Hören Sie mal ein bisschen zu, bevor Sie weiterhin Ihre Ausbrüche produzieren. Warten Sie mal in Ruhe ab.
Josef Neuberger Jude, verfolgt, Justizminister der SPD; Heinz Kühn, Ministerpräsident, verfolgter Sozialdemokrat, in der Tschechoslowakei und in Belgien im Exil; Johannes Rau, den Sie in seiner demokratischen Qualität ja wohl nicht einschränken und bestreiten wollen.
Das waren Repräsentanten der SPD, die dieses Land hervorragend regiert haben, und zwar 40 Jahre lang, meine Damen und Herren.
Sie wollen dieser Partei, die es seit fast 150 Jahren gibt, jetzt erklären und vorhalten, wie wir mit politischen Extremen umgehen sollen.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es gibt keine Partei in Deutschland, die eine so lange demokratische Tradition, eine so ungebrochene Geschichte hat wie die deutsche Sozialdemokratie. Wir haben von Ihnen überhaupt keine, null Ratschläge entgegenzunehmen.
Die Sozialdemokraten waren es doch, die unter Bismarck in den Gefängnissen gesessen haben, die man per Gesetz verboten hat.
Die Sozialdemokraten haben versucht, die Weimarer Republik am Leben zu halten und sind von der extremen Rechten und der extremen Linken bekämpft worden. Die Sozialdemokraten mit Otto Wels an der Spitze haben gegen die Ermächtigungsgesetze gestimmt. Meine Damen und Herren, wir haben uns von Ihnen nichts, aber auch gar nichts vorhalten zu lassen.
Der eine sagt Bravo, und die anderen schreien dagegen. Einigen Sie sich mal, meine Damen und Herren.
Jetzt kommen wir in die jüngere deutsche Geschichte; der Vorsitzende der famosen FDP hat es angesprochen. Wie war es denn in der DDR? Die Sozialdemokratie war verboten. Bis 1961 gab es noch eine SPD in Ostberlin, Viermächtestatus. Sie musste nachher aufgelöst werden, weil die dann noch verbliebenen Mitglieder einem immensen staatlichen Druck ausgesetzt waren.
Als Sozialdemokraten in der DDR in den Gefängnissen der Stasi gesessen haben, haben die Mitglieder der Ost-CDU und der Ostliberalen in der Volkskammer gesessen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Und wir müssen uns von Ihnen anhören, wie wir mit Extremisten umgehen sollen. Was erlauben Sie sich eigentlich in diesem Parlament? Eine Unverschämtheit!
Wie war es denn, sehr geehrter Herr Papke, mit Ihren Ostliberalen und der Ost-CDU? 500.000 hat es 1989 gegeben bei 2,2 Millionen Mitgliedern der SED. Wir haben einen klaren Abgrenzungsbeschluss gefasst. Sie aber haben die 500.000 Blockparteimitglieder sehr schnell in Ihren Parteien aufgenommen. Die FDP hatte ihre Mitgliederzahlen innerhalb von Wochen verdreifacht. Das ist die Wahrheit.
Da Sie es angesprochen haben, erlaube ich mir auch noch die Bemerkung: Sie haben einen Teil des Vermögens der Ost-CDU und der LDPD wieder zurückgegeben, allerdings einen Großteil behalten.
Als wir unsere Geschäftsstellen in der ehemaligen DDR aufbauen mussten, sind Sie in die alten Geschäftsstellen der Ost-CDU und der LDPD eingezogen.
Und dann sagen Sie uns, wie wir mit Extremisten umzugehen haben. Sie müssen die Realitäten der Vergangenheit wirklich komplett ausblendet haben.
Fragen wir noch einmal, wie es dann weitergegangen ist. Meine Damen und Herren, wer hat denn einen Landesvorsitzenden der CDU, einen gewissen Herrn Ulrich Junghanns, der früher Funktionär und Mitarbeiter der Bauernpartei war? Er ist heute Lan
desvorsitzender der CDU in Brandenburg und hat noch am 3. Juli 1989 geschrieben – alles belegt –: „Was die Mauer betrifft, so lassen wir uns nicht deren Schutzfunktion ausreden –
ganz einfach, weil wir den Schutz spüren vor all dem, was hinter der Mauer jetzt an brauner Pest wuchert.“
Das sind Ihre Leute, Sie haben sie aufgenommen. Okay, einverstanden, sie können sich ja auch bessern. Wenn man selbst im Glashaus sitzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte man beim Umgang mit Extremisten bitte vorsichtig sein.
Ich will gar nicht an das zahllose Zusammenarbeiten zwischen CDU, ehemaliger PDS oder jetziger Linker in vielen Städten in Ostdeutschland erinnern. Ich könnte Ihnen alles aufzählen, will uns aber nicht langweilen. Ihr seid längst in einer anderen Welt als eure Kollegen und Parteifreunde in der ehemaligen DDR, den heutigen fünf neuen Ländern.
Wir erleben seit einigen Jahren ein Anwachsen einer Partei, die sich Die Linke nennt, die aber keine Linke ist. Es ist eine strukturkonservative Partei, die eigentlich in die 50er- und 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückwill. Es ist keine moderne, sondern eine konservative Partei.
Diese Partei ist ein Sammelbecken für enttäuschte Sozialdemokraten, enttäuschte CDU-Mitglieder und Gewerkschaftler geworden. Viele aus der CDU sind darin, Sie selber haben einmal untersucht, wie viele aus Ihren Reihen dort eingetreten sind. Darin sind auch Spinner, Sektierer und Leute, die in irgendwelchen politischen Kleinstgruppen waren. Darin sind Querulanten, Leute, die in unseren Parteien nicht haben Fuß fassen können, weil sie ein gewisses querulatorisches Potenzial haben. Sie alle sind darin.
Es ist im Augenblick ein Chaosverein. Sie sagen selbst von sich anlässlich ihres Landesparteitages: Unser Landesparteitag ist eine Black Box. Wir wissen gar nicht genau, wie sich zwei Drittel der Delegierten verhalten werden. Die kennen sich zum Teil noch gar nicht. Es ist eine Partei im Werden – leider, aber es ist so. Sie hat im Augenblick über 7.000 Mitglieder. Ich habe den Eindruck, es werden mehr und nicht weniger. Im Gegensatz zu den meisten Parteien, die hier vertreten sind, scheint diese Partei weiterhin Zulauf zu haben.
Ich frage mich: Was tun Sie dagegen, damit diese Partei keinen Zulauf mehr bekommt? Ich glaube, Sie tun gar nichts dagegen, ganz im Gegenteil!
Lieber Helmut Stahl, Du hältst hier unten eine Rede, das ist doch nichts. Das ist doch ein Schmarren – Entschuldigung. Ihr müsst praktische Politik machen. Eine Partei oder Koalition wie Eure, die auf der einen Seite Bildungsgerechtigkeit propagiert und auf der anderen Seite Studiengebühren einführt, führt denen doch Neuwähler und Sympathisanten zu.
Eine Koalition wie die Ihre, die an einem völlig überholten Schulmodell hängt, das die soziale Ungerechtigkeit auf Dauer manifestiert, die treibt ihnen doch die Wählerinnen und Wähler zu!