Die Fachhochschulreife, die an Oberstufen erworben wird – ganz unabhängig davon, dass die Erfolgsquote derer, die das Abitur als Ziel des Bildungsgangs nicht schaffen, bei der Fachhochschulreife an Gymnasialoberstufen im Vergleich zu Gesamtschuloberstufen doppelt so hoch ist –, ist nur für die Schüler wertvoll, die danach auch die Fachhochschule besuchen. Das ist aber maximal ein Viertel.
Drei Viertel gehen danach, wie Sie selber zu Recht sagen, in duale Ausbildungsgänge und erwerben im Normalfall die Fachhochschulreife durch den Besuch des Berufskollegs ohnehin ausbildungsbegleitend. Sie haben nur vorher zwei Jahre länger eine Warteschleife gedreht,
ohne eine einzige Berechtigung, ohne einen einzigen Abschluss am Ende ihres Ausbildungswegs mehr in der Tasche zu haben.
Herr Witzel, könnten Sie bitte in kurzen Sätzen dem erstaunten und entsetzten Publikum den Unterschied zwischen einem Vordiplom und einem Abschluss verdeutlichen, der zu einem Besuch der Fachhochschule berechtigt? Ich glaube, dieser Vergleich war nun alles andere als zutreffend.
Herr Große Brömer, ich kann Ihnen die bildliche Analogie gerne verdeutlichen. Es gibt für Bildungsgänge Ziele, die regulär am Ende eines Bildungsgangs stehen. Unterhalb des Abschlussziels eines Bildungsgangs gibt es möglicherweise bei einigen Bildungsgängen teilweise Berechtigungen und Zertifikate, die unterhalb des eigentlichen Abschlussziels von Bildungsgängen erworben werden können.
Deshalb sage ich, Herr Große Brömer: Es kann denjenigen, der in einen Studiengang eintritt, den er nicht mit dem vorgesehenen Abschluss abschließt, sondern auf einer darunterliegenden Schwelle mit teilweisen Berechtigungen, nicht befriedigen. Genauso wenig kann es für uns befriedigend sein, wenn nahezu jeder zweite Schüler, der in die Gesamtschuloberstufe eintritt, die die allgemeine Hochschulreife zum Ziel hat, diese drei Jahre später nicht erreicht. Das sind nun einmal die amtlichen Schuldaten und nicht irgendwelche nichtrepräsentativen Befragungen von 10 % der Schulen.
Sie wissen genau, Herr Große Brömer, dass für die Fachhochschulreife keine zentrale Prüfung stattfindet, wie es bei der allgemeinen Hochschulreife der Fall ist; selbst bei der 10er-Prüfung gibt es das zentrale Prüfungselement. Wenn Teilqualifikationen vergeben werden und wenn für den Verbleib in der Gesamtschuloberstufe bis zum Ende der Klasse 12 die Fachhochschulreife verliehen wird, ist das für einige besser, als nichts in der Tasche zu haben.
Aber dann ist das eigentliche Ziel des Bildungsganges nicht erreicht! Für mich als Bildungspolitiker besteht eine nachvollziehbare Verantwortung, entsprechend nachzusteuern und zu schauen, wie wir Qualitätsprobleme in den Griff bekommen.
Deshalb müssen Sie, Herr Große Brömer, die SPD und die Grünen eine Glaubwürdigkeitsfrage beantworten. Sie werben bei jeder bildungspolitischen Debatte für Einheitssysteme. Sie sagen, es sei ineffizient, ein differenziertes Angebot zu machen. Mit dieser Begründung wollen Sie, zumal Kinder sehr unterschiedlich in ihren Anlagen und Begabungen sind, nach dem Übertritt aus der Grundschule ins weiterführende System ein Einheitssystem. Da wollen Sie Differenzierung und gegliederte Strukturen abschaffen.
Aber an der Stelle, wo auf dem Papier identisch konzipierte Bildungsgänge stehen, die sich in allen Punkten der Prüfungsordnung materiell-rechtlich überhaupt nicht unterscheiden, spielen Sie sich als Gralshüter der Gesamtschuloberstufen auf? – Diese Logik müssen Sie den Menschen erklären! Wo Unterschiedliches besteht, wollen Sie es schleifen, aber wo es materiell-rechtlich Identisches gibt, halten Sie eine Differenzierung für unbedingt notwendig? Dafür können Sie kein sachliches Argument nennen!
Nicht ohne Grund hat heute Morgen Frau Steffens von den Grünen an diesem Rednerpult gestanden und ausgeführt, wie es ihrem Sohn am Gymnasium gehe. Nicht ohne Grund schickt die SPD
Für Sie ist aus Ihrer Sicht die Gesamtschule immer die beste Schule – aber nicht für die eigenen Kinder. Aus dieser Glaubwürdigkeitsfalle müssen Sie heraus!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Witzel, wenn es mit der Logik und der Glaubwürdigkeit so einfach wäre, wünschte ich mir, dass alle, die die Hauptschule in ihren Reden so hoch schätzen, ihre Kinder an der Hauptschule anmelden und sie dort zu Schule gehen lassen.
(Heiterkeit und lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von der CDU: Das ist Quatsch! – Weitere Zurufe von CDU und FDP)
Dabei relativiert sich manches. – Die Schule, von der wir Grünen träumen und für die wir arbeiten, gibt es als Angebotsschule überhaupt noch nicht in diesem Land.
Zurück zum Antrag! Worum geht es heute? Es bestand eine Verunsicherung über die Zukunft der Gesamtschulen und der gymnasialen Oberstufen in Nordrhein-Westfalen.
Ich stelle fest: Diese Verunsicherung ist durch die heutige Debatte seitens der Regierungskoalition nicht entkräftet worden.
Es geht darum – deswegen begründe ich den Geschäftsordnungsantrag für unsere Fraktion –, heute Klarheit zu schaffen. Können die Menschen auf die wortreichen Erklärungen und Bekenntnisse zur Gesamtschule und zur Oberstufe der Gesamtschulen vertrauen?
Ich behaupte: Die Menschen können das nicht. Ansonsten hätten Sie wenigstens das, worüber Sie vermeintlich einig sind, zu Papier bringen können. Sie hätten einen Entschließungsantrag formulieren können, aus dem hervorgeht, worüber Sie angeblich einig sind,
nämlich dass die Gesamtschuloberstufen eine Perspektive in Nordrhein-Westfalen haben. Das haben Sie aber nicht getan!
Sie haben nicht einmal in einem Entschließungsantrag festgestellt, worauf die Menschen in NordrheinWestfalen und insbesondere die Beteiligten an den Gesamtschulen warten!
Entgegen Ihrer Meinung haben die Menschen an den Gesamtschulen, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer und auch die Schülerinnen und Schüler ein gutes Bildungsniveau, um Ihr Abstimmungsverhalten einschätzen zu können.
Deswegen müssen Sie heute Farbe bekennen. Deswegen muss jeder Wahlkreisabgeordnete der CDU Farbe bekennen, ob das stimmt, was er zu Hause erzählt, und ob er bereit ist, dafür hier heute die Hand zu heben.
Wenn es nicht darauf ankommt, Dinge durch Abstimmungen im Landtag zu dokumentieren, könnten wir, lieber Herr Hollstein, die Abstimmungen abschaffen. So weit wären wir dann!
Wenn es reichte, auf Ihren Wortbeitrag oder auf den Wortbeitrag der Ministerin zu hören, könnten wir den Parlamentarismus und das Abstimmen sein lassen.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, beantrage ich getrennte Abstimmung über den folgenden Satz. Da Sie sich an dem einen oder anderen Aspekt im Antragstext stoßen, wollen wir es Ihnen ganz leicht machen, dem entscheidenden Satz zuzustimmen, den Herr Hollstein eben genannt hat. Sie finden ihn am Ende des Antrags auf Seite 3: