Protocol of the Session on October 23, 2008

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Horst Be- cker [GRÜNE]: So ist es!)

Zu meinen, das sei nicht aktuell, weil der Ministerpräsident dazu schon etwas im August gesagt habe, ist lächerlich. Das hat doch mit dem, was jetzt abläuft, nichts zu tun! Der Ministerpräsident hat im August dazu etwas gesagt. Wir haben gestern über die Finanzmarktkrise geredet. Jeden Tagen sind die Zeitungen mit den Auswirkungen auf die Realwirtschaft voll.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Derjenige, der nachliest und wissen will, welche Hoffnungen er sich aufgrund Ihrer Debattenbeiträge machen kann, findet nichts!

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Weihrauch!)

Er findet Weihrauch, aber nichts anderes. Darin wird nur gefeiert, was Sie in den ersten Jahren erreicht haben. Ein Teil dessen mag stimmen, aber Antworten auf bestehende Probleme gibt es nicht. Sie schwenken das Weihrauchfass, aber damit helfen Sie niemandem. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Wenn wir heute über Maßnahmen diskutieren, um ein weiteres Abrutschen in die Krise zu verhindern, dann muss es doch heute ganz wesentlich um die Frage gehen,

ob der Finanzminister wie sein Kollege in Bayern die Verantwortung für die finanzielle Krise insbesondere bei der WestLB übernimmt und endlich zurücktritt.

Die Zeitungen berichten heute, dass die WestLB möglicherweise als zweites deutsches Kreditinstitut nach der BayernLB das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch nimmt. Das „Handelsblatt“ berichtet in seiner heutigen Ausgabe: Offen blieb, ob der Grund für die Überlegungen zusätzliche Risiken sind, die bislang nicht durch den bestehenden 5 Milliarden € schweren Rettungsschirm abgedeckt sind.

Dies macht deutlich, dass vonseiten der Landesregierung und von Herrn Linssen nach wie vor nicht mit offenen Karten gespielt und über die Risiken nicht vollständig informiert wird. Deshalb fordere ich: Herr Linssen muss wie Herr Huber endlich zurücktreten und den Weg für einen Neuanfang freimachen. Gleichzeitig ist der Finanzminister nämlich auch der größte Mauerbauer gegen ein Investitions- und Konjunkturprogramm, was zum Beispiel vonseiten der CDU in Berlin …

(Minister Oliver Wittke: Mauerbauer waren Ih- re Freunde! Ihre Freunde waren die Mauer- bauer!)

Ich habe das Wort bewusst gewählt, weil Sie von der CDU hier die Mauerbauer sind.

Herr Glos als Wirtschaftsminister denkt längst über ein Konjunkturprogramm nach. Das hat man gestern auch hören und lesen können. Herr Linssen hat gesagt, man soll die Tassen im Schrank lassen. Offensichtlich hat die CDU in Nordrhein-Westfalen nicht mehr alle Tassen im Schrank; denn in Berlin ist man da schon ein ganzes Stück weiter.

Die Wirtschaftskonjunktur dreht in einen Abschwung. Die Regierung versucht, die Schuld über den großen Teich auf die von den USA ausgehende Finanzmarktkrise zu schieben. So bedrohlich dies für die deutsche Realwirtschaft ist und in der Zukunft noch werden kann, so wenig ist sie für den Abschwung verantwortlich; sie hat ihn aber massiv verstärkt. Die wirtschaftliche Talfahrt ist schon länger absehbar. Der Aufschwung der letzten Jahre war vor allem durch wachsende Investitionen angetrieben. Im zweiten Quartal 2008 waren diese zum ersten Mal rückläufig.

Wir brauchen ein groß angelegtes öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm auf Bundesebene, das auch in NRW umgesetzt und mit Landesmitteln ergänzt wird. Dieses Zukunftsinvestitionsprogramm ist mehr als eine kurzfristige Konjunkturspritze. Es ist ein wichtiger Beitrag, um die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen. Gerade weil die Finanzmarktkrise den konjunkturellen Abschwung in Deutschland massiv verstärkt, muss jetzt durch eine Stärkung der Binnennachfrage gegengesteuert werden. Alles anderes ist unverantwortlich.

Genau das ist Ihre Politik in Nordrhein-Westfalen: Sie ist unverantwortlich, sie ist nicht vorsorgend, sie ist nicht nachhaltig, sie sorgt nicht dafür, dass die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin Arbeit und Beschäftigung haben werden.

Vieles an der Arbeitsmarktbilanz ist sowieso gefälscht. Wir haben wesentlich mehr Arbeitslose, als in der Statistik ausgewiesen sind. Wir brauchen dieses Zukunftsinvestitionsprogramm dringender denn je. Ich hoffe, dass vom Landtag NordrheinWestfalen aus endlich Initiativen in diese Richtung ergriffen werden. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Pinkwart das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu der Debatte und zu den Einlassungen der Oppositionsredner dei Bemerkungen machen.

Erstens. Herr Priggen, Sie haben die gegenwärtige Finanzkrise als noch schlimmer als die Krise im Jahr 1929 bewertet. So haben Sie sich ausgedrückt.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das hat Herr Breuer heute gesagt!)

Sie haben das hier so vorgetragen,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Sie müssen aber auch zuhören, Herr Pinkwart!)

und dann haben Sie sich mit dieser Aussage offensichtlich auch identifiziert. Wenn dies Ihre Einschätzung der Lage ist, müssen Sie sich entgegenhalten lassen, dass von allen, die die Lage fachlich beurteilen, in den letzten Tagen außerordentlich positiv hervorgehoben worden ist

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Sie sind nicht in der Debatte!)

doch, ich bin in der Debatte –, wie in der vergangenen Woche der Deutsche Bundestag und der Bundesrat die Handlungsfähigkeit unseres föderalen Gemeinwesens in einer solch schwierigen Frage wie selten zuvor deutlich gemacht haben. Nicht nur die Bundesrepublik Deutschland als eine gefestigte Demokratie, sondern auch die Demokratien in Europa haben in dieser Lage in einer Weise agiert, die Sie eben nicht mit 1929 vergleichen können. Das ist eben der Unterschied: Die Demokratien funktionieren und können mit solchen Krisen umgehen.

Nur gewisse Parteien in diesen Demokratien sind offensichtlich nicht in der Lage, sich richtig zu verhalten, obwohl sie die schwerwiegenden Probleme erfassen. Es war Ihre Fraktion, die der Landesregierung mit auf den Weg in den Bundesrat gegeben

hat, dass wir uns nicht daran beteiligen sollten. Es war Ihre Fraktion im Deutschen Bundestag, die sich in dieser Stunde davongestohlen hat, obwohl Sie einmal Regierungsverantwortung getragen haben. Das ist doch die Wirklichkeit in unserem Land!

(Beifall von CDU und FDP)

Es waren Union, SPD und FDP, die in beiden Kammern Verantwortung dafür gezeigt haben, dass wir wieder Vertrauen herstellen

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

und für Rahmenbedingungen sorgen können, damit wir in dieser schwierigen Situation eben nicht dorthin kommen, wo Sie uns heute schon in unverantwortlicher Weise sehen.

Zweitens. Es wurde kritisiert, dass Herr Kollege Papke den für uns wichtigen Satz „Privat vor Staat“ vorgetragen hat. In Ihren Beiträgen kommt dann sofort die WestLB zu Wort.

(Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ich frage einmal: Wer trug denn Regierungsverantwortung, als es zur Abspaltung der landeseigenen Förderbank NRW.BANK von der WestLB ging? Am Ende blieb nur noch die privat tätige Geschäftsbank WestLB übrig, die Sie mit Macht als öffentlichrechtliche Bank aufrechterhalten wollten, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt im Hohen Hause Anträge gab, dies doch bitte den Privaten zu überlassen.

Seitdem sind unter Ihrer Regierungsverantwortung Milliardenverluste mit der Landesbank verzeichnet worden. Hätten Sie damals schon nach dem Grundsatz „Privat vor Staat“ gehandelt, hätten wir den Steuerzahlern diese Milliardenverluste und heutigen Milliardenrisiken längst ersparen können.

(Beifall von der FDP)

Das ist doch die Wahrheit in dieser Debatte.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Drittens. Sie fordern Zukunftsinvestitionsprogramme ein. Das finde ich ganz besonders bemerkenswert. Seitdem es die neue Landesregierung gibt, die für bessere Rahmenbedingungen sorgt und sich darum bemüht, dass Forschung und Technologie wieder einen Stellenwert haben, dass Planungssicherheit für Unternehmen wieder ein Thema ist, versuchen Unternehmen, die neues Vertrauen in den Standort Nordrhein-Westfalen gewonnen haben, Milliarden in den Kraftwerksbau zu investieren. Gerade die Grünen – Frau Höhn und andere – stellen sich aber gegen die Kraftwerksbauten, demonstrieren und sagen: Nein, die wollen wir hier auch nicht haben. – Sie verhindern Investitionen, die die Landesregierung in diesem Land möglich machen will!

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gleiche gilt für Folgendes: Es gibt Zigtausende Beschäftigte in der chemischen Industrie in Nord

rhein-Westfalen. Wir sind stolz darauf, sagen zu können: Wir sind das Chemie- und Pharmaland Nummer eins in Deutschland.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Als Sie noch Regierungsverantwortung in der Vorgängerregierung hatten, überlegten Sie zu Recht, dass Unternehmen der chemischen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen auch in eine notwendige Infrastrukturmaßnahme in Form einer CO-Pipeline investieren können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit am Standort zu erhalten. Sie haben sogar– was ich sehr begrüße – gemeinsam mit den Regierungsfraktionen, nachdem Sie in die Opposition gegangen sind, einstimmig beschlossen, dass ein entsprechendes Enteignungsverfahren durchgeführt werden kann. Das ist völlig richtig, um Vertrauen in den Standort zu sichern. Kaum gibt es die ersten Bürgerproteste, sind Sie es, die sich wieder aus der Verantwortung stehlen!

(Beifall von der CDU)

Und der ehemalige Ministerpräsident behauptet in seinem Wahlkreis auch noch: Diese CO-Pipeline brauchen wir hier gar nicht. – Ich frage Sie: Wie ernst nehmen Sie die Worte, die hier gesprochen werden, wenn Sie im Alltag draußen unterwegs sind? Werben Sie doch einmal für den Industrie- und Innovationsstandort Nordrhein-Westfalen! Das wäre das beste Konjunkturprogramm, was Sie für dieses Land machen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Römer das Wort.