Protocol of the Session on July 15, 2020

Im Detail enthält das Gesetz außerdem noch weitere streitanfällige Regelungen. Das finden wir nicht so gut, dem können wir leider nicht zustimmen.

Die einzige Frage zum Schluss, kurz vor der Sommerpause auf den Weg gebracht: Sie haben immer gesagt: One in, two out. - Welche beiden Gesetze nehmen Sie denn jetzt heraus?

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Für die CDUFraktion hat sich der Kollege Oliver Schatta zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Corona-Pandemie ist weltweit ein riesiges Problem und natürlich auch für Niedersachsen eine bisher unbekannte Situation gewesen. Das ist eine immense Herausforderung sowohl sozial als auch wirtschaftlich.

Zunächst gilt natürlich der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als die Kernaufgabe unserer Ge

sellschaft. Dieser Schutz hat aber Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Jedem von uns begegnen diese Folgen täglich in den Wahlkreisen: Es geht um Beschäftigung, es geht um Arbeitsplätze, um das Überleben der Betriebe bis hin zu ganzen Branchen und Konzernen. Die Sorgen vor Ort sind verständlich und berechtigt. Viele mussten längere Zeit den Betrieb stilllegen. Einige, wie z. B. Clubs - früher Diskotheken genannt -, Schausteller, Messebetriebe, Eventbranche sind immer noch bei null.

Zur Abfederung der konjunkturellen Folgen haben Bund und Länder folgerichtig gehandelt und etliche umfangreiche Schutzschirme für Unternehmen und Selbständige gespannt.

Worum geht es nun bei diesem Antrag der FDPFraktion, dem Entwurf eines Gesetzes über Entschädigungen für Maßnahmen nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen und dem Niedersächsischen Infektionsschutz-Entschädigungsgesetz?

Hier soll eine Entschädigung an alle von der Verordnung und Anordnung von staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit betroffenen Unternehmen gezahlt werden. Dies soll ab einer Bagatellgrenze von 10 000 Euro geschehen.

Wow, dachte ich zunächst, coole Sache. Das Prädikat konnte ich aber nicht verleihen. Ich fragte mich: Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Genau diese Antwort bleibt der Verfasser dieses Gesetzentwurfes schuldig. Die Kosten sind nicht genau beziffert. Durch eine einfache Überschlagsrechnung gehen sie eher in Richtung gigantisch.

Im Ausschuss lag 1 Milliarde Euro einfach so in der Luft. Die Unterrichtung ergab, dass man davon ausgehen könne, weil belastbare Zahlen schlichtweg nicht verfügbar und alle Berechnungen mit etlichen Unklarheiten behaftet sind.

Ein Beispiel: Die vorliegenden Corona-Soforthilfezahlungen liegen bisher bei rund 880 Millionen Euro. Dabei sind die bewilligten Kreditzahlungen noch außen vor. Diese Zahlungen sind, wie Sie wissen, ein Zuschuss zur Deckung des Sach- und Finanzaufwandes. Sie decken somit nicht alles ab, was Unternehmen durch die Lockdown-Situation und darüber hinaus an Kosten bzw. Ertragsausfällen erfahren haben.

Trotzdem stellen bereits diese Zuschüsse erhebliche Summen dar. Deshalb ist es so schwierig, eine seriöse Schätzung der tatsächlichen Mindererlöse

der Unternehmen vorzunehmen und vorwegzunehmen. In der Unterrichtung wurde außerdem deutlich, dass sogar Betrachtungen nur einzelner Branchen sehr schwierig seien - auch mit den teils genauen Zahlen der Verbände.

Es wird davon ausgegangen, dass nach dem Wissen aufgrund der Höhe der Soforthilfen von angenommenen 880 Millionen Euro und angesichts noch weiterer vorliegender Anträge die Zahl, würde man sie bei einer vorsichtigen Schätzung verdoppeln, höchstwahrscheinlich nur einen kleinen Teil dessen darstellen würde, was tatsächlich benötigt wird. Das wären dann ruckzuck an die 2 Milliarden Euro - einfach gigantisch! Dieser Betrag stellt auch nur den bisherigen Aufwand des zweiten Quartals dieses Jahres dar. Wie schon gefragt: Wer soll das bezahlen?

Die in § 6 des Gesetzentwurfes vorgesehene Ermittlung des pauschalisierten Schadens ist sicherlich gut gemeint, aber in der Praxis kaum anwendbar. Die Kapazitäten der Behörden sind begrenzt, und die Firmen wären damit vielleicht auch überfordert. Der bürokratische Aufwand für die Ermittlung der genauen Beträge wäre im Zweifel für den einzelnen Betrieb noch höher als bei dem bisherigen Hilfsprogramm. Hier wurden genau deshalb auch festgelegte Pauschalen bewilligt.

Es geht um das Überleben von ganzen Branche; das ist mir bewusst. Ich würde sehr gerne allen vollumfänglich helfen. Es ist aber schlicht nicht finanzierbar. Das sage ich deutlich auch mit Blick auf nachfolgende Generationen.

Wichtig ist mir zu erwähnen, dass diejenigen, die sonst gegen Subventionen sind, die Grenze zwischen der erprobten sozialen Marktwirtschaft und einer Art Unternehmenssozialismus verschmelzen lassen - von den länderübergreifenden Wettbewerbsverzerrungen ganz zu schweigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Auf das Förderprogramm für Tourismus, Schausteller und die Eventbranche möchte ich konkret hinweisen. Hierfür werden etwa 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Es wird deutlich, dass die Landesregierung nicht alle einfach im Regen oder - anders ausgedrückt - im Virus stehen lässt. Die branchenspezifische Förderung auf Sichtweite ist hier das Schlagwort. So kann den Unternehmen durch die Krise geholfen werden. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist weder zu Ende gedacht noch geeignet, um wirtschaftspolitisch wichtige und richtige Impulse zu setzen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich dafür plädieren, sich dem Votum des Wirtschaftsausschusses anzuschließen und gegen diesen Gesetzentwurf zu stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schatta. - Zu einer Kurzintervention hat sich für die FDP-Fraktion der Kollege Jörg Bode gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Schatta, das Argument der Kosten kann nur ein vorgeschobenes sein. Wir haben Ihnen angeboten, über die Frage der Höhe der Entschädigung und auch über die Frage, wie wir sie berechnen, zu reden und einen Konsens zu finden.

Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu sagen, dass, obwohl es nach dem Polizeigesetz einen Anspruch gibt, der von einem Richter am Landgericht wörtlich sogar als einschlägig formuliert worden ist, keine weiteren Kosten auf Sie zukommen werden, wenn sich ein Obergericht mit der Frage der Sperrwirkung intensiver auseinandersetzt, als es beispielsweise die Staatskanzlei für die Landesregierung getan hat?

Die Kostenfrage ist insofern kein Argument. Sie haben sich geweigert, die Gleichbehandlung der Betroffenen durchzuführen, weil Sie wollen, dass einige Bereiche bedient werden können, in denen - in Anführungszeichen - gute Lobbyarbeit gemacht wurde, und andere nicht.

Es werden immer dieser Notfallfonds und der Tourismusfonds angeführt wie damals der Jäger 90. Das kenne ich noch aus meiner früheren politischen Zeit. Da wurde immer gestritten, und das Geld, das später aus der Streichung kam, wurde mehrfach verteilt, obwohl es gar nicht da war. Der Notfallfonds und der Tourismusfonds reichen nicht aus.

(Zuruf von der CDU: Ihr habt auch mitgemacht!)

- Wir haben auch mitgemacht; das ist doch klar, das haben alle gemacht. Das hat auch jahrelang funktioniert, und keiner hat es gemerkt.

Genauso machen Sie es hier. Was den Tourismusfonds mit seinen 120 Millionen Euro angeht, hat der Heilbäderverband Folgendes ausgerechnet:

Damit die Heilbäder überleben können, braucht man meines Wissens 105 Millionen oder 106 Millionen Euro. Der Fonds ist von vorne bis hinten nicht ausreichend dafür, die Problemlagen zu lösen.

Der Einzige in diesem Haus aufseiten der Regierungsfraktionen, der das ehrlich zugibt, ist Minister Althusmann, der am Ende jeder seiner Reden im Landtag sagt: Das ganze Geld wird nicht ausreichen, um die Insolvenzen zu verhindern. - Wir finden das schade, und Sie sollten sich nicht hinter diesen Haushaltsstellen verstecken.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Herr Kollege Schatta möchte nicht antworten. Dann gebe ich das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt dem Kollegen Detlev Schulz-Hendel. Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kernfragen, um diesen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion einzuordnen, sind die juristischen Fallstricke, die Kosten, aber vor allem der bürokratische Aufwand.

Wir schaffen mit diesem Anspruch in vielen Fällen eine doppelte Bearbeitung; denn es werden bereits jetzt Soforthilfen, Kredite oder Bürgschaften und Ähnliches gewährt. Dennoch muss ich Ihnen, Herr Bode, an einer Stelle recht geben: Viele Menschen werden bei diesen Hilfen, Krediten und Bürgschaften bisher nicht berücksichtigt.

Der Gesetzentwurf birgt die große Gefahr, dass große Entschädigungsansprüche sofort vor Gericht landen. Ein Schaden muss im schlimmsten Fall gutachterlich festgestellt werden. Insofern ist für mich der bürokratische Aufwand neben dem finanziellen Aufwand eine der zentralen Fragestellungen, um diesen Gesetzentwurf zu beurteilen.

Wenn ich mir vor Augen führe, wie lange teilweise die Bearbeitung einer Steuererklärung bis zur Erteilung eines Steuerbescheides dauert, kann ich mir wahrlich nicht vorstellen, dass die Berechnungen der Entschädigungen mit dem vorhandenen Personal in den Finanzbehörden zu lösen sind. Entscheidend wären zur vollständigen Beurteilung dieses Gesetzentwurfes die Beantwortung der Frage des bürokratischen Aufwandes im Verhältnis

zum Nutzen und die Berechnung von Entschädigungszahlungen.

Leider hat das Wirtschaftsministerium hierauf in der Unterrichtung im Wirtschaftsausschuss keine Antwort gegeben, obwohl die Stabsstelle für Bürokratieabbau lange besetzt ist. Da bleibt nur zu hoffen, meine Damen und Herren, dass solche Fragen künftig nicht von einer Millionen schwer subventionierten externen Clearingstelle zu beantworten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Für die Fraktion der SPD hat sich nun der Kollege Frank Henning zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesinfektionsschutzgesetz sieht, geregelt in § 56, Entschädigungen für Einkommensverluste von im Wesentlichen zwei Fallgestaltungen vor.

Einmal betrifft das den Fall des sogenannten Störers - ein seltsamer Begriff, aber das Gesetz benutzt ihn. Das sind infizierte Menschen, die aus dem Geschehen in die Quarantäne entlassen werden und für Einkommensverluste aufgrund dieser - in Anführungszeichen - Leistung für die Allgemeinheit, keinen anderen mehr zu infizieren, entschädigt werden.

Der zweite Fall betrifft die Fallgestaltung, dass Eltern ihre Kinder betreuen müssen und dadurch Einkommensverluste oder Einkommensminderungen erleiden. Das ist vor Kurzem auf Initiative unserer Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in das Gesetz aufgenommen worden. Das ist sicherlich eine gute Maßnahme. Wenn man sich das Bundesgesetz weiter ansieht, stellt man aber fest: Weitergehende Regelungen hat der Bund bewusst nicht treffen wollen, zumindest hat er sie nicht getroffen, ob es bewusst war, weiß ich nicht.

Ich stelle nur fest - das haben wir auch im Ausschuss geklärt -, dass das Land natürlich eigenständige Regelungen und Tatbestände zu weiteren Entschädigungsleistungen schaffen kann, die der Bund nicht vorgesehen hat. Man kann das tun - die Frage ist aber, ob das sinnvoll ist. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Gesetzentwurf der FDP an dieser Stelle nicht sinnvoll ist.

Warum ist er nicht sinnvoll? Im Prinzip aus zwei Gründen. Der erste Grund ist: Das ganze Konstrukt ist äußerst bürokratisch und völlig kompliziert. Ich habe schon einmal vor längerer Zeit hier im Plenum gesagt, dass das „ein bürokratisches Monster“ ist, Herr Bode. Und das ausgerechnet von der FDP! Wir unterhalten uns ja oft über Bürokratieabbau - ich glaube, Ihr Gesetzentwurf ist ein klarer Fall für die Stabsstelle Bürokratieabbau. Ich habe mich schon im letzten Plenum und auch im Ausschuss dazu geäußert, wie die Berechnungsmodalitäten in Ihrem Gesetzentwurf geregelt sind; ich habe mich damit lange beschäftigt.