Den moralischen Zeigefinger, wir würden Arbeitsplätze gefährden, finde ich an dieser Stelle ein bisschen falsch - und auch, bei diesem Antrag von grüner Ideologie zu sprechen. Ich denke, der niedersächsische Wirtschaftsminister ist an dieser Stelle aufgefordert, Unternehmen wie Rheinmetall dabei zu unterstützen, in Zukunftstechnologien zu investieren - dann würde man nämlich auch langfristig keine Arbeitsplätze gefährden -, statt weiterhin das blutige Geschäft mit Krieg, Elend und Leid zu unterstützen. Ich glaube, es ist falsch, mit dem moralischen Zeigefinger auf die Arbeitsplätze zu zeigen. Es gibt da eine ganze Reihe von Möglichkeiten, und das ist halt auch Aufgabe des niedersächsischen Wirtschaftsministers.
Danke schön. - Herr Kollege Ehbrecht möchte nicht antworten. Demzufolge wäre jetzt der nächste Redner dran. Das ist der Kollege Bode von der Fraktion der FDP. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schulz-Hendel, Sie haben völlig recht: Moral und Arbeitsplätze dürfen in dieser Frage nicht gegeneinander ausgespielt werden. Arbeitsplätze dürfen in dieser Frage auch kein Argument dafür sein, von dem Grundsatz, keine Kriegswaffen in Krisengebiete zu liefern, abzuweichen.
Da haben wir eine Übereinstimmung; das ist richtig. Man kann Rheinmetall auch anders helfen, indem man beispielsweise die Bundeswehr durch Frau von der Leyen bzw. den Bundestag so ausstatten würde, dass sie tatsächlich einsatzfähig sein kann.
Dann würden sich Arbeitsplatzfragen gar nicht stellen und wären diese anderen Dinge gar nicht auf der Tagesordnung.
Nun zu dem Antrag. Ich glaube, der ausgewogene Antrag im letzten Plenum hätte es eher verdient, hier diskutiert zu werden, weil wir hier einige Unausgewogenheiten haben. Ein Unternehmen aufzufordern, das Tochtergesellschaften in anderen europäischen Ländern hat, die Bündnispartner von uns sind, und das sich an deren Gesetze hält, ist nicht der richtige Weg.
Wenn wir sagen - das wäre sogar richtig, Herr Schulz-Hendel - „Unsere EU ist eine Wertegemeinschaft, und bei Kriegswaffenexporten müssen wir die gleichen Ansprüche haben“, dann wäre es der richtige Weg, dies zunächst einmal auf europäischer Ebene politisch zu fordern und nicht ein einzelnes Unternehmen mit dem Antrag zu adressieren. Ich fände es richtig, uns dazu zu verpflichten, dass wir, wenn wir Partner haben und Wertegemeinschaft sein wollen, das in allen Politikfeldern durchsetzen und von unseren Partnern einfordern. Das wäre der richtige Ansatz in diesem Antrag gewesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Anlass stellte in der Vergangenheit und stellt noch heute das Handeln des Erdogan-Regimes in der Türkei und in Syrien dar. Es ist nicht so, wie hier gesagt wurde, dass das Erdogan-Regime dort einen Krieg oder einen Angriffskrieg führt. Das ist kein Krieg. Das, was wir in Afrin und in Syrien se
hen, ist mittelalterliche Barbarei. Das hat tatsächlich nichts mehr mit europäischen Wertestandards und Wertenormen zu tun. Wenn Horden Bauern mit Maschinengewehren von ihren Treckern vom Feld schießen, um die Traktoren zu klauen, dann ist das, was dort passiert, kein Krieg.
Das Erdogan-Regime kann man nicht, wie es die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundesregierung macht, tatsächlich so niedlich weitergewähren lassen.
Ich vermisse einen Aufschrei der deutschen Außenpolitik, um diesem Morden, das weder völkerrechtlich noch menschenrechtlich zu rechtfertigen ist, endlich Einhalt zu gebieten und es zu stoppen.
Das Erdogan-Regime muss dann auch die Konsequenzen zu spüren bekommen. Dann dürfen wir auch nicht Arbeitsplätze, Flüchtlingsdeals oder andere wirtschaftliche Interessen dagegen abwägen und sagen: Wir halten uns in dieser Frage vielleicht einmal zurück. - Nein, es kann nicht sein, dass auf europäischer Ebene mit Blick auf mögliche Beitritte Zombieverhandlungen geführt werden, die tot sind und immer wiederkommen, sodass dem Regime der Türkei signalisiert wird: Es kann so weitergehen, wir wehren uns nicht! - Diesen Ansatz hätte ich gern in Ihrem Antrag gesehen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns gemeinsam darauf verständigen könnten.
Wir müssen übrigens auch die Frage stellen, ob wir es länger tolerieren können, dass die Türkei NATO-Bündnispartner bleibt. Wo soll denn da bitte schön die Grenze gezogen werden? Wollen wir bei dem nächsten Kriegseinsatz des Erdogan-Regimes, wenn es eventuell Rückschläge gibt, in den Verteidigungsfall eintreten? - Das kann ja wohl nicht Ziel der deutschen Außenpolitik sein!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Werte sind für uns nicht verhandelbar und Menschenrechte auch nicht. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir diesen Antrag auf unsere Wertebasiertheit fokussieren und auf unsere Bündnispartner abzielen, anstatt nur ein niedersächsisches Unternehmen im Fokus zu haben. Das, was dort passiert, ist tatsächlich unerträglich und muss beendet werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege Watermann. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Redner haben ganz deutlich gemacht, dass Waffenlieferungen in Kriegsgebiete verabscheuungswürdig sind, dass Kriege überhaupt verabscheuungswürdig sind, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen und dass es natürlich völlig undenkbar ist, dass solche Lieferungen aus Deutschland stattfinden. Jede kriegerische Auseinandersetzung und jede Situation, bei der es um Gewalt geht und bei der Waffen eingesetzt werden, ist eine zu viel.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich finde, das ist ein wichtiges politisches Thema. Aber unsere Spielräume sind dabei relativ gering. Ich habe auch ein bisschen das Gefühl, dass wir, wenn man jetzt Rheinmetall auffordert, dem Landtag genau mitzuteilen, wohin das Unternehmen was geliefert hat, mit dieser Information gar nichts anfangen können, weil wir überhaupt nichts bewegen können. Deshalb halte ich es für einen guten Vorschlag, noch einmal darüber nachzudenken, Ihren Antrag ein bisschen zu verändern, um damit eine Resolution hinzubekommen, mit der man eine Forderung an die Bundesebene sendet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde auch, dass die Worte, die hier gefallen sind, nicht ganz in den Kontext der deutschen Politik in der Vergangenheit gehören. Es hat große Diplomaten wie Genscher und viele andere gegeben. Sie haben ihre Politik nicht dadurch umgesetzt - auch nicht die Friedenspolitik von Willy Brandt -, dass sie immer nur eine einzige Strategie gewählt haben, sondern es war immer eine Mischung aus Diplomatie und den richtigen Mitteln, um Frieden zu schaffen und um Leute aus der Gefangenschaft zu holen. Es war nie immer nur ein einziger Weg.
Die Diskussion hier ist mir ein wenig zu wortlastig und zu radikal. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Ich bin fest davon überzeugt, dass man keine Gegengeschäfte machen kann. Aber allein Härte zu zeigen, hat auch noch nie etwas gebracht.
Wenn man so über die Türkei redet, dann müssten wir über die Amerikaner damals im Irak reden. Auch dazu haben wir harte Worte gefunden, wir haben aber nie das Bündnis infrage gestellt. Deshalb wäre ich mit solchen Positionierungen ganz vorsichtig und würde sehr dafür plädieren, dass wir uns auch untereinander nicht Dinge unterstellen, die niemand will. Vielmehr sucht jeder nach einem Weg, die Welt friedlicher zu machen. Vor unseren Augen finden Kriege und Terror statt - auch mit Waffen von deutschen Firmen. Aber diese deutschen Firmen sind nicht unser Adressat. Unser Ziel muss eine andere Politik und eine europäische Friedenspolitik umfassen.
Ich glaube, wir müssen wieder in Richtung einer echten Abrüstungspolitik für diese Welt aufbrechen. Das kann der Niedersächsische Landtag nur insoweit bewegen, als er diese Forderung an die Bundesregierung und an die Europäische Union stellen kann. Ich kann gut hinter diesem Vorgehen stehen.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Situation, in der unsere Diskussion über sichere europäische Außengrenzen nur erfolgen kann, wenn wir dies als gemeinsame europäische Aufgabe betreiben. Wenn ich mich in Europa nach Polen, nach Ungarn und nach vielen anderen Ländern umschauen, sehe ich: Wir haben mit solchen Staaten viele Dialoge und Gespräche zu führen sowie Diplomatie zum Einsatz zu bringen, um eine gute Friedenspolitik zu machen.
Lassen Sie uns diesen Antrag in etwas ummünzen, das in den Niedersächsischen Landtag gehört, nämlich eine Aufforderung für eine europäische Friedenspolitik, für eine klare Positionierung, keine deutschen und europäischen Waffen in Kriegsgebiete zu exportieren und am besten die Waffenproduktion zu reduzieren!
Dass man in Amerika nach einem solchen Anschlag noch darüber redet, Lehrer mit Waffen auszustatten, ist abenteuerlich, meine Damen und Herren. Wir müssen einen anderen Slang in die Diskussion bringen, aber wir sollten unsere Sprache nicht hochrüsten.
Frieden findet auch statt, wenn ich anderen nicht unterstelle, schlechte Geschäfte gemacht zu haben. Jede Befreiung eines Menschen aus Gefangenschaft - auch aus türkischen Gefängnissen, aber früher auch aus Gefängnissen im Osten - stellt einen richtigen Schritt dar.
Vielleicht kehren wir wieder zur Gemeinsamkeit in dieser Politik zurück, indem wir ganz deutlich machen, dass wir die Friedenspolitik und das Abrüsten als eine allgemeine deutsche und europäische Aufgabe sehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Bode das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Watermann, falls meine Worte ein bisschen harscher waren, bitte ich dies zu entschuldigen. Die Situation nimmt mich emotional sehr mit, weil ich alle Videos und Bilder der Gräueltaten in Afrin, die im Internet verfügbar sind, gesehen habe. Ich finde es schwer erträglich, dass sich die Bundesrepublik Deutschland mit solch einem Regime in einer Bündnispartnerschaft befindet.
Ich würde den Vorschlag, diesen Antrag in eine Resolution zu ändern, in der wir die Wertebasiertheit nach vorn stellen, in der wir unsere Bündnispartner in den Fokus nehmen und in der wir unterstreichen, diese Werte auch bei Kriegswaffenexporten und anderen Dingen ebenfalls zu leben und zu berücksichtigen, sehr gern mittragen.
Es wird allerdings auch nicht ohne ein paar Worte und klare Aussagen in Richtung Erdogan-Regime gehen. Das Erdogan-Regime ist nicht die Türkei. Die Türkei ist ein tolles Land mit wahnsinnig lieben Menschen, die sehr ehrenwert sind und die ich sehr schätze. Aber das Regime ist etwas gänzlich anderes. Da müssen tatsächlich klare Worte sein. Irgendwo muss die Diplomatie gerade unter Bündnispartnern auch mal aufhören. Das ist etwas anderes als bei Brandt.
Wir haben hier einen Bündnispartner und nicht jemanden auf der anderen Seite, wo ich mit diplomatischen Mitteln versuche, jemanden herauszuholen. Angeblich soll Herr Erdogan ein Partner Deutschlands sein. Ich bezweifle das.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Video mit Gewalt ekelt mich an. Ich bin da genauso fassungslos wie Sie. Jede Gewalt, auch Terrorgewalt, finde ich verabscheuungswert.
Es ist richtig, was Sie sagen: Es geht nicht um den Präsidenten, sondern es geht um die Türkei. Es geht nicht um Trump, der ist auch nicht Amerika, und Herr Orban ist nicht Ungarn.
Wir müssen aber auch ganz deutlich machen, dass wir immer Fortschritt und Bewegung in einer friedlichen Verhandlungsstrategie mit den Partnern brauchen. Zu reden ist immer noch besser, als sich die Dinge entwickeln zu lassen, aber mit klaren Worten. Sie können bei mir sicher sein, dass ich ein großer Freund von klaren Worten bin. Ich würde auch nicht damit hinter dem Berg halten, Kritik ganz klar zu äußern, aber auch die Menschen, die in der Türkei oder in anderen Ländern leben, zu sehen.
Ich finde es einfach auch - - - Jetzt hätte ich beinahe etwas gesagt, was den Präsidenten zu einem Ordnungsruf veranlasst hätte. Das passiert, wenn man sich so aufregt.
Ich finde es verabscheuungswürdig, wie wir damit umgehen. Da, wo wir selber dazu beigetragen haben, wie im Irak und in vielen anderen Bereichen, wo wir wirklich ein hohes Maß an Verantwortung tragen, müssen wir die Diplomatie nach vorne bringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns an einer guten Resolution mit klaren Worten und mit friedlicher Ausstrahlung arbeiten, eine friedliche Politik aus dem Niedersächsischen Landtag einfordern und vielleicht auch dazu beitragen, dass Friedenspolitik und Abrüstungspolitik wieder in den Fokus von Politik kommt!
Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sein. Wenn Sie dem folgen möchten, bitte ich um Ihr Handzeichen.