Protocol of the Session on October 26, 2005

- Herr Kollege Linssen, da lässt sich niemand ins Bockshorn jagen. Dieses Unternehmen Bau- und Liegenschaftsbetrieb hat einen Unternehmenswert von 8 oder 9 Milliarden €; da spare ich mir jetzt eine genaue Differenzierung. Und dieses Unternehmen ist in der Lage, durch Verkäufe entsprechende Gewinne zu erzielen. Sie müssen nicht so tun, als ob ausschließlich Schulden aufgenommen worden wären, ohne dass dem ein Unternehmenswert gegenüberstehen würde. Diese Summe will ich hier auch gerne für das Protokoll nennen.

(Beifall von der SPD)

Das hat nichts mit einer Schlussbilanz von RotGrün zu tun. Es hat nur damit zu tun, dass Sie Kapital zuführen, es dort parken und eine Spardose anlegen, die Sie später zurückholen.

Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von Punkten, die ich mir aufgrund der Zeit leider verkneifen muss, die wir uns allerdings sicherlich in der Diskussion im Haushalts- und Finanzausschuss in den nächsten beiden Runden vornehmen; wir werden ja auch noch eine weitere Lesung haben. Ich sage Ihnen nur: Willkürliche Mehrausgaben ohne Einsparbemühungen, die ausschließlich zu neuen Schulden führen, werden wir nicht akzeptieren.

Lassen Sie mich zum Schluss den Kollegen Klein zitieren, der eine schöne Pressemitteilung herausgegeben hat. Er sagte, die SPD-Finanzpolitik laufe nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto ab:

„Ich baue mir die Welt, wie sie mir gefällt!“

Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. - Nun hat Kollege Klein Gelegenheit, sich selbst zu zitieren. Er hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Frau Kollegin Walsken dankbar, dass sie den passenden Einstieg in meinen Beitrag geleistet hat. Denn in der Tat muss die Pippi-Langstrumpf-Welt der alten Landesregierung endlich zu einem Ende kommen und muss der Haushalt die finanzpolitische Wirklichkeit unseres Landes abbilden.

(Beifall von der CDU)

Insofern ist es ganz interessant zu beobachten, wie kreativ hier mit dem Wort „seriös“ umgegangen worden ist.

(Zurufe von der SPD)

- Das scheint schon für Erheiterung zu sorgen. Aber ich denke, es ist ein ganz ernstes Thema; denn die Zeit dieses systematischen Schönrechnens der Vergangenheit und dieser Schattenhaushalte, die sich dem Tageslicht des Haushaltes des Landes Nordrhein-Westfalen entzogen haben, muss zu Ende sein. Deswegen finde ich, dass wir ein schönes Etikett auf diesen zweiten Nachtragshaushaltsplan für 2005 heften sollten, nämlich das Etikett „Projekt Tageslicht“.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ist das jetzt der Werbeblock oder was?)

Wir müssen vieles von dem ans Tageslicht zurückholen, was in der Vergangenheit davor versteckt oder falsch eingeschätzt worden ist. Dass dafür erhebliche Korrekturen am bisherigen Haushaltsplan erforderlich sind, ist gar nicht verwunderlich; denn es hat in der Vergangenheit genug Stimmen gegeben, die darauf hingewiesen haben. Dies reichte bis hin zum Verfassungsgerichtshof des Landes, der - dies wurde eben schon zitiert - am 2. September 2003 deutliche Worte gefunden hat.

Der Bund der Steuerzahler hat uns in einem Schreiben vom 20. Januar dieses Jahres einiges mit auf den Weg gegeben, was aber auch damals noch nicht die Landesregierung zur Korrektur oder zum Handeln veranlasst hat. Die Expertenkommission, die ihren Bericht gestern vorgelegt hat, hat noch einmal deutlich unterstrichen, wie ernst die finanzielle Lage unseres Landes ist, und wir als CDU-Fraktion haben anhand vieler ganz kon

kreter Fälle in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Haushaltsansätze so nicht in Ordnung sind. Nichts hat die alte Regierung davon abgehalten, das strukturelle Defizit weiterhin schön- und kleinzureden.

(Beifall von der CDU)

Heute las ich in der Zeitung eine Aussage von Frau Kraft:

„Schon die alte Landesregierung hat auf die dramatische Finanzlage hingewiesen.“

Ja, das haben Sie gesagt, aber mehr auch nicht. Sie haben überhaupt nicht gehandelt, und deswegen sind Sie abgewählt worden.

(Beifall von der CDU - Zurufe von der SPD)

Heute können wir dem Haushalt ansehen, dass in der Tat überhaupt nichts gelernt oder geändert worden ist. Im Haushalt 2005, wie er bis heute gilt, gibt es genau 39,6 Millionen € mehr Investitionen als neue Schulden. Der Abstand von der Verfassungsgrenze des Art. 83 unserer Landesverfassung beträgt genau 39,6 Millionen €, und das trotz der im Grunde relativ fragwürdigen investiven Verbuchung des dicken Batzens WestLB-Kapital; wir kennen das. Aber selbst diese 39,6 Millionen € sind nicht so, weil sie in der Summe so sind, sondern weil sie so hingebogen wurden.

Ich will ein paar Punkte herausgreifen und deutlich machen, wie gearbeitet werden musste, um diesen Abstand zur Verfassungsgrenze überhaupt aufrechtzuerhalten.

Punkt 1: Kostenerstattung an Gemeinden wegen geduldeter ausländischer Flüchtlinge. Liebe alte Landesregierung und die Sie getragen habenden Parteien, Sie wussten doch ganz genau, dass in den Landeshaushalt 2005 etwas eingestellt werden musste. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am 12. Oktober 2004 festgestellt, dass es rechtswidrige Entscheidungen des Landes gab und dass dadurch entsprechende Erstattungsansprüche ausgelöst worden sind.

Wir haben uns in einer Kleinen Anfrage mit diesem Sachverhalt beschäftigt und am 8. Dezember des vergangenen Jahres darauf hingewiesen, dass dreistellige Millionenbeträge erwartet werden. Nichts ist in den Landeshaushalt eingestellt worden. Es konnte nichts eingestellt werden, weil die Verfassungsgrenze sonst gerissen worden wäre.

(Beifall von der CDU)

Punkt 2 - Frau Kraft sollte vielleicht da bleiben -: Studiengebühren.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Ja, bitte!)

Liebe Frau Kraft, dass Sie mit dem Geld nicht so gut umgehen können, haben Sie als frühere Ministerin hinlänglich unter Beweis gestellt. Studiengebühren, erster Versuch: Im Haushaltsjahr 2004 wurden 90 Millionen € Einnahmen aus Studiengebühren angesetzt. Was ist passiert? - Sie haben sich drastisch um 45 Millionen € verschätzt. Ganz abgesehen davon war das Studienkontenfinanzierungsgesetz handwerklich schlecht. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seinem Beschluss vom 11. März sogar festgestellt, dass die Rechtsverordnung zum Studienkontenfinanzierungsgesetz so verwickelt formuliert sei, dass sie unverständlich sei und deswegen nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot eines Mindestmaßes an Normenklarheit entspreche.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wir haben nach bei- den Urteilen gewonnen!)

- Liebe Frau Kraft, Ihre eigene Verordnung verstieß gegen die Verfassung.

(Zurufe von der SPD)

Ich komme zum zweiten Versuch: Im Haushaltsjahr 2005 ist das mit den 90 Millionen € für Studiengebühren hineingerettet worden. Das Thema ist im Haushalts- und Finanzausschuss bereits im November des letzten Jahres kontrovers und nachfragend diskutiert worden. Dort gab es Bedenken. Sie haben noch am 23. Februar hier im Plenum gesagt, das mit dem Geld sei Ihnen mehr oder weniger egal, es gehe Ihnen nur um die Sache. Wer so argumentiert, braucht sich nicht zu wundern, dass er sich verschätzt hat.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Auch diese Einnahmen wurden wieder bewusst zu hoch angesetzt,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Beschiss!)

meine Damen und Herren, um die Verfassungsgrenze auf dem Papier einhalten zu können. Diese Beträge sind ja noch übersichtlich, haben aber bei weitem nicht ausgereicht. Deswegen die Operation mit der Beteiligungsverwaltungsgesellschaft: Sie haben schwer verkäufliche Landesbeteiligungen verkauft, an die landeseigene Beteiligungsverwaltungsgesellschaft weitergeschoben, das Geld dafür bezahlt bekommen, in den Haushalt eingestellt und die Schulden bei der BVG aufgenommen. Die Schulden im Schatten der

BVG aufzunehmen ist unseriös. Das gehört zurück ans Tageslicht.

(Beifall von der CDU)

Genau so ist es uns beim BLB ergangen. Hier hat sich der Bund der Steuerzahler vor zwei Wochen in der „Welt am Sonntag“ zu unserer Korrekturoperation zitieren lassen. Er hat gesagt: Das Bild wird ehrlicher. - Meine Damen und Herren, in der Tat: Das Bild wird ehrlicher, es wird korrigiert.

Nicht nur Schulden werden aus dem Schatten in den Haushalt zurücktransferiert, Sie haben auch Ausgaben verursacht, die nicht aufgenommen worden sind. Eben wurde schon kurz auf die Krankenhausinvestitionen hingewiesen. Es wurde mehr zugesagt, als im Haushaltsplan 2005 dieses Landes ermächtigt. Wenn das schon so ist, wird es richtig grotesk zu fordern, die neue Landesregierung müsse mit dem Nachtragshaushaltsplan in die Sanierung einsteigen. Das ist Unsinn. Die 7,4 Milliarden €, die an Neuverschuldung im endgültigen Haushalt 2005 stehen, sind Schulden der alten Landesregierung.

(Beifall von der CDU)

Der Nachtragshaushaltsplan ist das „Projekt Tageslicht“. Diesem wird aber das „Projekt Sanierung“ folgen müssen. Wir werden mit dem „Projekt Sanierung“ mit dem Landeshaushalt 2006 beginnen müssen. Dabei ist es wenig hilfreich, liebe Frau Kollegin Walsken, wenn Sie der begeisterten, aber auch äußerst ungläubig Beifall spendenden Deutschen Steuergewerkschaft in Münster sagen: Das mit den Sonderzuwendungen und dem Weihnachtsgeld könnte auch wieder auf den alten Stand gebracht werden. - Wer das heute noch sagt, hat den Knall nicht gehört. Es ist unseriös, so mit den Planungen für das nächste Jahr umzugehen.

(Beifall von der CDU - Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Vielleicht wollen Sie Ihre schlechte Presse von heute Morgen korrigieren; aber ich meine, das ist ein Thema, das nicht hierhin gehört.

(Gisela Walsken [SPD]: Vorsichtig! Das schüchtert mich nicht ein!)

Wenn wir jetzt nicht den Haushalt sanieren, meine Damen und Herren, treffen wir insbesondere die sozial Schwachen; denn sie sind davon abhängig, dass wir auch in Zukunft noch einen handlungsfähigen starken Staat haben, der seine Aufgabe erfüllen kann. Diejenigen, die weniger schwach sind, haben eigene Ausweichstrategien. Sie brauchen weniger einen handlungsfähigen Staat als

die Schwachen. Deswegen ist es sozial ausgewogen, wenn wir das „Projekt Sanierung“ mit dem Haushalt 2006 starten.

Im Interesse dieser Menschen und unserer Zukunft müssen wir diesen Weg gehen. Im Interesse unserer Kinder und Enkelkinder müssen wir endlich in einen Kurs der Konsolidierung für unser Land einsteigen. Ich bin ausgesprochen froh, dass Finanzminister Helmut Linssen und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers diesen Weg gehen wollen. Ich kann für die Koalitionsfraktionen voll und ganz zusagen, dass sich beide in diesem Hause an dieser Stelle auf uns verlassen können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.