Protocol of the Session on October 23, 2008

Das bedeutet: Wenn wir unsere ehrgeizigen klimapolitischen Ziele erreichen wollen, müssen wir im Netzausbau entscheidend vorankommen. Deshalb soll für Vorrangprojekte der Rechtsweg auf das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz verkürzt werden. Natürlich habe ich bei diesem Thema auch Bauchschmerzen, für diese Projekte den Rechtsweg auf eine Instanz zu verkürzen.

Auch die Länderkammer mahnt zur Zurückhaltung bei der Übertragung dieser Zuständigkeiten auf das Verwaltungsgericht. Es handelt sich jedoch um dringende, der Versorgungssicherheit dienende Projekte. Worum geht es? Es geht um 24 Leitungsbauvorhaben, die dringend notwendig sind, um die Versorgungssicherheit in Deutschland langfristig zu gewährleisten. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in erster Instanz muss eine Ausnahme bleiben. Aber ich glaube, in diesem Fall ist sie notwendig.

Weiterhin soll für Leitungen zur Netzanbindung von Offshore-Windkraft ein Planfeststellungsverfahren eingeführt werden. Diese Maßnahmen sind eine

wesentliche Voraussetzung, um die mit dem Gesetz angestrebte und notwendige Beschleunigungswirkung tatsächlich zu erreichen. Ein weiterer zentraler Punkt, den die Bundesregierung vorschlägt, ist die Festlegung von vier Pilotvorhaben, die auch wir unterstützen, in denen es teilweise um den Einsatz von Erdkabeln geht und der Einsatz von Erdkabeln getestet werden soll.

Diese vier Pilotprojekte sind so ausgewählt, dass sie die Trassenverläufe mit den größten lokalen Widerständen beispielsweise wegen der Querung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten oder Gebiete mit besonders geringen Altbeständen zur Wohnbebauung abbilden.

Auch ich bin ein Freund der Erdverkabelung, aber wir müssen im Zusammenhang mit der Erdverkabelung bei drei Punkten zur Vorsicht mahnen. Über die sollten wir dann im Ausschuss noch einmal intensiv diskutieren.

Erstens sollten wir sicher sein, dass der Einsatz von Erdkabeln wirklich zur Beschleunigung des Verfahrens durch Abbau regionaler Widerstände führt.

Zweitens. Nach allem, was ich bisher über Erdkabel weiß, sind sie – das ist eben schon erwähnt worden – auf der Höchstspannungsebene mindestens drei- bis viermal so teuer wie Freileitungen. Wir bürden den Stromkunden und insbesondere den Großverbrauchern über die Umlage der höheren Kosten, über steigende Netzentgelte eine Strompreiserhöhung auf, die nur dann zu rechtfertigen ist, wenn wir einen wirklichen zeitlichen, technischen und umweltrelevanten Mehrwert im Vergleich zu Freileitungen schaffen.

Drittens. Dieser Punkt ist die technische Gleichwertigkeit von Freileitungen und Erdkabeln. Freileitungen sind seit Jahrzehnten bei Höchstspannungsleitungen Stand der Technik. Bei Erdkabeln dagegen gibt es, bezogen auf die Nutzung als Wechselstromleitung auf Höchstspannungsebene an Land, bisher nur wenige internationale Erfahrungen, auf die wir zurückgreifen können.

Bevor wir endgültig die gewünschte Teilverkabelung von Höchstspannungstrassen mit Erdkabeln zulassen, müssen wir sicher sein, dass die eingesetzte Technologie auch ausgereift ist. Außerdem hat der Bundesrat Ende September die Vorlage der Bundesregierung in diesem Punkt zum Ausbaugesetz in erster Lesung bereits passieren lassen, ohne in seiner Stellungnahme eine Nachbesserung, wie die Grünen sie aufstellen, einzufordern. Die Chance scheint vertan. Allenfalls der Bundestag könnte eine solche Regelung noch beschließen.

Ich plädiere daher im ersten Schritt für ein umfangreiches Monitoring der Pilotprojekte; denn es wäre ein Pyrrhussieg, wenn der Einsatz von Erdkabeln im Nachhinein gar keine Beschleunigung erreichte und sich obendrein als teurer und anfälliger entpuppte. Ich glaube, wir sollten dies in den Beratungen der kommenden Wochen genau unter die Lupe neh

men. Ich freue mich auf die intensiven Beratungen im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Kollege Leuchtenberg. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Brockes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute debattieren wir bereits zum zweiten Mal einen Antrag aus dem Energiekostenerhöhungsprogramm der Fraktion der Grünen.

(Beifall von der FDP)

So langsam kann man den Eindruck bekommen, dass jeder Antrag der Grünen aus dem Themenbereich Energie nur ein einziges Ziel hat, nämlich die Kosten für Strom und Energie in unbezahlbare Höhe zu treiben.

(Ralf Witzel [FDP]: Nicht nur in der Energie- politik!)

Das, meine Damen und Herren, ist auch logisch; denn die Grünen verfolgen ein Ziel: Irgendwann soll auch der Strom aus der Fotovoltaik wettbewerbsfähig sein, meine Damen und Herren, und deshalb muss der Strompreis natürlich ins Exorbitante steigen.

Aber kommen wir zum Antrag! Der Antrag impliziert, dass wir eine Erdverkabelung prinzipiell ablehnen würden. Meine Damen und Herren, das ist falsch. Aber wir wollen kein Gesetz, das prinzipiell vorschreibt, wann eine solche Erdverkabelung vorgenommen werden muss. Dies muss im Einzelfall durch eine genaue Abwägung verschiedener Interessen entschieden werden. Einen grundsätzlichen Zwang zur Erdverkabelung wäre lediglich ein staatliches Strompreiserhöhungsprogramm.

(Beifall von der FDP)

Allein durch den Bau der Leitungen entstehen im Vergleich zu normalen Freileitungen Mehrkosten von mehr als 60 %. Das hat die E.ON Netz AG bei einer Anhörung im Niedersächsischen Landtag sehr deutlich gesagt. Zusätzlich sind die Übertragungskapazitäten von Erdkabeln um etwa 50 % eingeschränkt und die Verluste der Kabel sind im Vergleich zu Freileitungen enorm hoch.

Hinzu kommen die Probleme bei der Wartung oder Reparatur von Erdkabeln. Diese wären viel aufwendiger. Die Ausfallzeiten der Kabel wären dadurch größer und insgesamt entstünden Mehrkosten in Milliardenhöhe.

Meine Damen und Herren, die E.ON Netz AG war übrigens nicht gegen ein solches Gesetz in Niedersachsen. Das ist unter den rechtlichen Umständen ganz klar; denn die Mehrkosten würde nicht die E.ON Netz AG tragen, die Mehrkosten würden sie

auf den Strompreis aufschlagen, und der Betreiber bekäme eine hohe Akzeptanz für den Bau von Leitungen, die Zeche aber, meine Damen und Herren, würden Sie als Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen.

(Beifall von FDP und CDU)

Ein weiterer Themenkreis, den die Grünen völlig ausblenden, der aber gerade für die angebliche Umweltpartei im Mittepunkt stehen müsste, ist die Frage des Eingriffs in die Natur und die des Flächenverbrauchs. Eine solche Trasse muss etwa 15 m breit sein; beim Bau dürfte ein noch größeres Areal benötigt werden. Dazu kommt, dass ein Übergangsbauwerk, an dem die Leitung von der Luft in die Erde geht, etwa 2.500 bis 4.500 m² einnimmt. Meine Damen und Herren, alles das sollte man nicht außer Acht lassen.

Aufgrund der vorgetragenen Argumente sehen wir keinen Nutzen in einem generellen Erdkabelzwang, zumal die Technik noch nicht voll ausgereift und den Freileitungen weit unterlegen ist.

Wie schon angemerkt, es geht nicht um eine generelle Ablehnung von Erdkabeln oder darum, dass wir Kosten höher werten als Anwohnerschutz. Diesen Vorwurf aus dem Antrag weise ich deshalb entschieden zurück. Es geht aber darum, dass wir mit Augenmaß Einzelfallentscheidungen anstreben müssen. Denn was die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft jetzt als Letztes brauchen, sind – zusätzlich zu der Preistreiberei durch Energiesteuern und Energiesubventionen – weitere Preissteigerungen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Jetzt hat Frau Ministerin Thoben für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschrift beinhaltet, Nordrhein-Westfalen wolle die Erdverkabelung verhindern. Ich weiß nicht, woher Sie das nehmen. Sie möchten die Erdverkabelung verpflichtend machen bei bestimmten Abständen der Leitungstrassen zur Wohnbebauung. Übrigens: Was Niedersachsen vorhat, soll Leitungen ab 100 kV betreffen. Das, was auf Bundesebene gesetzlich geregelt wird, sind Höchstspannungsleitungen.

Sie haben auch Sorge, dass die Beschränkung des Rechtschutzes auf eine Instanz nachteilig sei. Man muss sich darüber klar sein, dass es ein dringendes Bedürfnis nach Ausbau des Hochspannungsnetzweges aufgrund des Zuwachses bei erneuerbaren Energien gibt, insbesondere bei der Windkraft im Norden. Es werden neue konventionelle Kraftwerke

errichtet, und es gibt einen zunehmenden – das ist gewollt – grenzüberschreitenden Stromhandel.

Auf der anderen Seite, Herr Priggen, gibt es eine abnehmende Akzeptanz für Freileitungsbau. Ein Beispiel: Bei der Leitung Diele – Wesel geht es um den Ausbau einer vorhandenen 220-kVHochspannungsleitung aus dem Jahr 1928 auf die 380-kV-Ebene, größtenteils im vorhandenen Trassenraum.

Gleichwohl gibt es inzwischen einige Bürgerinitiativen. Die Forderung von Anwohnern nach Erdverkabelung in großem Stil scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass die Menschen glauben, dass sie damit eine andere Form von Sicherheit oder etwas anderes verbinden. Wir müssen uns aber doch klar darüber sein, dass es mit erdverlegten Höchstspannungsleitungen nur sehr geringe Betriebserfahrungen gibt. International gibt es nur wenige, seit einigen Jahren bestehende Leitungsverbindungen. Es gibt keine Erfahrungen mit vermaschten Netzen aus Erdkabeln. Das fordern Sie aber mit Ihrem Antrag implizit.

Außerdem ist die Übertragungskapazität von Kabelsystemen nur etwa halb so hoch wie von Freileitungen. Deshalb braucht man mehrere Leitungen auf einer entsprechenden Trassenbreite. Wir sprechen von 20 bis 25 Metern. Darüber hinaus gibt es eine Einschränkung der Trassennutzung im Hinblick auf Zugänglichkeit und Schutz des Kabels, längere Ausfallzeiten bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten.

Ihnen dürfte auch bekannt sein, dass die maximale Leitungslänge derzeit etwa 1.000 Meter beträgt. Das heißt: In regelmäßigen Abständen müssen Muffen mit sicherheitstechnisch besonderen Anforderungen eingebaut werden.

Meine Damen und Herren, eine abschnittsweise Verkabelung erfordert häufige Übergangsstellen zwischen Freileitungen und Kabeln, die zusätzliche Störstellen bilden.

Außerdem gibt es erhebliche Umwelteingriffe in der Errichtungs- und Betriebsphase. Ein Arbeitsstreifen in der Errichtungsphase, der anschließend kultiviert werden muss, wird breiter sein als die Leitungstrasse. Erderwärmung des Bodens im Bereich der Trasse ist möglich. Die Ökosysteme im Nahbereich werden mutmaßlich verändert.

Ein zusätzlicher Anwohnerschutz ist damit nicht verbunden. Herr Weisbrich hat bereits ausgeführt, dass die Grenzwerte der 26. BImSch-Verordnung sowohl für Freileitungen als auch für Erdkabel gelten. Gesundheitliche Auswirkungen bei Einhaltung dieser Grenzwerte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten.

Meine Damen und Herren, außerdem sind Erdverkabelungen um mehrere Größenordnungen teurer als entsprechende Freileitungen. Die Auswirkungen auf die Strompreise sind augenfällig. Daher gibt es

eine Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates mit Unterstützung Nordrhein-Westfalens, die Verkabelungsregelung im Entwurf zu streichen. Das bedeutet jedoch keine grundsätzliche Ablehnung der Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen.

Wir haben deshalb im Plenum des Bundesrates einen Antrag gestellt, der die Beschränkung von Erdverkabelung auf das notwendige Maß zum Inhalt hat, wenn das im Einzelfall aus sicherheitlichen oder umweltbezogenen Gründen notwendig ist. Es gibt also keine Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen in siedlungsnahen Bereichen als Regelfall ohne eine weitere Prüfung der Erforderlichkeit.

Meine Damen und Herren, Transparenz ist nötig, aber wir müssen auch darüber reden, dass die Belastungen auf ein erforderliches Maß begrenzt werden und die Menschen dann – so unsere Hoffnung – solche Maßnahmen akzeptieren.

Eine Beschränkung des Rechtschutzes auf eine Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht folgt Vorbildern aus der Infrastrukturausbaugesetzgebung der vergangenen Jahre. Bei Zuständigkeit von Länderoberverwaltungsgerichten droht eine Zersplitterung der Rechtsprechung ohne Korrektiv in der Revisionsinstanz.

Meine Damen und Herren, unsere größte Sorge ist: Mal wieder ein Allheilmittel mit bewusster Hinnahme erheblicher Strompreissteigerungen, ohne dass die Erforderlichkeit im Einzelfall nachgewiesen wird! Wir glauben nicht, dass das für die Akzeptanz des Netzausbaus förderlich ist, erst recht nicht für den Ausbau der erneuerbaren Energien, soweit der Netzausbau durch sie veranlasst wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat noch einmal Herr Priggen um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Ich will eines noch einmal ganz klar festhalten: Wir haben nicht mehr und nicht weniger als das gefordert, was der CDU-Ministerpräsident Wulff in Niedersachsen mit einer CDU/FDP-Regierung macht.

(Beifall von den GRÜNEN)