Ich glaube, wir alle sind uns heute einig, dass es ein großer Fehler war, die Angebote der Jugendarbeit im Frühjahr zwei Monate komplett zu streichen. Aber wo ist jetzt das Sonderprogramm, damit die „Generation Corona“ nicht in der Sackgasse landet? Ob Ausbildungsplatz- oder Praktikumssuche, Gewalt in der Familie oder einfach nur das viele Alleinsein - für alles das gibt es derzeit von dieser Regierung nur ein Schulterzucken.
Meine Damen und Herren, wo sind eigentlich Ihre Anstrengungen für die Rechte von LSBTIQ? Die zusätzlichen 15 000 Euro sind doch angesichts der gestrichenen Million der letzten Jahre nicht mal ein Trostpflaster. Wir wollen das korrigieren! Sie können das heute mit uns tun!
Grund zur Sorge gibt übrigens auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen. Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe ist in Niedersachsen um 11,7 % gestiegen. Alle Inklusionserfolge der letzten Jahre sind mit einem Schlag weg. Auch hier wäre mehr Engagement dringend notwendig.
Mit Blick auf die Lage in den Notunterkünften müssten wir jetzt für Obdachlose beherzt neue Projekte starten, wie das z. B. in Hannover mit der Unterbringung in Jugendherbergen geschehen ist. Doch ausgerechnet zu Winterbeginn ist das Land aus der Finanzierung ausgestiegen, und landesweit ist kein neues Projekt in Sicht. Das ist deutlich zu wenig.
Und obwohl allen klar ist, dass Corona auch die Suchtproblematik verschärfen wird, gab es zunächst die Ankündigung, auch in diesem Bereich zu kürzen. Das ist inzwischen kassiert worden. Aber Sie wissen auch, wir bräuchten einen Aufwuchs. Auch hier könnten Sie uns einfach unterstützen. Dann hätten wir deutlich mehr Angebote.
Meine Damen und Herren, Frau Menge hat es schon erwähnt: Man kann in diesen Zeiten nicht bei der Flüchtlingshilfe kürzen. Integration ist ein Dauerlauf. Wie man eine Enquetekommission Ehrenamt einrichten kann, wenn die Mittel für die
Dieser Haushalt ist sozialpolitisch ambitionslos. Er verwaltet nur die Missstände. Er hat für die besonders betroffenen Gruppen keine Antwort. So kommt man vielleicht durch die Corona-Krise, aber nicht durch die soziale. Diese Regierung hat sich offensichtlich entschieden: Gehorsam gegenüber dem Finanzminister, kalte Schulter für die Armen und Schwachen. Meine Damen und Herren, das ist sozialpolitisch ein Fehler.
Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Ebenfalls für Bündnis 90/Die Grünen macht sich schon Frau Kollegin Meta Janssen-Kucz auf den Weg. Sie ist jetzt an der Reihe. Bitte, Frau Kollegin! Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich dem dicken Dankeschön meines Kollegen anschließen und nicht noch einmal alle aufzählen. So, wie die Haushaltsberatungen und die Zuarbeit in diesen wirklich schwierigen Zeiten gelaufen sind, ist das nicht selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, die Haushaltsberatungen haben sich in diesem Jahr wirklich fundamental verändert. Aber nicht nur die Beratungen haben sich verändert, sondern auch die Relevanz von gesundheits- und pflegepolitischen Themen hat einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Die Corona-Pandemie stellt das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen, zeigt aber schonungslos die Schwachstellen und damit auch die Versäumnisse der rot-schwarzen Landesregierung auf.
Nehmen wir einmal den öffentlichen Gesundheitsdienst. Bisher ein Stiefkind auf allen politischen Ebenen. Mittlerweile ist der ÖGD zwar der wich
tigste Player im Gesundheitswesen, aber er ist nicht dafür ausgestattet. Seit dem Entschließungsantrag der GroKo im Jahr 2018 ist außer der Erarbeitung eines Leitbildes für den ÖGD nichts passiert. Es gibt immer noch keinen Lehrstuhl für den öffentlichen Gesundheitsdienst, und die Bezahlung insbesondere der dortigen Ärztinnen und Ärzte ist vergleichsweise schlecht, auch wenn bei den Tarifverhandlungen ein kleiner Erfolg erzielt wurde. Fakt ist, dass die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD besser bezahlt werden müssen und dass bei steigenden Aufgaben in den Bereichen Infektionsschutz, Hygiene, Trinkwasserüberwachung, Kinder- und Jugendärztlicher und Sozialpsychiatrischer Dienst personelle Entlastung her muss.
Neben dem Personal gehört dazu auch eine leistungsfähige, moderne Infrastruktur im Gesundheitswesen. Stichwort „SORMAS“ - ich bin gespannt, ob es, wie geplant, bis zum Jahresende im gesamten Land implementiert ist; denn das ist grundlegend für eine valide Beurteilung der epidemiologischen Lage. Dass wir im Jahr 2020 diesbezüglich so schlecht ausgestattet sind, kann ich immer noch nicht glauben.
Meine Damen und Herren, kommen wir zur Großbaustelle Pflege. Die Situation in der Pflege war schon vor der Pandemie prekär: viel zu wenig Pflegefachpersonal, schlechte Arbeitsbedingungen, hohe Arbeitsbelastung, schlechte Bezahlung. In den letzten Monaten ist die Situation - man hätte es kaum für möglich gehalten - noch schlechter geworden. Man meint eigentlich, es müsste jedem klar sein, wie wichtig Pflegeberufe sind und dass Entlastungen unumgänglich sind, wenn wir in Zukunft noch ausreichend Pflegefachpersonal haben wollen. Aber was macht die Landesregierung? Sie erhöht die mögliche Arbeitszeit auf 60 Wochenstunden, eröffnet die Option zu verstärkter Sonn- und Feiertagsarbeit. Mir macht das immer wieder deutlich, dass dort nicht verstanden wurde, wie die Lage in den Pflegefachberufen wirklich ist.
Und mit der Pflegekammer haben Sie sich galant einer wichtigen Fürsprecherin für die Pflege entledigt.
scharf kritisiert. Und dann kommt eine stümperhaft durchgeführte Umfrage gerade recht, um unliebsame Kritiker loszuwerden.
Ich stelle die Frage: Wie soll es in der Pflege weitergehen? Die Konzertierte Aktion Pflege wird es kaum richten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist sie jetzt ins Stocken geraten. Und ganz ehrlich: Eine Konzertierte Aktion Pflege ohne die Beteiligung der Pflege verdient diesen Namen nicht.
Ich will an der Stelle aber auch noch die Probleme in der Ausbildung, insbesondere in den Gesundheitsfachberufen, erwähnen. So zahlen z. B. die Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger immer noch Schulgeld. Das ist eine riesige Hürde. Da müssen wir ran. Wir packen gerade ganz viel an. Wieso nicht in diesem Bereich?
Ich könnte noch zig Ausführungen machen, z. B. zu pflegegerechtem Wohnen. Ich glaube, es ist mehr als überfällig und notwendig, dass wir den demografischen Wandel in der Pflegepolitik fest in den Blick nehmen und ihn fest im Blick haben und aus der Pflege ein wirklich attraktives Berufsfeld machen. Im Moment sieht die Realität anders aus.
Eine weitere Baustelle - besser gesagt: eine Leerstelle - ist die ambulante und die stationäre medizinische Versorgung. Warum hat das Sozialministerium nicht die ersten gemeinsamen Lösungsansätze aus der Enquetekommission mit in den Haushalt genommen, um die Probleme anzupacken? Wollen wir bis 2022 warten?
Der Strukturwandel vollzieht sich jetzt, und gerade in der Investitionskostenförderung muss der Mitteleinsatz verdoppelt werden.
Ich könnte auch noch einiges zur Geburtshilfe sagen. Wir sind weit von einer Eins-zu-eins-Betreuung entfernt. Auch hier ist vieles zu tun. Die Akademisierung funktioniert nicht.
Meine Damen und Herren, die Corona-Pandemie hat die bestehenden Probleme und die Versäumnisse im Gesundheitswesen deutlich werden lassen. Dieser Gesundheitshaushalt ist nicht nur ambitionslos und ohne eigene Akzente, es fehlen auch verlässliche Perspektiven, -
- und das obwohl wir uns mitten in der größten gesundheitspolitischen Herausforderung der Nachkriegszeit befinden. Das ist einfach zu wenig.