Protocol of the Session on November 12, 2008

verbringen, in einem Gesetz zu fassen. Deswegen machen wir als tragende Idee dieses Gesetzentwurfes sehr ernst damit, dass vor allem der in diesen Einrichtungen lebende Mensch im Mittelpunkt steht und dort möglichst viel Individualität und möglichst viel Selbstbestimmung haben kann.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das ist ein gutes Menschenbild, finde ich.

Mit diesem Gesetzentwurf möchte ich insbesondere auch in den Altenpflegeeinrichtungen einen Beitrag zu einer stärkeren Entbürokratisierung leisten, damit die Altenpflegerinnen und Altenpfleger mehr ihrer Aufgabe der Pflege nachgehen können und etwas weniger dokumentieren müssen. Das ist mein Ziel.

(Beifall von Marie-Theres Kastner [CDU])

Deswegen halte ich es für klug, dass wir in diesem Gesetzentwurf zum Beispiel das Heimvertragsrecht nicht geregelt haben; denn hier gibt es Bundesrecht. Sonst hätte sich zum Beispiel das Problem gestellt: MDK administriert Bundesrecht, Heimaufsicht Landesrecht. – Dann hätten die Betreiber ein Problem gehabt.

Der Streit, ob die Länder dies regeln dürfen oder nicht, muss anderswo entschieden werden und nicht auf dem Rücken der Betroffenen. Ich bin dankbar dafür, dass sich auch der Landtag in dieser Frage zurückhält, bis diese Frage geregelt ist. Es ist klug, das Ganze zumindest nicht auf dem Rücken derjenigen, die in den Heimen ihre Arbeit leisten, auszutragen.

Ein weiterer Punkt: Man muss immer bedenken, dass jeder Mensch, der in einem Altenheim eine allerletzte Lebensphase verlebt und erlebt, eine lange Geschichte hat und eine ausgereifte Persönlichkeit ist. Daher muss es in einer solchen Einrichtung so sein, dass nicht der Mensch für die Einrichtung, sondern die Einrichtung für den Menschen da ist – mit möglichst vielen individuellen Freiheitsrechten.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist nicht gut, dass nach der heutigen Gesetzeslage – wenn wir die Einrichtungen besuchen, hören wir auch davon – eine Einrichtung ein Problem bekommt, wenn dort zum Beispiel in der jetzigen Jahreszeit im Rahmen der Beschäftigungstherapie mit demenzerkrankten Menschen ein Apfelkuchen gebacken wird, den die Betroffenen auch essen, und anschließend jemand davon krank wird. Ich möchte, dass mit dem neuen Heimrecht klar ist, dass der Apfelkuchen auch gegessen werden darf; denn mir sind Heime, die nach Apfelkuchen riechen, lieber als diejenigen, die nach Chlor riechen.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Punkt, den wir mit diesem Gesetzentwurf ebenfalls sehr deutlich machen: Wir möchten, dass für die Bauvorschriften von Altenheimen nicht

mehr die Krankenhausbauverordnung Pate steht. Das ist in unserem Land seit vielen Jahren bis heute der Fall. Deswegen steht in diesem Gesetzentwurf ausdrücklich, dass die Krankenhausbauverordnung für den Bau von Pflegeeinrichtungen keine Rolle mehr spielen darf.

(Beifall von der CDU)

Über die Jahre wird das in den Einrichtungen auch zu etwas anderen Formen der Wohnlichkeit führen, als wir sie heute finden.

Ich halte es für richtig, dass die Menschen in den Einrichtungen – auch in den Behinderteneinrichtungen – selbst bestimmen oder zumindest erhebliche Mitbestimmungsrechte haben, wenn es um die innere Organisation des Lebens in der Einrichtung geht. Etwa bei den Speiseplänen, bei der Hausordnung oder bei der Besuchsordnung kann der Betreiber nichts mehr ohne die Bewohner entscheiden. Vielmehr entscheiden die Bewohner mit. Das ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Situation, in der so etwas vielleicht schon von vielen freiwillig praktiziert wurde, aber nicht überall die Regel war.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Ein weiterer Punkt: Frau Steffens, Sie haben hier gesagt, statt der Zahl der Zimmer hätte ich „20 % der Plätze“ in den Gesetzentwurf schreiben sollen. Die von Ihnen aufgestellte Rechnung ist richtig. Aber wissen Sie, welche Lage ich hier vorgefunden habe? Mit dem Landespflegegesetz 2003 hat der damalige Landtag entschieden, dass in den Altenpflegeeinrichtungen ab 2018 – man hat so lange Übergangsfristen von 15 Jahren beschlossen – nur noch 20 % der Zimmer Zweibettzimmer sein dürfen und 80 % Einzelzimmer sein müssen.

Wenn man seinerzeit diese langen Übergangsfristen vorgesehen hat, ist es in der Gesetzeslogik doch richtig, sich jetzt auch bei dem Heimgesetz an den damals festgelegten Zahlen zu orientieren und nicht mit neuen Zahlen wieder Verunsicherung zu schaffen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Sie haben aber etwas anderes verkündet!)

Im Übrigen verstehe ich überhaupt nicht, dass damals im Landespflegegesetz eine Regelung für die Altenheime getroffen wurde und man sich um die Behinderteneinrichtungen gar nicht gekümmert hat. In den Behinderteneinrichtungen gibt es in diesem Land nach wie vor sogar noch Hunderte von Mehrbettzimmern mit drei und mehr Betten.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen halte ich es für richtig, in diesem Gesetzentwurf die Mehrbettzimmer zu verbieten sowie vorzuschreiben, dass ab 2018 auch in den Behinderteneinrichtungen 80 % der Zimmer, in denen Menschen jahrzehntelang leben, Einzelzimmer sein

müssen, damit diese Menschen zum ersten Mal in diesem Land ein bisschen Privatsphäre bekommen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte auch einmal wissen, wie es damals dazu gekommen ist, dass im Landtag diese Frage für die Altenpflege geregelt worden ist und gleichzeitig den Behinderteneinrichtungen in den Bewilligungsbescheide im Jahr 2003 teilweise noch eine hohe Quote von Mehrbettzimmern zur Vorschrift gemacht wurde. Das passt für mich überhaupt nicht zusammen.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Nach meiner Meinung haben wir hier in Bezug auf die Behinderten einen absoluten Durchbruch erzielt, indem wir dafür sorgen, dass sie in den Einrichtungen auch ein Stück Privatsphäre haben. Es geht um Menschen, die nicht einen allerletzten Lebensabschnitt in einer Einrichtung verbringen, sondern ein ganzes Menschenleben. Deswegen ist es gut, dass wir auch den Behindertenbereich voll in diese Standards einbezogen haben.

Jeder weiß, welche Investitionen noch notwendig sind, um dieses Ziel zu erreichen; denn wir haben in diesem Bereich nicht nur Hunderte von Drei- und Mehrbettzimmern, sondern auch noch Tausende von Doppelzimmern. Das bis 2018 zu schaffen, erfordert eine gewaltige Investitionsanstrengung. Von heute an gerechnet sind es ja praktisch nur noch zehn Jahre. Jeder kann sich vorstellen, was im Zusammenhang mit diesen Bauinvestitionen auf die Szene und auf die Strukturen zukommt. Ich halte dies aber für eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir hier weiterkommen.

Ein weiterer Punkt, den ich sehr gerne noch ansprechen will, ist, dass wir natürlich sehen müssen, dass der Geist dieses Gesetzes auch in die Landschaft hineinkommt. Deswegen ist es wichtig, dass die Heimaufsicht ein bisschen vermittelt, was wir mit diesem Gesetz bewirken wollen. Ich bin daher dankbar, dass mir dieses Gesetz die Möglichkeit gibt, die Heimaufsicht nach Weisung zu machen, damit wir in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich einheitliche Kriterien bekommen. Ich glaube, dass das zu rechtfertigen ist.

Ich persönlich bin auch der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dieses Gesetz zu bewerben und auch mit den Betroffenen zu besprechen. Ich selber werde bis Ostern quer durch Nordrhein-Westfalen in einem Dialogverfahren 19 Veranstaltungen zu diesem Gesetz durchführen, und ich hoffe, auch dadurch einen Beitrag dazu zu leisten, das, was wir als Landtag und als Landesregierung mit diesem Gesetz wollen, in die Lebenswirklichkeit der Einrichtungen zu bringen.

Ich hoffe ebenfalls – und das ist mein großer Wunsch –, dass dieses Gesetz es befördert, dass wir in dem Bereich der Heime, der Betreuungsein

richtungen eine noch größere und buntere Vielfalt bekommen, als sie heute existiert. Ich möchte gerne, dass Menschen verschiedene Lebensformen, die sie sich überlegen, wie sie in einer solchen Lebensphase leben wollen, auch leben können und dass dieses Gesetz diese eher beflügelt als behindert. Ich möchte gerne, dass es in den Formen der Betreuungseinrichtungen sowohl für behinderte wie auch für pflegebedürftige Menschen zukünftig viel mehr Liberalität und auch viel mehr Unterschiedlichkeit gibt.

Ich finde es richtig, dass wir in diesem Gesetz auch klarmachen, dass es in einer Welt, in der Demenz in der Altenpflege eine immer größere Rolle spielt, bei der Fachquote nicht ausschließlich um die Pflegefachkräfte geht, sondern auch um Fachkräfte, die sich etwa mit der Gestaltung des Alltags für die betroffenen Menschen beschäftigen. Ganz besonders freue ich mich darüber, dass mit diesem Gesetz klargestellt wird, dass auch der Koch in einer Einrichtung zur Fachquote gehört. Denn dass es in einer Einrichtung gutes Essen gibt – davon bin ich überzeugt –, hat auch ein Stück mit Lebensqualität zu tun.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich glaube, für die Welt, in der immerhin 200.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen leben, haben wir heute ein nach bestem Wissen und Gewissen sehr gutes Gesetz gemacht.

(Beifall von der CDU)

Ich will dazusagen: Wenn wir bei der Umsetzung des Gesetzes sehen sollten, dass es Punkte gibt, die man noch besser regeln kann, kann man das Gesetz ja auch ergänzen. Denn ein „lernendes“ Gesetz muss nicht unbedingt ein schlechtes Gesetz sein.

In diesem Sinne danke für die Unterstützung im Ausschuss und auch danke an meine Fachabteilung, die sich sehr viel Mühe gemacht hat, diesen Dialogprozess durchzuführen!

(Beifall von CDU und SPD)

Ich freue mich jetzt, dass wir ein gutes Gesetz hinbekommen haben, bei dem auch in der Öffentlichkeit deutlich wird, dass es die breite Unterstützung des nordrhein-westfälischen Parlamentes hat. – Danke schön.

(Beifall von CDU und SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Fraktion der SPD hat der Kollege Garbrecht das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Ich will auf das Bezug nehmen, was der Kollege Henke an

den Anfang gestellt hat: Ja, wir sehen uns in der Tradition der Ergebnisse der Enquetekommission. Ich hätte es gut gefunden, wenn wir die Einmütigkeit der Enquetekommission auch bei diesem Gesetzentwurf hätten hinüberretten können. Das ist leider nicht der Fall.

Aber ich sage an dieser Stelle klar: Frau Kollegin Steffens, das, was Sie hier ausgesprochen haben, dass dieses Gesetz eine Verschlechterung für die Situation der Menschen im Lande sei, weise ich zurück. Dieses Gesetz bedeutet eine Verbesserung für die Menschen im Land.

(Beifall von SPD und CDU)

Das gesamte Gesetzgebungsverfahren ist von Anfang an mit vielen Befürchtungen befrachtet worden: schon hinsichtlich der Entscheidung der Föderalismuskommission, das Heimrecht auf die Länderebene zu geben, sowie die Frage der Absenkung der Fachkraftquote usw. Ich stelle fest: All diese Befürchtungen treffen auf das Wohn- und Teilhabegesetz in Nordrhein-Westfalen nicht zu. Im Gegenteil: Es sichert nach unserer Auffassung Qualität und Rechte der Betroffenen, und dies vor allem auch deswegen, weil die Charta der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen auch zum Zweck dieses Gesetzes geworden ist.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat sich in fast zehnstündigen Anhörungen mit allen Problemlagen auseinandergesetzt. Die zentrale Fragestellung bei dieser Anhörung war: Behindert dieses Gesetz ambulante Wohnformen oder nicht? Ich sage nach den Präzisierungen und Klarstellungen: Dieses Gesetz wird nicht dazu führen, dass es ambulante Wohnformen und den Ausbau dieser Wohnformen behindert. Es sichert aber die Rechte der Betroffenen, und das unabhängig von ihrer leistungsrechtlichen Einordnung.

Ich sage noch einmal deutlich: Wir wollen die Buntheit der Lösungen im Lande. Wir wollen aber keine Zustände, wie sie uns in der Anhörung aus dem Land Berlin geschildert worden sind. Dieses wollen wir in Nordrhein-Westfalen nicht.

(Beifall von der SPD)

Selbstbestimmung und Teilhabe gelten in jeder Lebensphase für Menschen mit Behinderungen, für ältere und pflegebedürftige Menschen. Wir wollen sie in die Mitte der Gesellschaft holen. Dazu gehört das Wohnen. Wohnen ist ein Kernbereich für die Mitte der Gesellschaft. Diesen Anspruch wollen wir realisieren.