Protocol of the Session on November 12, 2008

Meine Damen und Herren, wer kann denn als Erbe heute sagen, ob er angesichts von Konjunkturrisiken und ständigen Strukturveränderungen im globalen Wettbewerb in der Lage sein wird, innerhalb von zehn Jahren 1.000 % der Lohnsumme zu erwirtschaften, damit er vom Steuerzugriff befreit bleibt? Wer kann das heute sagen? Wer in der Finanzverwaltung soll die Fakten zu den hochkomplexen Verschonungswegen, die Sie da entwickelt haben, über zehn Jahre nachhalten? Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch Traumtänzerei. Das funktioniert doch nicht.

Der Staat – das sage ich auch ganz klar – soll seine Steuereinnahmen erhalten und behalten. Denn er braucht ja schließlich Geld. Aber der Staat soll keine Gesetze machen, die um einer vermeintlichen Gerechtigkeit willen nicht mehr sind als ein Flickenteppich aus Kompromissen und Ausnahmeregelungen. Schon ein römisches Sprichwort besagt: Summum jus, summa injuria. Das Recht, wenn es auf die Spitze getrieben wird, ist höchste Ungerechtigkeit.

Ich hoffe wirklich sehr zuversichtlich, dass es über den Bundesrat noch gelingt, den gröbsten Unfug zu verhindern. Das muss man diskutieren. Nirgendwo steht geschrieben, dass wir schon viel weiter sein könnten, wenn CDU und CSU in Berlin nachgegeben hätten. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Sozialdemokraten hätten ja auch nachgeben können. Nirgendwo steht geschrieben, dass es richtig ist, dass der Bund gegen den Willen von Ländermehrheiten ein Gesetz macht, das nur die Ländersteuern betrifft und die Länder mit einem Unfug drangsaliert, wie er in sozialistischen Hirnen in Berlin ausgebrütet wurde. Das muss so nicht sein. Das kann man auch ganz anders machen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie von der Gerechtigkeitslücke sprechen, dann denken Sie doch einmal darüber nach: Wer zahlt denn Erbschaftsteuern?

Herr Weisbrich.

Ich komme sofort zum Ende meiner Rede. – Es sind Vermögende, selbstverständlich. Warum machen Sie nicht beispielsweise den Vorschlag, den Spitzensteuersatz um 1, 2 oder 2,5 % zu erhöhen und die Erbschaftsteuer ganz zu streichen? Dann wären wir von der Sache weg. Der Gerechtigkeit wäre Genüge getan. Auch das wäre ein sehr unbürokratischer Ansatz. Darüber kann man nachdenken.

Seien Sie sich darüber im Klaren: Wenn wir das jetzt nicht hinkriegen, wenn die Verbesserung nicht gelingt, dann ist es das erste Projekt für die schwarz-gelbe Koalition nach der nächsten Bundestagswahl,

(Beifall von CDU und FDP)

den Unfug, der jetzt angerichtet wird, aufzuräumen.

Herr Weisbrich.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe hiermit die Aktuelle Stunde.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

2 Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform auf dem Gebiet des Heimrechts

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/6972

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 14/7819

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7896

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7898

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/7901

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Henke das Wort. Bitte schön, Herr Henke.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beinahe sieben Jahre sind vergangen, seit dieses Hohe Haus am 25. Januar 2002 einstimmig einem Antrag der CDU-Landtagsfraktion zugestimmt hat, eine Enquetekommission zur Situation und Zukunft der Pflege in Nordrhein-Westfalen einzurichten. Die Enquetekommission erhielt den Auftrag, zur Vorbereitung von Entscheidungen des Landtags, die der Sicherstellung einer angemessenen und qualitativ hochwertigen ambulanten und stationären Pflege in Nordrhein-Westfalen dienen, einen Bericht vorzulegen. Sie hatte die Situation der Pflege in Nordrhein-Westfalen zu untersuchen und zu prüfen, welche Rahmenbedingungen das Land schaffen und welche Impulse es geben müsse, um die Qualität der Pflege zu gewährleisten und auszubauen. Dabei sollte sie auch bewerten, inwieweit das im Sozialgesetzbuch XI beschriebene Ziel einer möglichst weitgehenden Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen umgesetzt sei.

Insbesondere die Mitglieder der Enquetekommission, die heute noch dem Landtag angehören – ich sehe Ursula Monheim und Barbara Steffens, Günter Garbrecht und Ralf Jäger, die wie ich selbst von Anfang bis Ende dabei waren –, erinnern sich gut, dass wir im Dezember 2004 zunächst den Schlussbericht und dann die Handlungsempfehlungen einstimmig beschlossen haben. In meinen Augen ist es nach wie vor eine große Leistung parlamentarischen Miteinanders, dass uns diese Einstimmigkeit damals gelungen ist.

Im Mittelpunkt der Pflegepolitik – so haben wir damals wortwörtlich formuliert – müssen der Mensch, seine Würde und die Gewährleistung dieser Würde auch zu Zeiten fortgeschrittener körperlicher und geistiger Schwäche und Hilfsbedürftigkeit stehen.

Frau Altenkamp, am Anfang waren Sie auch dabei. Wenn ich mich richtig erinnere, ist dann Frau Löhken-Mehring nach mehreren Monaten für Sie gekommen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Genau!)

Mit dem Begriff der Menschenwürde

so heißt es im Text weiter –

ist der ethische Anspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zu einem bloßen Objekt zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.

Menschenwürde kommt jedem Menschen zu, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistung und seinen sozialen Status. Sie ist auch

dem Menschen eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr selbstständig, eigenverantwortlich und sinnhaft handeln kann. Sie muss nicht erst erworben werden.

Etwas später heißt es dann:

Pflege muss in ihren einzelnen Maßnahmen und Haltungen von einer Sicht geprägt sein, der es um Einfühlsamkeit in der Begegnung und die Minderung von Abhängigkeit und die Möglichkeit zur höchstmöglichen Selbstbestimmung, um den Respekt vor der Integrität des Einzelnen geht und darum, dass Interventionen in die Integrität nur im informierten Einverständnis und bei gegebener, sorgfältig geprüfter Indikation erfolgen dürfen und erfolgen.

Wir haben damals in der Enquetekommission einen klaren Modernisierungsbedarf in den stationären Einrichtungen gesehen. Als Ziel einer qualitativen Weiterentwicklung haben wir eine konzeptionelle und bauliche Neugestaltung benannt, die sich an den Kriterien Überschaubarkeit, Integration in das Gemeinwesen, Wohnlichkeit und Sicherung der Individualität orientiert.

so schrieben wir –

sieht die Kommission auch die Notwendigkeit, die Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner zu stärken und für mehr Transparenz im Leistungsgeschehen zu sorgen.

Die Enquetekommission forderte Politik, Kostenträger, Leistungserbringer und Wissenschaft auf, zur Förderung dieses Prozesses geeignete Rahmenbedingungen und die notwendigen Voraussetzungen für die Erhaltung von Lebensqualität im Alter in diesem Versorgungsbereich zu schaffen.

Seit dem Abschlussbericht hat es eine Reihe von Entscheidungen gegeben, in denen politisches Handeln unsere damaligen Zielsetzungen reflektiert, aufgegriffen und in konkrete Entscheidungen übersetzt hat.

Dazu zähle ich auch eine ganze Reihe der von der Großen Koalition in Berlin getroffenen Entscheidungen im Rahmen der Pflegereform 2008, insbesondere was die finanziellen Leistungen und ihre Dynamisierung ab 2015 betrifft: die veränderten Leistungen, besser organisierte Übergänge, die Förderung neuer Wohnformen dadurch, dass Bewohnerinnen und Bewohner einer Wohngemeinschaft ihre Sachleistungsansprüche zusammenlegen und Leistungen der grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung durch sogenanntes Poolen gemeinsam in Anspruch nehmen können, ebenso wie mehr Unterstützung für demenziell erkrankte Menschen einschließlich der Möglichkeit ,in den Heimen spezielle Angebote zur zusätzlichen Betreuung und

Aktivierung zu schaffen, die durch zusätzliche Assistenzkräfte erbracht werden.

Mit der Föderalismusreform haben wir die Möglichkeit und die Chance bekommen, das Heimrecht in Nordrhein-Westfalen auf innovative Weise zu regeln. Das Landeskabinett hat die Eckpunkte zu dem Gesetz am 27. März 2007 verabschiedet.

Dann folgten ein mehr als einjähriger fachpolitischer Dialog, im April 2008 die Freigabe des Gesetzentwurfs zur Verbändeanhörung und acht Tage nach dem Kabinettsbeschluss die erste Lesung im Landtag am 18. Juni 2008. Seitdem hat der Entwurf noch eine Reihe von Veränderungen erfahren, die wir heute Morgen in einer abschließenden Ausschusssitzung mit großer Mehrheit verabschiedet haben. Aber die grundsätzliche Philosophie ist geblieben.

Lebensalltag und Lebensnormalität behinderter und pflegebedürftiger Menschen – so hat es unser CDUFraktionssprecher für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Kollege Norbert Post, in der ersten Lesung beschrieben – stehen im Mittelpunkt dieses Gesetzes.

Wir haben eine klare Definition, welche Einrichtung als Heim gilt und welche nicht. Die eine oder der andere in unserer Fraktion hätte sich eine noch deutlichere Grenze gewünscht, aber wir haben uns auf eine gemeinsam getragene Lösung verständigt.

Die Transparenz im Heimbetrieb wird größer. Die Träger kommen den Bewohnern und ihren Familien mit mehr Informationsmöglichkeiten entgegen, wenn ein Heim gesucht wird. Dazu gehört jetzt auch, dass die Zahl der in einem Heim erfolgenden Fixierungen veröffentlicht werden muss.

Wir haben die Entbürokratisierung dennoch so weit wie möglich vorangebracht, insbesondere dadurch, dass einmal durchgeführte Prüfungen und die dabei getroffenen Feststellungen ihren Wert für die nachfolgenden Prüfer nicht verlieren.

Die Menschen sollen sich im Heim zu Hause fühlen. Man fühlt sich aber nur dort zu Hause, wo Kommunikation stattfindet, wo man sich wohlfühlt und wo man nicht nur versorgt, sondern auch als Person und als Mensch angenommen wird.

Niemand darf durch den Umzug ins Heim sein Selbstbestimmungsrecht verlieren. Seine Wünsche müssen in Heimen im Mittelpunkt stehen. Das Leben dort soll soweit wie möglich dem gleichen, das man zu Hause geführt hat. Es gibt ein verbrieftes Recht auf Besuch, egal wann, wie oder durch wen ein Heimbewohner besucht werden möchte.