auf dieser Basis sind die Pauschalen errechnet worden. Wir gehen davon aus, dass dieser Durchschnittswert umso eher erreicht wird, je größer die Organisationseinheit ist, also je mehr Einrichtungen von einem Träger betrieben werden. Das Problem, das Sie beschreiben, betrifft kleine Einrichtungen, die nicht diesen internen Ausgleich erreichen können.