Protocol of the Session on January 28, 2009

Der vorliegende Nachtragshaushalt erfüllt in erster Linie zwei Funktionen:

Zum einen stellt er die haushaltstechnische Abbildung von Minderausgaben und steuerlichen Mehreinnahmen dar, die sich im Haushaltsvollzug der letzten Monate des Jahres 2008 ergeben haben. Zum anderen werden diese positiven Effekte genutzt, um damit für die zuvor genannten Risiken vorzusorgen. Im schlimmsten Fall könnten auf das Land aus der Abschirmung bei der WestLB Lasten von rund 3,8 Milliarden € zukommen. Aus der Beteiligung an den späteren Kosten des Finanzmarktstabilisierungsfonds könnten wir mit 1,7 Milliarden € belastet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Vorsorge, die wir heute treffen, die wir aus meiner festen Überzeugung auch heute treffen müssen, ist der teilweise geäußerte Vorwurf, der Finanzminister, die Landesregierung oder die sie tragenden Fraktionen würden die Kassen zur Bedienung von sogenannten Wahlkampfgeschenken füllen, kaum an Absurdität zu übertreffen. Sowohl im Risikofondsgesetz für die WestLB als auch im Abrechnungsfondsgesetz für die Belastungen aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds, die wir heute in Verbindung mit dem Nachtragshaushalt diskutieren, ist ganz eindeutig, für jedermann verständlich und plausibel nachzulesen und dargelegt, dass die dort angesammelten Mittel einzig und allein zur Bedienung der Vorsorgeverpflichtung und möglicherweise sich realisierender Risiken verwandt werden müssen und keinesfalls für andere Zwecke.

Meine Damen und Herren, die Bildung von Rücklagen ist Ausdruck einer vorsorgenden und nachhaltigen Finanzpolitik. Jeder private Haushalt und jedes Unternehmen müssten sich an der Stelle des Landes genauso verhalten und Rücklagen für diese in der Höhe ungewissen, aber rechtlich begründeten Verpflichtungen in der Zukunft bilden. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Prinzip des Bilanzrechts.

Im Übrigen ist es auch gerade deswegen möglich, heute diese Rücklagen zur Risikovorsorge zu bil

den, weil wir in den letzten drei Jahren große Erfolge bei der dringend notwendigen strukturellen Konsolidierung des Haushaltes erreicht haben. Haben wir 2005 noch eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden € als Erbe der rot-grünen Landesregierung übernommen, konnten wir diese – auch flankiert von der günstigen konjunkturellen Entwicklung; das will niemand verschweigen – bereits im Jahr 2006 auf 3,4 Milliarden € und im Jahr 2007 auf knapp 2 Milliarden € reduzieren.

Eine solche Absenkung der Neuverschuldung ist in der Geschichte Nordrhein-Westfalens bislang beispiellos. Und dass, obwohl auch Rot bzw. Rot-Grün Zeiten guter Konjunkturphasen hatten.

Am Dienstag der vergangenen Woche hat der Finanzminister in einer Pressekonferenz zudem den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2008 vorgestellt. Hätten wir nicht so viel Vorsorge vorgenommen – im gesamten Jahr 2008 sind es 1,29 Milliarden € –, hätten wir bereits im vergangenen Jahr einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 164 Millionen € realisieren können. Meine Damen und Herren, hätten wir diese Risikovorsorge, die Sie ja auf Bundesebene selber maßgeblich mit gefordert und gestaltet haben, hier im Land nicht bereits vollzogen, hätten wir bereits einen ausgeglichenen Haushalt – etwas, was Sie in Ihrer Zeit niemals geschafft haben!

(Beifall von FDP und CDU)

Aber auch mit einer Neuverschuldung, die wir leider immer noch verzeichnen müssen, von 1,13 Milliarden € haben wir den niedrigsten Wert der jährlichen Nettoneuverschuldung seit 1973 erreicht. Und Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, dass es seit 1973 nur konjunkturschwache Phasen gegeben habe, meine Damen und Herren.

Dies ist ein großartiger Erfolg und beweist, dass die Anstrengungen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Anstrengungen bei der Ausrichtung der Haushaltspolitik auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit erfolgreich sind. Zudem zeigt sich, dass das Ziel der FDP-Fraktion, möglichst schnell einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen, realistisch ist.

Sie werfen uns hier vor, wir sollten das Geld, das wir zur Vorsorge für auf das Land zukommende Risiken dem Fonds zuführen, besser einsparen, meine Damen und Herren. Ich möchte Ihnen dazu Folgendes an dem Beispiel der Legislaturperiode von 1995 bis 2000 vorhalten.

Die Steuereinnahmen sind von knapp 34 Milliarden € im Jahr 1995 – diesen Betrag konnten Sie verzeichnen – auf knapp 38 Milliarden € in den Jahren 1998 bis 2000 angestiegen. Das ist eine Steigerung von rund 12 %. Dagegen muss man die Entwicklung der Neuverschuldung halten. Sie stieg im gleichen Zeitraum von 3,1 Milliarden € auf 3,6 Milli

arden € – im guten Jahr 2000. Das ist eine Steigerung von ungefähr 16 %.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wenn Sie hier mit einem moralischen Anspruch ankommen, dann orientieren Sie sich bitte auch etwas gründlicher an Ihrer eigenen Geschichte! Sie haben unter Beweis gestellt, dass für Sie eine Konsolidierung des Haushaltes in guten Zeiten keine Rolle gespielt hat.

Wir ändern das. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger – insbesondere die jüngere Generation – eine Chance haben, wieder Gestaltungsspielräume zu bekommen. Dafür treffen wir Risikovorsorge und beseitigen die strukturellen Defizite im Landeshaushalt.

Von dieser Finanzpolitik, die sich auch in diesem Nachtragshaushalt abzeichnet, werden wir nicht abweichen. Deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt auch zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Becker.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute liegt immerhin der dritte Nachtrag zum Haushalt für das Jahr 2008 vor. Insofern könnte man den begründeten Anfangsverdacht hegen, dass wir jetzt eine äußerst aktuelle Diskussion führen und ganz aktuelle Zahlen vor uns liegen haben.

Wenn man in diesen Nachtragshaushalt schaut, stellt man aber zunächst einmal fest – so viel zum Thema: seriöser Kaufmann, seriöses Arbeiten –, dass darin entgegen den noch im Dezember 2008 vom Finanzminister vorgenommenen Ankündigungen keine Auswirkungen der Rücknahme der Streichung der Pendlerpauschale und auch keine Auswirkungen der Veränderung der Kfz-Steuer berücksichtigt werden. Beides zusammen macht rund 630 Millionen € aus. Die erste Feststellung lautet also: Aktualität nicht vorhanden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens. Wir reden über das Konjunkturpaket und darüber, wo unsere Wirtschaft steht, Frau Freimuth und Herr Klein. Zu dem Konjunkturprogramm und der Frage, was das Land selber machen kann, findet sich im Nachtragshaushalt allerdings nicht eine einzige Zahl – nichts, aber auch gar nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

Keine seriöse Leistung, überhaupt nichts! Denn seriös ist immer das, was angemessen ist, zeitnah ist und wirklich mit dem zu tun hat, was in der Wirk

lichkeit draußen stattfindet, und nicht das, was Sie sich zusammenschreiben oder zusammendenken.

Drittens. Wenn man nachschaut und nachzuvollziehen versucht, warum Sie diesen dritten Nachtrag vorlegen, stellt man fest, dass dieser Nachtragshaushalt dem Grunde nach zwei Aufgaben hat: Erstens hat er die Aufgabe, die extrem guten Steuereinnahmen im Jahr 2008 nicht in einen Jahresüberschuss münden zu lassen. Zweitens hat er die Aufgabe, an den – wie ich meine; das werde ich gleich nachweisen – falschen Stellen vermeintliche Vorsorge zu treffen.

Warum sage ich Ihnen das? Mit dem Überschuss treffen Sie Vorsorge in erheblicher Höhe für die WestLB. Mit rund 900 Millionen € setzen Sie diese Vorsorge für die WestLB aber noch deutlich zu niedrig an. Die Kosten, die auf uns zukommen, werden am Ende – ich glaube, so werden wir das alle zusammen einschätzen, wenn wir seriös vorgehen – mindestens 3 Milliarden € betragen.

Ihre 900 Millionen € für die WestLB rechtfertigen sich alleine daraus, dass Sie ansonsten im Jahr 2008 einen Überschuss hätten. Sie rechtfertigen sich in keinster Weise durch das, was tatsächlich geboten ist.

Ich möchte Ihnen das an einem zweiten Beispiel Ihrer sogenannten seriösen Vorsorge deutlich machen. Es sind im Haushalt 2008 358 Millionen € – wie Sie auf den Betrag gekommen sind, kann ich nicht nachvollziehen, aber es sind 358 Millionen € – von am Ende 1,7 Milliarden € für die Abrechnung aus dem Finanzmarktrettungsgesetz, die im Laufe des Jahres 2011 auf uns und die Kommunen zukommen, angesetzt.

Man könnte sich diesem Vorgehen nähern, wenn man sehen würde, dass Sie tatsächlich ein Muster der Vorsorge für die beiden Bestandteile, die ich gerade genannt habe, auch in das Jahr 2009 hineintragen. Da wird es aber spannend: Wir haben ja in diesen Tagen auch die Debatte über den Haushalt 2009. Wenn man nachschaut, was denn von den 1,7 Milliarden für das Finanzmarktrettungspaket, die auf Nordrhein-Westfalen zukommen, in der Vorsorge für den Haushalt 2009 steht, dann findet man null Euro. Null Euro!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man nachguckt, was für die WestLB vorgesehen ist, für die Sie immerhin im ersten Entwurf 25 Millionen € hatten – einen geradezu wahnsinnig hohen Betrag in der Vorsorge –, dann findet man, dass er inzwischen durch Korrekturen, durch Ergänzungsvorlagen auf null Euro heruntergesetzt worden ist.

Das heißt, Ihre angebliche Vorsorge ist in beiden Fällen, nachgewiesen alleine an diesen Umständen, nichts anderes als eine Finanztrickserei für das Jahr 2008. Denn ansonsten müssten Sie im Jahr 2009

nach Ihrer eigenen Logik eine viel höhere Vorsorge treffen. Das tun Sie, wie ich Ihnen gerade nachgewiesen habe, nicht.

Meine Damen und Herren, worum geht es im Zusammenhang mit diesem Nachtragshaushalt? Ich sagte es am Anfang: Wenn wir uns seriös bewegen würden, dann müssten wir an dieser Stelle Geld in die Hand nehmen für ein eigenes Konjunkturprogramm des Landes und für eine ordentliche Kofinanzierung des Konjunkturprogramms für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, nämlich für die Dinge – wenn wir uns schon verschulden –, die uns zukunftsfähig aufstellen, die uns an den Stellen helfen, an denen wir Energie einsparen, an denen wir erneuerbare Energien nach vorne bringen, an denen wir Schulgebäude sanieren, an denen wir Kindergärten sanieren, an denen wir Hochschulen sanieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von alledem steht in Ihrem Haushalt, auch im Nachtragshaushalt, nichts. Sie setzen das fort im Haushalt 2009, bei dem Sie auch das Konjunkturprogramm nicht berücksichtigen. Sie berücksichtigen das nicht nur nicht, sondern Sie verzögern damit im Rahmen eines Nachtragshaushaltes, der die entsprechenden Beratungsvorgänge hat, auch die Auszahlung an die Kommunen in den nächsten Monaten, in diesem Jahr. Das heißt, Sie betätigen sich hier dem Grunde nach, wenn man das einmal zugespitzt formulieren will, nicht als Konjunkturmotor, sondern als Konjunkturbremse.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal, weil mir das am Herzen liegt, wenige Augenblicke das Augenmerk auf die Lage der Kommunen richten. Wer in diesem Jahr nicht schnell das Konjunkturprogramm bei den Kommunen auf die Räder bringt, wer das nicht schnell hinbekommt, der läuft Gefahr, dass die Kommunen in den nächsten zwei Jahren als Konjunkturmotor ausfallen. Das ist deswegen wichtig: Sie haben sich heute wieder der sogenannten Rückführung der Nettoneuverschuldung gerühmt. Eine Rückführung der Verschuldung war es ja sowieso nicht; es war eine Rückführung der Nettoneuverschuldung. Da muss erneut und immer wieder auf folgenden Umstand hingewiesen werden: Sie haben 8 Milliarden € mehr Steuereinnahmen als wir.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben nicht nur 8 Milliarden € mehr Steuereinnahmen als wir damals, sondern Sie haben auch noch 1,2 Milliarden € strukturell – das ist die unterste Grenze – den Kommunen entzogen. Dann sind wir bei 9,2 Milliarden € in der Summe. Sie haben Ihre eigenen Investitionen, die des Landes, gerade einmal um 6 % gesteigert, und Sie haben die Neuverschuldung nur um rund 4 Milliarden € abgebaut. Das heißt, Sie liegen beim Abbau der Nettoneuver

schuldung über 5 Millionen € unter dem, was Sie an Steuermehreinnahmen haben und den Kommunen entzogen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist kommunalfeind- lich!)

Das ist eine interessante Zahl. Wenn Sie sich vor diesem Hintergrund einer seriösen Arbeit rühmen, dann hat das in der Tat – da hat die Kollegin völlig Recht – etwas mit Voodoo-Ökonomie oder VoodooHaushalt zu tun.

Warum hängt das mit den Kommunen zusammen? Die Kommunen haben von Ihnen in den letzten drei Jahren nur einen geringen Teil dessen bekommen, was ihnen zugestanden hätte. Wenn wir in den nächsten Jahren – es ist ohne Zweifel so, dass sinkende Steuereinnahmen und erhebliche Mehrbelastungen, unter anderem auch durch Soziallasten, auf die Kommunen zukommen – diese Kommunen wieder belasten werden, dann ist jetzt dringend erforderlich, dass das Land in diesem Jahr wenigstens antizyklisch Geld in die Hand nimmt und zusammen mit dem Geld, das vom Bund kommt, dafür sorgt, dass das schnell bei den Kommunen in Nordrhein-Westfalen ankommt.

Von alledem finden wir weder in Ihrem Nachtragshaushalt noch im Haushalt 2009 nichts. Im Gegenteil: Sie spielen weiter das, was Sie die ganzen letzten Jahre gespielt haben. Sie spielen weiter einen Haushalt zwischen Glücksrittertum und Raubzug durch die kommunalen Kassen. So wird man der Aufgabe der Zukunft, diesem Land vernünftig zu helfen, nicht gerecht. Das muss an dieser Stelle gesagt werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. – Für die Landesregierung spricht nun der Herr Finanzminister. Herr Dr. Linssen, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten – nur zur Erinnerung – den dritten Nachtrag des Haushalts 2008. Ich habe in 28 Jahren Landtagsarbeit schon viele Haushaltsreden gehört: mal intelligente, mal weniger intelligente – aber so unterirdisch, wie Sie heute, Frau Walsken, geredet haben, das habe ich noch nie erlebt.

(Beifall von der CDU)