Protocol of the Session on July 1, 2020

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Hillmer das Wort. Bitte, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP, die Pflegekammer ist nicht die „Kammer des Schreckens“. Im englischen Original heißt das Buch „Chamber of Secrets“ - Kammer der Geheimnisse. Ich finde diesen Titel treffender und vor allem auch weniger verletzend gegenüber allen, die dort tätig sind.

(Zustimmung bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist nicht viel bes- ser!)

Wohlmeinend, könnte man nämlich mit Blick auf das Kapitel Pflegekammer sagen: Erst hatte sie kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.

(Lachen bei der FDP)

Man könnte aber genauso gut feststellen, dass die Pflegekammer in der Tat mit traumwandlerischer Sicherheit von Fettnapf zu Fettnapf springt. Etliche Ungeschicklichkeiten der Pflegekammer habe ich nicht verstanden und kann ich auch nicht rechtfertigen - das muss ich auch nicht. Wichtig ist näm

lich, dass sich die Mitglieder der Pflegekammer in ihrer Organisationsform wohlfühlen. Deshalb hat die CDU von Anfang an darauf bestanden, dass die Pflegekräfte - alle Mitglieder der Pflegekammer - zur Ausgestaltung ihrer Vertretung befragt werden. Die entscheidende Frage dabei ist: Wollen sie eine Pflegekammer mit Pflichtmitgliedschaft?

Wir begrüßen, dass diese Frage jetzt auch gestellt wird. Danach kann man dann noch fragen: Falls ja, soll diese Kammer beitragsfrei sein?

Meine Damen und Herren, wenn dann alle Mitglieder der Pflegekammer die Gelegenheit hatten, ihre Meinung eindeutig kundzutun, wird die CDU das Ergebnis selbstverständlich akzeptieren.

Die Regierungsmehrheit der letzten Legislaturperiode hat die Pflegekammer gesetzlich verankert, um etwas für die Pflegekräfte zu tun. Die Absicht war ehrenwert. Die Umsetzung mit einer Verkammerung hat die CDU - aber übrigens auch die Gewerkschaften - von Beginn an kritisiert.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Auch die FDP!)

Wir haben uns dann im Rahmen des Koalitionsvertrags darauf verständigt, der Pflegekammer zunächst zwei Jahre Entwicklungszeit zu geben und sie zur Mitte der Legislaturperiode unter Einbeziehung der Betroffenen zu evaluieren. Darüber hinaus haben CDU und SPD im letzten Haushalt gemeinsam sogar 6 Millionen Euro zur Erstattung der Beiträge 2018/2019 bereitgestellt, um den Anlaufschwierigkeiten der Kammer zu begegnen und die Spannungen zwischen der Kammer und ihren Mitgliedern abzubauen. Das, meine Damen und Herren, sollte eine Hilfestellung für die Kammer sein.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie sollte dauerhaft beitragsfrei sein!)

Die Diskussion innerhalb der Kammer darüber, ob man dieses Geld überhaupt annehmen sollte, war schon interessant. Völlig irritierend ist aber der jüngste Beschluss der Kammer, wonach die Beiträge für 2018/2019 weiter eingetrieben werden sollen, aber die Mitgliedschaft 2020 beitragsfrei gestellt werden soll. Ich staune, in welcher Geschwindigkeit sich Funktionäre in dieser Kammer unter dem gesetzlichen Schutzmantel eingerichtet haben. Und ich staune, meine Damen und Herren, wie schnell man einen Wasserkopf aufgebaut und Sparsamkeit abgelegt hat. Sensibilität wird keine Stärke dieser Kammer mehr werden.

Letztlich reicht es aber nicht, sich hier in diesem Hause über die Ungeschicklichkeiten der handelnden Akteure zu erregen. Wir als Gesetzgeber tragen letztlich für alles die Verantwortung; denn dieser Landtag hat die gesetzliche Grundlage geschaffen und den Pflegenden die Freiwilligkeit ihrer Mitgliedschaft genommen. Das hat leider Einfluss auf das Verhalten dieser Vereinigung.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es gut, dass jetzt die Pflegekräfte das Wort haben. Dieses warten wir als CDU in Demut ab. Genau diese Demut vor dem Votum der Pflegekräfte empfehle ich auch der FDP. Denn die Pflegekräfte sollen für sich entscheiden, ob das eine unendliche, eine endliche, aber vor allen Dingen ob es ihre Geschichte wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es folgt für die SPDFraktion Herr Kollege Schwarz. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon die Überschrift dieser Aktuellen Stunde lässt erahnen, wie groß die Entzugserscheinungen bei der FDP und ihrem Vorsitzenden gewesen sein müssen, weil sie das Thema Pflegekammer in den letzten Wochen hier nicht behandeln konnten.

Dr. Birkner, selbst gebeuteltes Zwangsmitglied und Zwangsbeitragszahler in der Architektenkammer -

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

- in der Anwaltskammer - da haben Sie aber aufgepasst! -, tituliert die Pflegekammer als „Kammer des Schreckens“.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist ein freier Beruf!)

Bei aller politischen Empörung: In dieser Pflegekammer arbeiten Menschen - hauptamtlich und ehrenamtlich. In der Regel sind das Pflegekräfte. Ich finde es unerhört und verletzend, wie Sie diese titulieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich gebe zu - das kann auch niemand leugnen -: Es sind erneut Pannen und Fehler aufgetreten. Auch wir finden die noch nicht erfolgte Mittelzuweisung an die Pflegekammer und die wirklich verunglückte Umfrage nicht gut. Der aktuell zwischen

der Pflegekammer und dem Sozialministerium rechtlich abgestimmte Beschluss - das ist rechtlich in der Tat nicht ganz unkompliziert - zeigt jetzt einen Weg auf, wie die Kuh vom Eis zu bekommen ist. Auch wir hoffen, dass er jetzt schnell umgesetzt wird.

Anstatt allerdings, meine Damen und Herren, diese aktuelle Entwicklung und den Beschluss der Kammer zu begrüßen, tobte Dr. Birkner am 15. und 16. Juni durch sämtliche Medien und forderte - genau wie die AfD - den Rücktritt der Sozialministerin.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Heute auch wieder!)

- Eben. Wenn das alles so schlimm und unerträglich ist - für Sie und für die AfD -,

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Am meisten Zuspruch bekam ich aus Ihren Rei- hen!)

wenn das für Sie überhaupt nicht mehr tragbar ist, warum haben Sie dann für heute nur diese läppische Aktuelle Stunde beantragt? Wenn das alles so schlimm ist, dann hätten Sie und auch die AfD konsequenterweise heute hier einen Abwahlantrag stellen müssen. Anscheinend haben Sie sich aber selbst vor Ihrer forschen Vorgehensweise erschrocken.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das können wir beim nächsten Mal machen! Da- rum geht es nicht!)

- Herr Dr. Birkner, das können Sie gerne machen. Man muss die Ministerin auch nicht persönlich mögen. Aber die Wahrheit ist: Sie hat weder Schuld daran, noch ist es ihr Versagen, dass Corona seit Ende Februar fast sämtliche Arbeitskapazitäten in ihrem Haus bindet.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Corona- geschuldet!)

Es ist weder ihre Schuld noch ihr Versagen, dass die Befragung durch den beauftragten Inklusionsbetrieb wegen Corona nicht fristgerecht losgehen konnte. Es ist auch nicht ihre Schuld, dass diese Befragung von außen sabotiert worden ist.

Wir alle wollen, dass diese Befragung stattfindet. Und wir alle erhoffen uns Klarheit von dieser Befragung - wenn auch in unterschiedliche Richtungen. Wir alle wollen die Vollbefragung; Sie haben sie am 1. März hier selbst noch einmal gefordert.

Es war richtig und notwendig, dass nach den Manipulationsversuchen die Befragung abgebrochen wurde. Dies bietet jetzt auch die Möglichkeit zur Präzisierung der Fragestellung.

Aber eines steht mit Blick auf diesen Verlauf fest: Es gab und gibt keinen Grund für Rücktrittsforderungen gegenüber der Sozialministerin.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Herr Abgeordneter Schwarz, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bothe zu?

Nein, ich will zu Ende ausführen.

Dann fahren Sie fort. Bitte!

Es wäre gut, wenn die FDP beim Thema „Pflege und Pflegekräfte“ selbst mal Verantwortung übernehmen würde. Kämpfen Sie doch endlich mal gemeinsam mit uns für einen besseren Personalschlüssel, für bessere Bezahlung, für höhere Mindestlöhne oder für einen Tarifvertrag Soziales! Das alles würde helfen! Aber das alles lehnen Sie seit Jahren konsequent ab, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Gucken Sie mal in unsere Anträge, Herr Kol- lege!)

Wenn Sie sich nicht an uns orientieren wollen, dann empfehle ich sowohl der AfD als auch der FDP: Orientieren Sie sich doch mal daran, was außerhalb dieses Landtags passiert. Ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen haben vor wenigen Wochen, am 24. Juni, gemeinsam mit CDU und Grünen die Errichtung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Die Kollegen der AfD in Sachsen-Anhalt fordern vehement eine Pflegekammer. So falsch kann das, was diese Landesregierung gerade macht, also gar nicht sein.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

- Ne, Herr Kollege Grascha, das hat etwas damit zu tun, dass man mal über den Tellerrand gucken muss, statt hier verbohrt durch die Halle zu laufen.

(Beifall bei der SPD)