Protocol of the Session on September 14, 2020

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Deshalb sollten wir diese Debatte nicht in aller Schärfe weiterführen, sondern ein bisschen in die Zukunft blicken. Das haben alle vor mir auch bereits getan.

Die Pandemie ist weiterhin mit einer Fülle an Problemen verbunden. Das ist klar. Ich möchte ein Problem vor die Klammer ziehen und eine durchaus kritische Note an die Landesregierung senden. Was ich mir wünsche, ist ein Mehr an Parlamentsbeteiligung, wenn es um die Umsetzung des Nachtragshaushalts geht.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Parlament hat der Regierung Geld in bisher ungeahnter Höhe zur Verfügung gestellt; in einem einmaligen Verfahren - das muss ich so sagen. Das alles ging sehr, sehr schnell. Und es war auch gut, dass das so schnell passiert ist. Es musste schnell passieren, weil die Belas

tungen sehr aktuell waren. Wir haben gesagt: Ja, die Sperrwirkung der Schuldenbremse wollen wir mal ganz weit interpretieren. - Auch das war richtig und gut. Denn wir wollten uns nicht nur mit der Bekämpfung der Pandemie auseinandersetzen, sondern auch mit den Folgen der Pandemie. Das ist eine konjunkturelle Delle, die sich wirklich zur Krise ausweiten kann.

Aber jetzt muss Folgendes passieren: Das Parlament muss in besonderer und vielleicht auch ungewöhnlicher Weise bei der Ausgestaltung der Richtlinien, wie wir draußen helfen wollen, wie wir das Geld konkret auf die Straße bringen wollen, die noch nicht erarbeitet worden sind, beteiligt werden, zumal in der Tat alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Das hat dieses Parlament verdient.

(Beifall bei der CDU, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Wir waren uns im Übrigen einig, dass das Konjunkturprogramm auch auf eine Weiterentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zielt. Ja! Beispiele sind bereits genannt worden, etwa die Entwicklung der E-Mobilität. Eine Kritik am Bundesgesetzgeber sei uns an dieser Stelle erlaubt. Ich finde es aberwitzig, wie wir über Prämien für E-Autos und Verbrenner diskutiert haben, wenn ich heute sehe, dass ein solches E-Auto, wenn ich es beim VWKonzern bestellen will, in zwölf Monaten nicht geliefert wird. Mit Verlaub: Die Nachfrage noch weiter anzukurbeln, ohne dass die bisherige bedient werden kann, ist ein Anachronismus. Dann muss ich auch nicht über Prämien für Verbrenner nachdenken. Die brauche ich höchstens, weil ich ein E-Auto heutzutage nicht bekommen kann. Vielleicht muss im Aufsichtsrat des Unternehmens mal ein wenig nachgearbeitet werden.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Zum Tourismus. Ich mache mir allergrößte Sorgen, dass die Sonderkonjunktur, die wir derzeit im niedersächsischen Tourismus erleben, nicht nachhaltig sein könnte. Wir müssen jetzt eigentlich mal ran und gucken, wie Menschen, die zum ersten Mal in Niedersachsen Urlaub machen, dies eigentlich finden. Was müssen wir tun, damit sie auch künftig in Niedersachsen Urlaub machen? Wir dürfen nicht nur eine Wirtschafts-und Umweltdebatte führen, sondern wir müssen in alle Bereiche der Gesellschaft eindringen.

Das Thema „digitale Schule“ ist angesprochen worden. Ja: Auch ich bin der Meinung, dass wir für

die Digitalisierung der Schulen noch viel tun müssen. Aber: Was machen wir eigentlich mit denjenigen Schülerinnen und Schülern, die bei dieser Digitalisierung nicht mitgenommen werden?

(Zustimmung von Limburg [GRÜNE])

Was machen wir eigentlich mit denjenigen, denen man einen Laptop hinstellt, deren Schule die nötige Software hat und auch über Lehrer verfügt, die damit umgehen können, bei denen aber niemand zu Hause ist, der dafür Sorge trägt, dass sie an dem digitalisierten Unterricht auch tatsächlich teilnehmen?

(Zustimmung von Limburg [GRÜNE])

Ich habe das in der Anfangsphase der Pandemie hautnah miterlebt. Ich war den Kirchen dankbar, dass sie ihre Gemeindezentren geöffnet haben, um sich um diese Kinder zu kümmern und um zu versuchen, eine Unterrichtsbetreuung zu organisieren. Wir sollten in Niedersachsen auch mal über Dinge wie Familienzentren nachdenken. Da sind andere Bundesländer weitaus weiter.

(Zustimmung von Limburg [GRÜNE])

Ein Thema, das auch angesprochen werden muss - das hat vor mir noch niemand groß getan; allenfalls Herr Birkner; von ihm erwarte ich das aber auch -, sind die Finanzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen über diese gewaltigen Schulden diskutieren, die wir jetzt aufgebaut haben. Ich mag im Fraktionssitzungssaal der CDU nicht mehr an die Decke schauen, wo die Schuldenuhr zeigt, dass die Schulden um 280 Euro pro Sekunde steigen. Wir müssen uns fraktionsübergreifend - weil wir die Schulden über 25 Jahre und nicht nur in einer einzigen Legislaturperiode zurückzahlen und vermutlich viele von denen, die hier sitzen, dann an der Regierung sind - darüber verständigen, in welchen Bereichen wir künftig sparen wollen und was wir künftig möglicherweise nicht mehr bezahlen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Limburg, ich finde es schön, dass der DGB weitere Vorschläge macht, was wir noch ausgeben können. Ich wäre aber dankbar, wenn er auch seriöse Vorschläge machen könnte, wie wir das finanzieren sollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zum Schluss der Regierungserklärung kam die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich stelle fest: An

fangs hat Corona alle gleich gemacht. Alle trugen eine Maske. Nun haben wir eine Situation, in der es Gewinner und - zunehmend - Verlierer gibt. Ich denke nur an Onlinehandel versus Innenstädte, aber wir haben das auch in anderen Bereichen.

Und als ob diese drohende Spaltung nicht bereits schlimm genug wäre, erleben wir zeitgleich, dass nicht nur diejenigen aus den Löchern kommen, die schon immer gegen den Staat waren, sondern weitere Unbekannte dazu. Das ist eine ganz merkwürdige Allianz von Reichs- und Wutbürgern. Dem müssen wir in der Tat - das ist hier schon richtigerweise gesagt worden - alles entgegensetzen.

Diese Gesellschaft hat es schwer genug. Früher gab es die Trennung in Arm und Reich, jetzt gibt es eine Entfremdung zwischen Stadt und Land und den Streit um Klimaressourcen, dazu die Stigmatisierung ganzer Berufsgruppen. Auch das, lieber Herr Meyer, ist übrigens einer der Gründe, weswegen wir beim Artenschutz für den Niedersächsischen Weg sind: nicht nur, weil wir für mehr Artenschutz sind, sondern auch, weil wir die Gesellschaft zusammenführen wollen, weil wir sie zusammenhalten wollen und weil die Bauern auch weiterhin in die Mitte der Gesellschaft gehören. Es wäre schön, wenn Sie dazu ein bisschen beitragen würden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zurufe von den GRÜNEN)

Wir sollten auch weiß Gott darauf verzichten, noch weitere Gräben aufzureißen. Deswegen will ich diese Regierungserklärung abschließend für einen ganz persönlichen Appell an den Kollegen Wenzel nutzen.

Lieber Herr Kollege Wenzel, wenn Sie mit Ihrer Website „Adel Watch“ dazu beitragen wollen, dass weitere Verschwörungstheorien Land greifen, dann sind Sie definitiv auf dem falschen Dampfer. Ich kenne viele adelige Menschen, die eine richtig tolle Arbeit machen. Frau von Below-Neufeldt ist eine nette, sozial engagierte Kollegin. Graf Bernstorff ist eine Ikone der Anti-Atomkraft-Bewegung gewesen. Oder die vielen kleinen Landadeligen, die unter großen persönlichen Kosten ihre Gutshäuser unterhält.

Wie in allen gesellschaftlichen Gruppen gibt es natürlich auch unter den Adeligen einige schwarze Schafe. Aber im Internet zu verbreiten, dass es möglicherweise eine Art Verschwörung des Adels in Deutschland gibt, um Rechtsextremismus nach

vorne zu bringen und Antisemitismus zu fördern, ist brandgefährlich. Ich kann Ihnen sagen: Ich war froh, dass die AfD-Truppe einen Kestner - mit bürgerlichem Namen Kestner, nicht „zu Kestner“ oder „von Kestner“ - gewählt hat. Denn was hätten wir sonst wohl bei Ihnen erlebt?

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Toepffer, Herr Kollege Bothe, AfDFraktion, möchte eine Zwischenfrage stellen.

Auf geht’s!

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen, vor dem Hintergrund, dass Sie am Wochenende wohl interessiert den AfD-Parteitag verfolgt haben.

Sie sprachen eben von den Corona-Demos und gleichzeitig von Rechtsextremen und Reichsbürgern. Meine Frage ist: War jeder Bürger, der in Berlin bei der Querdenken-Demo demonstriert hat, für Sie ein Rechtsextremer oder ein Reichsbürger?

(Beifall bei der AfD - Wiard Siebels [SPD]: Nein, das hat er auch nicht ge- sagt!)

Ich freue mich immer über kluge Zwischenfragen. Aber nicht jede Zwischenfrage ist eine kluge Frage. Ihre Frage kann ich mit einem Wort beantworten: Nein.

Da Sie aber die Beobachtung Ihres Parteitages angesprochen haben, will ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass Sie hier alle sitzen. Ich nehme an, Sie waren alle auf diesem Parteitag - einem Parteitag unter Missachtung aller Abstandsregeln, soweit ich das verfolgen konnte!

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir verstecken uns hier in Glaskästen, damit wir unsere Arbeit weitermachen können, und Sie set

zen bewusst die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen auf Spiel! Das ist doch die Wahrheit.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das war jetzt eine Unterbrechung, lieber Herr Kollege Wenzel. Ich will versöhnlich schließen.

Ich finde es gut, dass Sie ein ganz bestimmtes Adelshaus hier in Hannover sehr differenziert betrachten. Das sollten Sie auch weiterhin tun. Die Frage, wofür wir möglicherweise unsere Steuergelder ausgeben, ist auch richtig. Nehmen Sie aber diese düstere Website mit dem düsteren Schloss aus dem Netz! Sie werden sonst ein zweiter Attila Hildmann, und das haben Sie nicht verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Herr Wichmann, AfD-Fraktion, Sie sind dran. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident - - - Nein, zuerst Herr Kollege Toepffer! Ihre Regierungserklärung hat mir besser gefallen. - Dies soll ein wenig ausdrücken, dass ich heute zwei Regierungserklärungen gehört habe. Aber dazu komme ich gleich noch.

Herr Ministerpräsident, das waren vorhin schöne 20 Minuten, in denen Sie in der Ihnen eigenen, fast schon staatsmännischen Art zum Thema Corona das unternahmen, was ein hiesiges Politikjournal im Titel führt: einen Rundblick.

(Wiard Siebels [SPD]: Was heißt hier „fast schon staatsmännisch“?)