Protocol of the Session on November 12, 2008

Niemand darf durch den Umzug ins Heim sein Selbstbestimmungsrecht verlieren. Seine Wünsche müssen in Heimen im Mittelpunkt stehen. Das Leben dort soll soweit wie möglich dem gleichen, das man zu Hause geführt hat. Es gibt ein verbrieftes Recht auf Besuch, egal wann, wie oder durch wen ein Heimbewohner besucht werden möchte.

Prüfmaßstab für die Güte des Heims ist in unseren Augen das sogenannte normale Leben. Der Formalismus soll dagegen auf das notwendige Maß beschränkt werden, die Durchschaubarkeit soll größer sein als bisher.

Es ist gut, dass wir den Heimen eine Vorgabe machen, zu 80 % Einzelzimmer einzurichten, die in einer festen Frist erreicht werden muss. Je schneller wir zu diesen 80 % Einzelzimmern kommen, desto besser.

Bei der Fachkraftquote bleibt es beim Mindeststandard von 50 %. Andere Vorgaben und Vorschriften dagegen, wie die für Krankenhausbauten, die zum Teil für Heime gegolten haben, werden keine Anwendung mehr finden, weil sie auf ein Leben wie zu Hause nicht übertragbar sind.

Für die Mitwirkung und Mitbestimmung der Bewohner gibt es eine verbesserte Regelung. Tätigkeitsberichte der Aufsichtsbehörden werden verpflichtend in Kommunalparlamenten zur Diskussion gestellt, weil es gut ist, wenn die kommunale Politik weiß – und darauf reagieren kann –, was in den Heimen geschieht.

Unser Gesetz ist in erster Linie ein Schutzgesetz für die Bewohner in stationären Betreuungseinrichtungen der Behindertenhilfe und der Altenhilfe. Das Leben der Menschen dort soll an den Maßstäben eines Lebens wie zu Hause orientiert sein. Unser Gesetz ist von dem Willen geprägt, dass die Menschen dort ihren Lebensalltag möglichst selbstbestimmt gestalten und ihre Individualität leben können. Wir nehmen das Thema Entbürokratisierung ernst.

Insgesamt verabschieden wir heute in der Substanz, und das mit großer Mehrheit – trotz aller Differenzen, die in den unterschiedlichen Entschließungsanträgen als gewissermaßen begleitende Garnitur mitgeliefert werden – von CDU und FDP, also den Koalitionsfraktionen, und SPD ein gutes und, wie ich denke, bundesweit vorbildliches Gesetz im Sinne der Menschen, für die das Heim bzw. – wie es im Gesetzestext jetzt heißt – die Betreuungseinrichtung zum Lebensmittelpunkt werden musste.

(Beifall von der SPD)

„Betreuungseinrichtung“ lautet es im Gesetzestext. Ich bin sehr, sehr neugierig, inwiefern sich dieser Begriff in Zukunft in der Sprachpraxis normal gestrickter Mitmenschen, die weniger mit der Bürokratie, sondern mehr mit den Abgeordneten zu tun haben, durchsetzen wird.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das hängt von den Abgeordneten ab!)

Aber das Konzept, das hinter diesem Begriff steht, ist sicher ein gutes Konzept, und die Philosophie, die damit zum Ausdruck kommt, ist die richtige, ist richtig klasse.

Wir erfüllen damit ein weiteres Stück des Auftrags, den wir uns mit der anfangs erwähnten Enquetekommission gegeben haben. Darüber bin ich froh. In einem weiteren Bereich hat sich die viele Arbeit in der Enquetekommission ausgezahlt. Aber nicht nur

den Mitgliedern der Enquetekommission und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Minister Karl-Josef Laumann an der Spitze gilt abschließend mein Dank, sondern besonders auch den Kolleginnen und Kollegen, die den Beratungsprozess im Ausschuss und auch den Beratungsprozess davor begleitet haben. Wir haben eine sehr, sehr lange Fachberatung über ein sehr, sehr wichtiges Thema im ganzen Land gehabt. Diesen Kollegen in allen Fraktionen bin ich ausgesprochen dankbar – auch in der Fraktion, die heute aus den Gründen, die sie Ihnen nahelegen wird, nicht mitstimmen kann, die dennoch eine Vielzahl der Regelungen, die hier getroffen worden sind, teilen wird.

Aus der CDU-Fraktion nenne ich alle Mitglieder des Arbeitskreises für Arbeit, Gesundheit und Soziales und mit besonderem Dank unseren Sprecher Norbert Post, die Kollegin Ursula Monheim und den Kollegen Oskar Burkert und nicht zuletzt – das ist selten hier, aber ich nenne sie jetzt einmal – unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Britta Marquardt.

Dass wir das Gesetz nach so viel Arbeit heute zeitgerecht verabschieden können, wobei wir nicht die allerletzte Frist, die wir einmal für möglich gehalten haben, ausschöpfen müssen, sondern ein bisschen früher fertig sind und somit auch denen ein bisschen mehr Vorbereitungszeit gestatten, die das Gesetz anwenden müssen, gehört zu meinen erfreulichsten Erfahrungen in dieser Legislaturperiode. – Ich bedanke mich für Ihr Gehör und Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU, SPD und FDP)

Vielen Dank, Kollege Henke. – Für die SPD-Fraktion spricht der Herr Abgeordnete Killewald.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Werter Herr Minister Laumann! Ein langer Prozess geht zu Ende. Eines ist schon mal gut und beruhigt mich insbesondere: Wir haben den Kollegen Henke glücklich gemacht.

(Rudolf Henke [CDU]: Zufrieden!)

Gut, zufrieden.

vonseiten der Sozialdemokraten war es jederzeit wichtig, alle Möglichkeiten zu nutzen, das Gesetzeswerk mitzugestalten und im Sinne der Menschen in NRW noch besser zu machen. In der Situation der Opposition ist dies natürlich eher schwierig. Insofern ist es positiv zu bewerten, dass Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, und Sie, Herr Laumann, das Thema Pflege so hoch bewerten, dass Sie einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens im Verfahren und im Beschluss gesucht haben.

Wir Sozialdemokraten erkennen an, dass Sie, Herr Minister, nicht erst zum Zeitpunkt des Referentenentwurfs das Gespräch mit uns gesucht haben.

Ihnen wie uns war jederzeit bewusst, welch hohen Stellenwert ein gemeinsames Vorgehen in der Pflege hat.

Die zentralen Begriffe der Selbstbestimmtheit und Teilhabe gelten in jeder Lebensphase, also auch für die Zielgruppe der älteren und pflegebedürftigen Menschen sowie der Menschen mit Behinderungen. Diese Menschen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Diese Menschen haben ein besonderes Schutzbedürfnis, welches wir als Gesetzgeber erfüllen müssen.

Das Wohn- und Teilhabegesetz bietet einen Paradigmenwechsel im Sinne dieser Gedanken. Paradigmenwechsel beinhalten aber die Notwendigkeit, dass man die Beteiligten mitnimmt. Bei der Anhörung hatten viele von uns das Gefühl, dass dies noch nicht vollständig gelungen ist. Auch heute noch äußern sich Beteiligte mit Bedenken.

Wir Sozialdemokraten haben deshalb besonderes Gewicht auf die Stellung und die Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft nach § 17 gelegt. Diese Arbeitsgemeinschaft, Herr Minister, wird die entscheidende Rolle spielen, ob die Landschaft mitgenommen wird oder nicht. Wenn es gelingt, die notwendigen Verordnungen, die Koordination und Verfahren der Prüftätigkeiten und vieles mehr konstruktiv mit den Beteiligten in der Arbeitsgemeinschaft zu gestalten, dann wird die Unruhe verstummen und das Gesetz sich wirklich als lernendes Gesetz beweisen. Nur so kann nach Ende der Übergangsfrist in 2011 die Pflege in NRW profitieren.

Die Bereitschaft vonseiten der Koalition, Änderungen des Gesetzes in einem fraktionsübergreifenden Antrag zu formulieren, haben wir selbstverständlich aufgegriffen. Am Schluss steht heute ein gemeinsamer Änderungsantrag mit gewichtigen Verbesserungen zum Kabinettsentwurf. Dies ist für die SPDFraktion Grund, den Änderungen und dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Die SPD-Fraktion hat zum heutigen Plenum aber auch einen Entschließungsantrag eingebracht. Bis Montag sind wir davon ausgegangen, dass es noch gelingen könnte, einen gemeinsamen Entschließungsantrag auf den Weg zu bringen. Aber vielleicht war das dann des Guten zuviel, Herr Kollege Henke. Kann ja sein!

(Lachen von der SPD)

Wir nehmen das so hin. Aber es ist eine vergebene Chance für die Welt der Pflege.

Herr Laumann, an dieser Stelle möchte ich aber Ihnen und Ihrem Haus ganz persönlich für die Unterstützung bei der Erarbeitung unseres Entschließungsantrags danken. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir ihn dann doch genutzt haben, unsere Vorstellungen, die wir nicht zum Tragen bringen konnten, noch einmal akzentuiert niederzulegen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist das politi- sche Geschäft!)

So machen die gemeinsamen Formulierungen – das gebe ich selbstverständlich zu, auch zu Ihrem Schutz– nur zwei Drittel des zur Abstimmung stehenden Papiers aus.

Mit unserer Entschließung wollen wir deutliche Signale setzen:

Erstens. Wir erwarten von der Landesregierung, dass der zuständige Ausschuss des Landtages über wesentliche Ergebnisse im Umsetzungsprozess zeitnah unterrichtet und unter Wahrung des Rechtes auf Anhörung von Sachverständigen angemessen beteiligt wird. Wir haben gesehen, wie wertvoll es für die Landschaft sein kann, wenn wir in Sachen Pflege zusammenarbeiten.

Zweitens. Jeder Bewohner einer Einrichtung soll ein eigenes Zimmer bewohnen können, wenn er es wünscht. Dieses Ziel werden wir nicht sofort erreichen können. Deshalb steht es auch nicht im Antrag. Es sind umfangreiche Arbeiten am Landespflegegesetz und an anderer Stelle notwendig, damit das überhaupt greift. Wir haben ein Vorhaben vor der Brust, das weit mehr als ein Jahrzehnt dauern wird.

Drittens. Wir müssen die umfassenden Auswirkungen des Wohn- und Teilhabegesetzes auf das Landespflegegesetz bei dessen Evaluierung einbeziehen. Das ist eine Empfehlung, Herr Minister, die wir Ihnen heute mit auf den Weg geben wollen, weil wir glauben, dass die Parameter des Wohn- und Teilhabegesetzes mit Blick auf das Landespflegegesetz und dessen Novellierung auch heute schon in gewisser Weise überprüft werden können.

Viertens. Wir werden die Kommunen mit geeigneten Steuerungsinstrumenten ausstatten müssen, um jeweils wohnortnah qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte, geeignete Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit Behinderung sowie für ältere und pflegebedürftige Menschen zu ermöglichen und die notwendige Kooperationsbereitschaft einzufordern.

Meine Damen und Herren, wir sind weiterhin bereit, konstruktiv und gemeinsam weitere Schritte mit Ihnen zu gehen.

Ein langer Prozess geht heute zu Ende. Ich bin der festen Überzeugung, dass es hilfreich und im Sinne der Menschen in NRW war, einen breiten Konsens zu suchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gute Ergebnisse erarbeitet haben. Das zu verabschiedende Gesetz mit dem gemeinsamen Änderungsantrag wird ein großer Schritt für die Pflege in NRW sein. Und das ist gut. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD, Rudolf Henke [CDU] und Marie-Luise Fasse [CDU])

Vielen Dank, Kollege Killewald. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Romberg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir dieses für Nordrhein-Westfalen wichtige Gesetz jetzt auf den Weg bringen und es dazu eine breite parlamentarische Mehrheit gibt. Das ist ein wichtiges Signal für unsere Bürger. Der Lebensbereich der stationären Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen erfordert eben ein besonderes Fingerspitzengefühl, eine gehörige Portion Pragmatismus, aber auch den Mut, neue Wege zu gehen. Es ist gut, wenn wir das mit einer breiten Mehrheit tun.

Es war eine richtige Entscheidung, sich für die Formulierung der vorliegenden Regelungen ausreichend Zeit zu nehmen und die Betroffenen und die wichtigsten Akteure in die Gestaltung des Gesetzentwurfs einzubinden. Das ist geschehen. In der zweitägigen Anhörung gab es viel Zustimmung für die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzentwurfs. Zum Beispiel betonen die Stadt Münster, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, das Kuratorium Deutsche Altershilfe und die Caritas, dass die vorgesehenen Regelungen die individuellen Bedürfnisse der Bewohner in den Mittelpunkt rücken und die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung, aber auch zur Teilhabe deutlich stärken.

Aus meiner Sicht haben wir mit diesem Gesetz die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass Bürgerrechte nicht nur formal bestehen, sondern in diesen Einrichtungen auch umgesetzt und wirklich gelebt werden. Wir Liberalen befürworten es, wenn Menschen auch im Falle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich im vertrauten Wohnumfeld oder in anderen selbstbestimmten Wohnformen, die auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, ambulant leben können. Glücklicherweise gibt es immer mehr vernetzte und innovative Pflege- und Betreuungsangebote, die es ermöglichen, existierende Beeinträchtigungen zu kompensieren. Allerdings müssen präventive und rehabilitative Elemente in der Pflege und in der Betreuung in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen.

Dennoch wird es Menschen geben, die aufgrund ihrer Lebenssituation den Schutz der stationären Pflege oder der stationären Eingliederungshilfe benötigen. Deshalb wollen wir gerade in Fragen der individuellen Lebensführung mit diesem Gesetz erreichen, dass sich die Unterschiede zwischen dem Leben in Institutionen und dem Wohnen in der eigenen Häuslichkeit verringern. Das Motto lautet: So viel Freiheit und Selbstbestimmung wie möglich, aber auch so viel Sicherheit und Schutz wie nötig.

Ich will darauf hinweisen, dass auch die Entbürokratisierung und die vereinfachten Verwaltungsvor

schriften des Gesetzentwurfes in der Anhörung viel Zustimmung erhalten haben. Stationäre Einrichtungen sind zuallererst Lebensorte, aber auch Arbeitsorte. Erleichterungen in diesem Bereich, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen, wirken sich auch positiv auf die Atmosphäre des Hauses und somit auch auf die Lebensqualität der Bewohner aus.

Es gibt bei solch komplexen Gesetzesvorhaben aber immer wieder auch Verbesserungsbedarf. Damit komme ich zu den zwei Problemlösungen, die mir besonders am Herzen liegen:

Im Rahmen meiner ärztlichen Tätigkeit besuche ich regelmäßig Pflegeheime. Ich weiß aber, dass die fachärztliche Betreuung in der stationären Pflege leider keinesfalls der Regel entspricht. Deshalb freue ich mich über die Festlegung, dass der Betreiber nicht nur die ärztliche, sondern die haus- und fachärztliche Betreuung sicherstellen muss, wenn er eine Einrichtung führen will.

Wir haben noch heute Morgen im Ausschuss darüber debattiert, wie häufig Menschen in Heimen nicht die passende Medikation erhalten, manchmal vielleicht auch überdosiert wirken, weil die Medikation nicht fachärztlich kontrolliert wird. Das wird demnächst besser werden. Auch andere fachärztliche Untersuchungen sind wichtig. Denn immerhin wohnen dort zu über 50 % Menschen mit einer Demenz, die ein spezielles Behandlungsangebot – auch ärztlicherseits – brauchen.