Protocol of the Session on November 13, 2008

(Svenja Schulze [SPD]: Nö! – Zuruf von Hei- ke Gebhard [SPD])

Dann, beim zweiten und dritten Blick, wurde mir klar, was hier passiert. Also, der OECD-Bericht ist schon etwas älter, nicht so aktuell, im März schon vorgestellt worden; da ist es eine aktuelle Veranstaltung gewesen. Insofern hätte man das Thema, wenn man über diesen Bericht wirklich intensiv diskutieren wollte, schon sehr viel früher auf die Tagesordnung setzen können.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Erwartet habe ich dann, dass der Herr Umweltminister oder die Umweltpolitikerinnen und -politiker der Koalitionsfraktionen einen Aufschlag machen. Aber da kommt wie Kai aus der Kiste der „ewige Herr Weisbrich“ und erzählt uns, was er uns immer schon erzählte – im Übrigen wie damals der ältere Cato –, und fügt als seine Meinung hinzu: Der Emissionshandel ist Unsinn und muss eigentlich abgeschafft werden. Das ist Ihre zentrale Umweltbotschaft, die Sie heute anhand dieses doch sehr umfangreichen Berichts in die Plenardebatte einbringen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Völlig falsch!)

Wenn man noch genauer hinschaut, wird deutlich, dass der Umweltminister des Landes, der zu diesem Thema die zentrale Federführung haben sollte, diese Federführung offensichtlich an die Wirtschaftsministerin abgegeben hat.

(Hannelore Kraft [SPD]: An die FDP!)

Dabei ist der „getreue Eckhard“ in allen Bereichen doch ach so lieb. Er hat doch bisher aus Ihrer Sicht

gar nichts falsch gemacht. Er hat den ChefLobbyisten der kommunalen Spitzenverbände ins Ministerium geholt. Er macht das, was die Lobby will. Der Lobbyist der Landwirtschaftskammer ist Leiter des Ministerbüros.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Was? Was er- zählen Sie da? Der Leiter des Ministerbüros? Quatsch!)

Der Minister hat einen „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben gerufen. Dieser Dialog an zentraler Stelle sagt: Wir bestimmen zukünftig die Politik der Landesregierung. – Also, der Umweltminister hat doch in Ihrem Sinne alles richtig gemacht. Er musste sogar die Kompetenzen im nachgeordneten Bereich abgeben.

Jetzt hat er noch nicht einmal die Kompetenz an zentraler Stelle, inhaltlich etwas zur Umweltpolitik in Nordrhein-Westfalen sagen zu können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dabei wäre es schon interessant, den OECDBericht wirklich auf Nordrhein-Westfalen herunterzubrechen. Dieser Bericht hat nämlich zwei zentrale Botschaften.

Die erste Botschaft lautet: Vergesst bei der Diskussion über den Klimawandel den großen Bereich der Umweltpolitik nicht. Es gibt in der Umweltpolitik mehr zu tun, als sich nur mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Das ist eine zentrale Botschaft, insbesondere im Bereich des Artenschutzes, des Gewässerschutz und der Chemikalien, die immer mehr in die Umwelt eingetragen werden.

Die zweite zentrale Botschaft bezieht sich in der Tat auf den Klimawandel und den Klimaschutz: Ihr könnt es auf der Distanz bis 2030 billiger haben, aber ihr müsst alle Instrumente anwenden! Insbesondere müsst ihr das Instrument des Immissionshandels anwenden. Alle Branchen müssen mitmachen. Das ist die zweite zentrale Botschaft, die durch Sie heute verwässert worden ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die OECD empfiehlt ein Bündel an Maßnahmen, um die Kosten gering zu halten. Dazu gehören beispielsweise marktwirtschaftliche Instrumente, im Übrigen auch staatliche Eingriffe wie zum Beispiel die Nutzung von Umweltsteuern, die effiziente Wasserbepreisung, der Emissionshandel. Das Verursacherprinzip steht ganz oben. Die OECD empfiehlt auch Abgabenlösungen wie zum Beispiel beim Müll.

Sie fordert die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, insbesondere im Bereich der fossilen Brennstoffe, aber auch – darüber könnten wir hier auch ausführlich diskutieren – im Bereich der Landwirtschaft. Alle Subventionen, die der Umwelt schaden, sollen im Bereich der Landwirtschaft abgeschafft werden. Wir fühlen uns damit in unserer Forderung eindrucksvoll unterstützt.

Und sie fordert Investitionen in Bereich von Forschung und Entwicklung sowie in Teilen auch Umweltkennzeichnung und mehr Information. Das sind Themen, die wir in der Tat hier im Landtag an der einen oder anderen Stelle debattiert haben.

Schaut man dann aber, was sich in der Umweltpolitik in den letzten drei Jahren konkret getan hat, wird man feststellen, dass Nordrhein-Westfalen abgerutscht ist, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien auf Platz 12. Aus Ihren Reden – Herr Brockes hat das noch sehr viel platter formuliert als Herr Weisbrich – ist deutlich geworden, dass die Landesregierung Lobbyismuspolitik betreibt, zum Beispiel für RWE und E.ON.

(Widerspruch von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, schauen Sie sich doch einfach einmal Ihre Reihen an. Das, was Sie hier heute Morgen veranstalten, ist doch eine Gespensterdebatte. Ihre eigenen Leute wollen Ihr Gequake doch schon gar nicht mehr hören. Die haben an dieser Stelle fluchtartig den Saal verlassen. Sie konzentrieren sich quasi sektenhaft auf Themen,

(Beifall von den GRÜNEN)

die in der Diskussion eigentlich gar keine Rolle mehr spielen.

Stattdessen gibt es Lobbyismus im Kampf für Kohle und Atom, gegen den Emissionshandel. Sie laufen zum Schaden von Nordrhein-Westfalen ständig vor die Wand.

Was haben wir beim Artenschutz? – Seit drei Jahren gibt es da in Nordrhein-Westfalen keine Bewegung mehr. Wir verlieren in Nordrhein-Westfalen tagtäglich Arten. Stattdessen wird der öffentliche Wald verscherbelt und soll wirtschaftlich noch ausgepresst werden.

Beim Kiesabbau am Niederrhein gibt es keinen Schutz für die Landschaft und die Menschen, stattdessen gibt Herr Ellerbrock den Ton vor: Hier soll ein großes „Ijsselmeer“ geschaffen werden.

Den Bioboom haben Sie verschlafen. Der wäre auch eine Konsequenz bei der Landwirtschaft, in eine andere Richtung zu gehen. NordrheinWestfalen verschläft hier den zentralen Weg nach vorne.

Wir haben ein anhaltendes Artensterben. Beim PFT-Skandal haben Sie kläglich versagt. Chemikalien aus der Umwelt herauszuhalten, ist ein zentrales Thema, das uns die OECD vorgibt. Stattdessen wird die Umweltverwaltung zerschlagen. Bei der Störfallserie im Chemiebereich haben Sie keine Antworten.

Unter dem Strich hätten wir in Nordrhein-Westfalen also wirklich viel zu diskutieren, wenn es um eine bessere Umweltpolitik für dieses Land ginge. Schade, dass Sie diese Chance verpasst haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Remmel. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Thoben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Herr Uhlenberg, ha- ben Sie nichts mehr zu sagen?)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass spreche ich zu einem Aspekt aus der OECD-Studie. Wenn keine neuen Maßnahmen getroffen werden, laufen wir nach den Ergebnissen der Studie Gefahr, dass ökologische Fundament für dauerhaften, wirtschaftlichen Wohlstand in den nächsten Jahrzehnten irreversibel zu beschädigen. Die globalen Treibhausgasemissionen würden bis 2030 voraussichtlich um weitere 37 % steigen.

Diesen Herausforderungen müssen wir uns als Energie- und Industrieland Nummer eins in Europa in besonderer Weise stellen. Ich sage hier mit nachdrücklichem Ernst: Das gilt umso mehr, als die wirtschaftlichen Aussichten nicht gerade rosig sind.

Ausgangspunkt ist für uns das Klimaschutzziel der Europäischen Union, das heißt die Verringerung der CO2-Emissionen um 20 % gegenüber 2005. Wir betrachten dieses Ziel als einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung der nächsten Generationen.

Wir verfolgen dabei eine Energie- und Klimapolitik mit Augenmaß. Das heißt: Bei der Verfolgung von Klimaschutzzielen sind Übersteuerungseffekte zu vermeiden. Vorrang genießen effiziente und damit wirtschaftlich tragbare Klimaschutzmaßnahmen, die sich in einem absehbaren Zeitraum amortisieren.

Mit dem Land Oberösterreich haben wir die Allianz wirtschaftsstarker Regionen Europas mit einem hohen Anteil an energieintensiven Industriebetrieben gegründet. Meine Damen und Herren, inzwischen traten durch Unterzeichnung des Positionspapiers die Länder Bayern, die Provinz Limburg in den Niederlanden und das Land Niedersachsen der Allianz bei. Heute Morgen noch die Woiwodschaft Schlesien, mit der ich ein ausführliches Gespräch hatte. Dort werden 90 Millionen t Kohle gefördert, die dort auch verstromt werden. Die Vertreter dieser Region sagen: Bei uns gehen die Lichter aus, wenn es so kommt, wie sich das jetzt abzeichnet.

Ziel dieser Allianz ist es, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat die besondere Betroffenheit der energieintensiven Industrie Europas durch die geplanten Regelungen für die Zuteilung der CO2-Zertifikate nahezubringen und wirtschaftsverträgliche Korrekturen einzufordern. Diese müssen den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit Europas sicherstellen.

Das heißt: Die geplante, stufenweise Einführung der Auktionierung bei den energieintensiven Industrien lehnen wir ab. Zulieferungen müssen kostenlos und auf der Grundlage anspruchsvoller Benchmarks vorgenommen werden. Das wird in der laufenden Handelsperiode so gehandhabt. Wir erwarten nachdrücklich, dass das weitergeht.

Es muss außerdem rasch geklärt werden, welche Branchen der energieintensiven Industrie – wahrscheinlich tummeln sie sich vor Ort und freuen sich auch nicht gerade über Entwicklungen wie bei Ruhrzink – dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt und damit aufgrund des Carbon Leakage gefährdet sind. Das muss vor 2010 passieren.

Ebenso wie die energieintensive Industrie stehen auch Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb mit Anlagen, die nicht dem Emissionshandelsregime unterworfen sind. Eine Teiloptionierung für KWK-Anlagen ist somit keine ausreichende Entlastung.

Und schließlich: Auf die vollständige Versteigerung der Zertifikate für den Stromsektor bereits ab 2013 ist zu verzichten. Mindestens für den Ersatz alter durch neue hocheffiziente Kraftwerke, die mit demselben Brennstoff weiter betrieben werden sollen, ist eine Zuteilung nach Benchmarks vorzusehen. Eine vollständige Auktionierung der Zertifikate wirkt für diese Vorhaben als massives Investitionshindernis und verschenkt die großen CO2-Einsparpotenziale, die mit dem Kraftwerkserneuerungsprogramm verbunden sind.

Interessant ist ja, was man aus dem Umweltministerium in Berlin hört. Herr Gabriel denkt ganz offensichtlich, weil es irgendwann bei ihm auch einmal geklingelt haben muss, darüber nach, das Geld aus dem CO2-Handel zwar als Erstes in die Bundeskasse zu holen und sich dann ein Bonusprogramm – man höre und staune – für hocheffiziente Kohlekraftwerke auszudenken. Ist er eigentlich noch gescheit im Kopf? Das ist kein Ersatz für eine schnelle Beseitigung, das ist kein Ersatz …

(Beifall von CDU und FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Was ist das für eine Umgehensweise? – Weitere lebhafte Zurufe von der SPD – Ralf Jäger [SPD]: Das ist unterirdisch!)

Habe ich Sie beschimpft? Das würde ich mich nie trauen. Warum sollte ich?

Ich mache darauf aufmerksam, dass Herr Gabriel jetzt plötzlich überlegt, ob er erst das Geld holt und dann das Bonusprogramm für effiziente Kohlekraftwerke macht. Und da gestatte ich mir schon, das als Unsinn und Ausweis von Verantwortungslosigkeit zu bezeichnen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit und der Sache nicht angemessen!)

So etwas ist kein Ersatz für einen maßvollen Umgang angesichts von derzeitigen Wirtschaftsaussichten. Die werden Sie auch noch zum Nachdenken bringen!

(Ralf Jäger [SPD]: Zunehmend peinlich! Pein- lich, peinlich!)