Protocol of the Session on January 28, 2009

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Herr Kol- lege, was tun Sie vor Ort? Erzählen Sie doch keine Märchen! – Zuruf von Norbert Römer [SPD])

Herr Kollege Römer, Sie rufen gerade so schön dazwischen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie sind ein Märchenerzähler!)

Wie weit Sie sich von der Basis der Industriearbeiter in Nordrhein-Westfalen entfernt haben, zeigt Ihnen jetzt der Bundesvorstand Ihrer eigenen Gewerkschaft IG BCE. Man kann nachlesen, was er von Ihrer Energie- und Industriepolitik hält.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben sich von den Industriearbeitern weiter entfernt, als ich Wege überhaupt messen kann. Das ist leider die Wahrheit.

(Lachen von Norbert Römer [SPD] – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Aber Sie erzählen Märchen bezogen auf Ihre Industriepolitik! Vor Ort sind Sie ganz anders! Sie sind ein Wolf im Schafspelz! – Weitere Zurufe von der SPD)

Die Belegschaften und die Mitarbeiter tragen es, Herr Kollege Römer, auf Dauer einfach nicht mit, wenn Sie die Ergebnisse der Auktionierungsverhandlungen in Brüssel loben und sagen, das sei wunderschön.

Wir haben Ihnen von Anfang an in diesem Hause mehrfach gesagt, dass das Kraftwerkserneuerungsprogramm affektiert wird. Das haben wir immer gewusst; das haben wir immer vorhergesehen. So ist es jetzt gekommen. Die Quittung haben Sie von Ihrem eigenen Bundesvorstand erhalten, Herr Kollege Römer. Diese Politik ist nicht im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von Nor- bert Römer [SPD])

Herr Kollege Eiskirch, ich konnte schon ahnen, was zum Thema Ziel 2 kommt. Sie haben wiederholt, was wir schon im Ausschuss diskutiert haben. Damals war der Vorstandsvorsitzende der NRW.BANK mit dem gesamten Vorstand anwesend. Nach meinem Dafürhalten hat er überzeugend dargelegt, wie Wettbewerbsverfahren in Zukunft geprüft und be

handelt werden. Er hat im Ausschuss ein schlüssiges Konzept seiner Bank dargestellt, wie das funktionieren kann. Also, meine Damen und Herren, sind wir bei Ziel 2 für die Zukunft hervorragend aufgestellt.

Wenn Sie in Brüssel ab und an unterwegs sind – das sind wir hoffentlich alle – und mit Mitarbeitern der EU-Kommission sprechen, sollten Sie zuhören, was sie Ihnen zu Wettbewerbsverfahren in Nordrhein-Westfalen erzählen. Sie sagen nämlich, sowohl das Wettbewerbsverfahren als auch seine Administrierung seien Best Practice.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Sie können sicher sein, dass dort klar gesagt wird, Nordrhein-Westfalen sei europaweit ein gutes Beispiel für die Behandlung der Ziel-2-Mittel. Nur Sie, Herr Kollege Eiskirch, haben das noch nicht erfahren; das wird aber möglicherweise noch der Fall sein.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Sie haben gezeigt, warum Ihre Wirtschaftspolitik nicht erfolgreich war. Wir haben Konzepte. Wir reagieren passgenau. Wir addieren und subtrahieren nicht, sondern tun etwas für die Unternehmen, für die Menschen und für die Arbeitsplätze. Wir haben Kompetenz und Kompass. Wir gehen mit Kompetenz und Kompass durch die Krise.

Genau das stellt der Wirtschaftshaushalt 2009 dar; das macht ihn aus. Frau Ministerin Thoben, ich bin dankbar für die Vorlagen zu diesem Haushalt. Wir werden ihn mittragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Kollege Lienenkämper. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Eiskirch, Ihre Rede war nur laut. Sie haben versucht, mit der Lautstärke über den fehlenden Inhalt hinwegzutäuschen. Das war sehr schwach. Eigentlich hätten Sie leise reden müssen. Denn 47,5 %, also fast die Hälfte des Haushalts des Wirtschaftsministeriums, werden immer noch durch ihre verfehlte Energiepolitik belastet, da diese Mittel durch die Subventionierung der Steinkohle nach wie vor gebunden sind.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

Meine Damen und Herren, die heutige Debatte über den Wirtschaftshaushalt steht ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise und der extremen Herausforderungen, die sie für die staatlichen Akteure darstellt. Das RWI rechnet damit, dass in diesem Jahr die Wirtschaftsleistung in Nordrhein-Westfalen um 2 % zurückgeht.

Diese Entwicklung wird auch am Arbeitsmarkt nicht spurlos vorübergehen. In einem aktuellen Konjunkturbericht geht das RWI davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2009 um knapp 40.000 zunehmen wird. Das war die schlechte Nachricht; wir hatten sehr viele solcher Nachrichten in letzter Zeit.

Die gute Nachricht ist: Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Jahren erheblich aufgeholt und steht heute besser da denn je! Während NordrheinWestfalen unter Rot-Grün stets der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland hinterherhinkte, können wir jetzt wieder mit dem Bund Schritt halten. In den 90er-Jahren und zu Beginn dieses Jahrtausends wuchs die NRW-Wirtschaft zumeist deutlich langsamer als im übrigen Bundesgebiet. In den letzten Jahren dagegen lag die Wachstumsrate wieder auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts.

Seit dem Regierungswechsel im Mai 2005 sind in Nordrhein-Westfalen 335.000 Menschen weniger arbeitslos. In der gleichen Zeit sind mehr als 370.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen worden. Einen solchen Zuwachs an Arbeitsplätzen hat es in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.

Die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind heute besser als jemals zuvor für die derzeitige wirtschaftliche Lage gerüstet. Dazu hat auch die Reformpolitik der letzten Jahre beigetragen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist zweifelhaft!)

Jetzt zahlt sich aus, dass wir eine Wirtschaftspolitik gemacht haben, die konsequent an den Interessen und Bedürfnissen des Mittelstandes ausgerichtet ist. Denn die rund 720.000 kleinen und mittleren Unternehmen sind das eigentliche Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Sie beschäftigen rund zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, stellen über 80 % der Ausbildungsplätze zur Verfügung und schaffen die meisten neuen Arbeits- und Ausbildungsplätze in diesem Land.

Meine Damen und Herren, die Koalition aus FDP und CDU hat in ihrer fast vierjährigen Regierungsverantwortung eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um die Rahmenbedingungen für mittelständische Betriebe und Existenzgründer zu verbessern und bürokratische Hürden für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu beseitigen. Dazu gehören zum Beispiel die Abschaffung des überaus bürokratischen Tariftreuegesetzes, das neue Gemeindewirtschaftsrecht, das Handwerk und Mittelstand vor unfairer Konkurrenz durch kommunale Unternehmen schützt, oder die landesweite Einrichtung von Startercentern, in denen Gründungsberatung und die Abwicklung von Gründungsformalitäten aus einer Hand angeboten werden.

Seit 2005 wurden fünf Mittelstandspakete auf den Weg gebracht,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Und das Mit- telstandsgesetz abgeschafft und die Neure- gelungen nicht auf den Weg gebracht!)

in denen insgesamt 34 Einzelmaßnahmen zugunsten des nordrhein-westfälischen Mittelstandes, zur Stärkung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Betriebe und zur Abschaffung überflüssiger bürokratischer Vorschriften gebündelt wurden.

Bei all diesen Maßnahmen haben wir uns an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, der unternehmerischen Freiheit und des fairen Wettbewerbs orientiert. Die ordnungspolitischen Leitlinien der Koalition – „Privat vor Staat“, „Freiheit vor Gleichheit“, „Erwirtschaften vor Verteilen“ – haben sich in den vergangenen wirtschaftlich guten Jahren bewährt und Nordrhein-Westfalen wieder nach vorne gebracht.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Diese Leitlinien dürfen gerade in den jetzigen wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht über Bord geworfen werden. Insbesondere in der Krise ist es erforderlich, einen klaren wirtschaftspolitischen Kompass zu haben.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage, was der Staat in der überaus schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der wir uns gegenwärtig befinden, tun kann und was er vielleicht besser lassen sollte. Dies bedarf einer sorgfältigen Abwägung, denn staatliche Kriseninterventionspolitik, wie sie derzeit diskutiert wird, hat einen hohen Preis: Die Konjunkturpakete werden zwangsläufig eine massive Ausweitung der öffentlichen Verschuldung zulasten der künftigen Generationen mit sich bringen. Deshalb stehen wir in der besonderen Verantwortung, jede einzelne Maßnahme auf ihre Sinnhaftigkeit, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu überprüfen. Wir dürfen keine Strohfeuer anfachen, in denen viel Steuergeld verbrannt wird, aber am Ende nur ein Häufchen Asche übrig bleibt.

Darüber hinaus achten wir darauf, dass marktwirtschaftliche Anpassungsprozesse nicht durch staatliches Handeln behindert werden. Das mag vielleicht kurzfristig Erfolg versprechen, hinterher kommt dann aber regelmäßig das böse Erwachen.

(Beifall von der FDP)

Das aktuelle Beispiel von Qimonda in Sachsen zeigt doch einmal mehr, dass ein noch so großes staatliches Engagement und selbst Hunderte Steuermillionen kein Garant für das Überleben des Unternehmens waren.

(Beifall von FDP und CDU)

Es ist, war und bleibt eine Illusion, dass der Staat im großen Stil Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft sichern kann. Es gehört nun einmal zum Wesen der sozialen Marktwirtschaft, dass unrentable und nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmen sich nicht mehr am Markt behaupten können, zugleich aber neue, innovative Unternehmen auf den Markt kommen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Aha!)

Das ist genau das, was Joseph Schumpeter 1942 als „schöpferische Zerstörung“ bezeichnete.

(Zurufe von der SPD: Aha! – Weiterer Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Auf diesem – Herr Professor Bollermann, hören Sie gut zu – von Innovationen ausgelösten Prozess baut jede ökonomische Entwicklung auf. Durch die Zerstörung alter Strukturen werden die Produktionsfaktoren immer wieder neu geordnet. Die Zerstörung ist also nicht etwa ein Systemfehler, sondern notwendig, damit Neuordnung stattfinden kann. In allen bekannten Fällen, in denen der Staat versucht hat, diese Prozesse aufzuhalten, ist er am Ende gescheitert. Holzmann lässt grüßen!

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, Aufgabe der Politik ist es vielmehr, die Funktionsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft sicherzustellen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen so zu verbessern, dass sie die konjunkturellen Probleme leichter bewältigen können. Ob das zweite Konjunkturpaket des Bundes mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden € tatsächlich die erhofften Wirkungen entfalten kann, wird sich zeigen. Und auch bei der Frage, ob die dafür in Kauf genommene drastische Ausweitung der Staatsverschuldung gerechtfertigt ist, gehen die Bewertungen auseinander. Die Erfahrungen, die Deutschland in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Konjunktursteuerung gemacht hat, mahnen uns jedenfalls zur Vorsicht.

Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, dass sich die FDP eine Reihe von Verbesserungen an dem Maßnahmenpaket vorstellen könnte. Gemeinsam mit vielen renommierten Wirtschaftswissenschaftlern sind wir der festen Überzeugung,

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

dass die Entlastung, Herr Kollege Eiskirch, von denjenigen, die die Krise letztendlich zu bewältigen haben, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern und den Betrieben, in dem Konjunkturpaket zu kurz kommt.

(Beifall von der FDP)