Protocol of the Session on May 13, 2020

Die heute schon verfügbaren Zahlen - wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag der Postbank zeigt - lassen nichts Gutes erahnen. Demnach erleiden rund 2,1 Millionen Deutsche existenzbedrohende finanzielle Einbußen durch den von den Regierungen verhängten Shutdown. Trotz der vielen Hilfsprogramme vom Bund, den Ländern und den Kommunen fallen immer noch Hunderttausende durch das Raster und partizipieren nicht an den Hilfsprogrammen. Und bei vielen Menschen, vor allen Dingen Unternehmern, reichen die Hilfsgelder vorne und hinten nicht aus, um den Ausfall der Einnahmen aus ihren Betrieben zu kompensieren. Hier kommt auch der Staat selbstverständlich an seine Grenzen. Das Ergebnis am Ende ist die Pleite.

Neben den 2,1 Millionen Deutschen, die in ihrer Existenz bedroht sind, kommen weitere 3,5 Millionen Deutsche hinzu, die derzeit erhebliche finanzielle Einbußen haben. 12 Millionen leiden unter leichteren Kürzungen. Das sind insgesamt mehr als 17 Millionen Bundesbürger, die mit weniger Geld auskommen müssen, darunter mehr als 5 Millionen, für die „weniger Geld“ ein Euphemismus ist, weil sie ohnehin mit niedrigen Einkommen praktisch ums nackte Überleben kämpfen müssen und ihnen jetzt die wirtschaftliche Grundlage komplett unter den Füßen weggezogen worden ist. Hauptbetroffene von den Shutdown-Maßnahmen sind im Übrigen Familien, die in Deutschland ohnehin schon unter massiven Abgaben und Steuerlasten leiden.

Während etwa 17 % der Singlehaushalte von finanziellen Einbußen betroffen sind, müssen über 30 % der Familien mit weniger Einkommen auskommen. Dieses fehlende Geld trifft also Familien

doppelt so hart. Wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber hart betroffen sind, sind auch Kommunen und soziale Sicherungssysteme betroffen. Kommunale Haushalte sind besonders auf Einnahmen der hiesigen Unternehmen durch die Gewerbesteuer angewiesen. Die Shutdown-Maßnahmen treffen gerade den ansässigen Einzelhandel sowie die Hotel- und Gastronomiebranche und somit auch die Einnahmen der Kommunen hart.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, geht von wegbrechenden Gewerbeeinnahmen in Höhe von 20 % der Planeinnahmen aus, wobei die Zahlen hier noch relativ optimistisch sind, wie er meint.

Liest man dagegen Stimmen von Hauptverwaltungsbeamten und Kämmerern, gehen diese davon aus, dass ihre Gemeinden Einbußen von über 50 % haben werden. Wenn man dann speziell auf die niedersächsischen Kommunen schaut, die sich im Rahmen des Zukunftsvertrages mit dem Land gerade wieder auf solide Füße stellen wollten und konnten und das auch zum Teil getan haben, ist eine anrollende Konkurswelle realistisch, und die Schließung von Schwimmbädern oder Jugendtreffs steht dann wohl irgendwann bevor.

Neben den Kommunen, die mehr Geld verlangen, fordern auch die Krankenkassen Steuerzuschüsse in Höhe von 14 Milliarden Euro allein für das Jahr 2020. Wenn der Bund nicht einspringt, müssen sich die durchschnittlichen Zusatzbeiträge für die Versicherten nahezu verdoppeln, d. h. von 1,1 auf 2,0 oder 2,2 %. Dabei seien die Nachwirkungen des Shutdown, also die höhere Arbeitslosigkeit sowie die Nachholeffekte der Krankenkassen noch gar nicht eingepreist worden. Und ob der Staat nun bei den Krankenkassen einspringt oder nicht, spielt am Ende nicht die entscheidende Rolle, weil die Bürger am Ende sowieso höher belastet werden. Wer soll denn am Ende die Steuerausfälle und die staatlichen Gelder für Hilfsprogramme zahlen, wenn nicht der Steuerzahler?

Warum erzähle ich Ihnen das? - Weil hinter diesen Zahlen reale Nöte von Millionen Bürgern stecken, Menschen, die plötzlich weniger Einkommen haben, die ihr Leben nicht mehr finanzieren können, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Eigenheime stehen auf dem Spiel, familiäre Tragödien drohen. Der Shutdown muss so schnell wie möglich beendet werden.

(Beifall bei der AfD)

Deutschland muss unter Wahrung aller hygienischen Notwendigkeiten zu einer ökonomischen Normalität zurückfinden. Sonst droht uns ein ökonomisches und gesellschaftliches Fiasko in historischen Dimensionen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Detlev Schulz-Hendel! Ganz langsam, wir müssen hier erst einmal kurz desinfizieren!

(Jens Nacke [CDU]: Man kann doch nicht in einem deutschen Parlament mit einem derart niedrigen Niveau auf- treten! - Gegenruf von Dana Guth [AfD]: Das beweisen Sie doch immer wieder! - Jens Nacke [CDU]: Da war nichts drin! - Zuruf von der CDU: Et- was war drin: die Rolle rückwärts! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Bitte, Herr Kollege Schulz-Hendel! Sie können beginnen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niedersachsen, Deutschland, Europa, die ganze Welt befindet sich durch die Corona-Pandemie in einer schwierigen und ungewissen Lage. Viele Menschen werden derzeit von Ängsten vor einer ungewissen Zukunft geplagt und begleitet: Angst vor der potenziell tödlichen Krankheit, aber auch Angst vor der Unvernunft der Menschen und auch Angst vor dem massiven Einbruch der Wirtschaft.

Für alle diese Sorgen braucht es gute Lösungen und kreative Ideen. Und, meine Damen und Herren, das haben wir gerade gehört: Kein Teil dieser guten Lösung ist das Politikmodell der AfD!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Ängste und Zweifel schüren und gleichzeitig wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren, Herr Bothe, ist Ihr altbekanntes Rezept. Angstpolitik ist im Kern auf Zerstörung angelegt und hat mit kreativem und konstruktivem Suchen nach Lösungen

nichts zu tun. Hass, Hetze und Angstpolitik lösen diese Krise nicht, Herr Bothe.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Meine Damen und Herren, Lösungsvorschläge haben Sie, Herr Bothe von der AfD, vor der Krise und gerade jetzt in der Krise erwartungsgemäß weder für die Wirtschaft noch für die Gesellschaft zu bieten. Darauf haben wir in der Aktuellen Stunde gerade vergeblich gewartet.

Was wir jetzt aber brauchen, ist ein sozialökologisches Konjunktur- und Investitionsprogramm auf europäischer Ebene, auf Bundesebene, aber auch hier in Niedersachsen. Wir dürfen die Corona-Krise und die Klimakrise nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen beides zusammen denken und müssen konsequent handeln. Eine Abwrackprämie 2.0 - mehrfach genannt - dagegen ist als Instrument völlig ungeeignet. Unternehmen, die Staatshilfe erhalten, dürfen keine Dividenden und Boni auszahlen. Wenn wir für die Gerechtigkeit und den Zusammenhalt in der Gesellschaft auch in diesen Krisenzeiten stehen, müssen auch hier klare Bedingungen für Staatshilfen festgelegt werden. Auch in der Krise gilt: Investitionen in den Klimaschutz, in erneuerbare Energien oder in klimafreundliche Mobilität sorgen langfristig für die doppelte Rendite. Erstens werden die Wirtschaft und somit die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen profitieren und zweitens natürlich der Klimaschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Investitionen und Konjunkturprogramme müssen gerade jetzt so ausgestaltet sein, dass sie langfristig angelegt sind und nicht nur kurzfristig die Wirtschaft stützen. Wichtig sind dabei die sozialen und ökologischen Aspekte. Insbesondere, meine Damen und Herren, müssen wir einen Fokus auf zukunftsfähige und zukunftsfeste Geschäftsmodelle legen. Auch im Bereich der Digitalisierung müssen wir deutlich mehr Investitionen tätigen, damit wir vom Fortschritt der Technologie nicht abgehängt werden. Das ist in Niedersachsen, was Digitalisierung angeht, bisher schon ein Problem gewesen. Und auch bei den Gründungen brauchen wir gerade in dieser Krise neue Impulse; denn sie sind ein wichtiger Teil wirtschaftlicher Innovationen.

Ich möchte nun schließen mit einem Appell an die demokratischen Parteien in diesem Landtag. Wenn wir im Juni über einen weiteren Nachtragshaushalt sprechen und diesen auf den Weg bringen müs

sen, dann müssen wir jetzt gemeinsam über Konjunkturprogramme und Hilfen gegen noch mehr soziale Spaltung reden. Denn die Sorgen vieler Menschen um ihren Arbeitsplatz, um ihre Unternehmen, aber genauso die sozialen Nöte von jungen Familien mit Kindern, von Soloselbstständigen, von Menschen, die in der Pflege arbeiten, müssen wir sehr ernst nehmen.

Es reicht nicht, in Pressekonferenzen oder im Landtag mit sorgenvoller Miene auf die Nöte hinzuweisen, sondern wir, die demokratischen Parteien, müssen jetzt gemeinsam handeln. Wir haben ja gerade gehört, die AfD ist kein Teil dieser Lösung. Wir sind dazu bereit, dieses mit den regierungstragenden Fraktionen in einem vernünftigen Prozess und unter vollständiger Einbindung der Opposition zu begleiten und mit ihnen konstruktiv auf den Weg zu bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - So langsam kann sich für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Karl-Heinz Bley auf den Weg machen.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

- Vielen Dank Ihnen.

Bitte, Herr Abgeordneter Bley!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten, in denen ökonomische Unsicherheit herrscht und die Welt vor noch nie dagewesenen Herausforderungen steht, erzielt ein Titel wie „Shutdown - Millionen Deutsche stehen vor dem Ruin“ ganz klar einen Effekt bei den Bürgerinnen und Bürgern: Polarisierung und Panik. Ich sage: Gut, dass wir mit der rot-schwarzen Regierung in Niedersachsen gut aufgestellt sind. Dieser Regierung traue ich zu, die Weichen richtig zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist wahr: Die momentane außergewöhnliche Krise trifft Deutschland in nahezu allen Bereichen. Besonders Bereiche, die in Zeiten konjunktureller Schwankungen normalerweise robuster sind, wie Gastronomie und Tourismus, müssen heute mit harten Einnahme

verlusten kämpfen. Die wirtschaftliche Situation ist also gewissermaßen Neuland. In Niedersachsen sind wir aber mit dem zuletzt vorgestellten Stufenplan den ersten Schritt eines langen Weges gegangen. Auf diesem Wege müssen wir eine Balance finden - eine Balance zwischen dem Coronavirus auf der einen Seite und den ökonomischen und sozialen Interessen unserer Gesellschaft auf der anderen Seite.

So wichtig die Lockerungen der letzten Tage für die Wirtschaft Niedersachsens und Deutschlands waren - oberstes Gebot ist und Priorität hat nach wie vor die Gesundheit, der Gesundheitsschutz der Menschen - jedes Menschen, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder welcher Nationalität.

Ja, wir sehen die negativen Auswirkungen der Pandemie auch in Zahlen. Steigende Arbeitslosigkeit, finanzielle Einbußen und auch Insolvenzen werden nicht ausbleiben.

Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung - kurz IAB - zufolge wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr im Jahresdurchschnitt um 520 000 Personen ansteigen.

Die Aufgabe der Politik muss es sein, diese Prognose zu unterbieten und damit den von der AfD angesprochenen Ruin zu verhindern. Übrigens stammt das Zitat aus der Zeitung Die Welt, die sich dabei auf das Ergebnis einer Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts im Auftrag der Postbank bezieht.

Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, dass Deutschland dies einmal mehr schaffen wird, indem wir Betrieben und damit Beschäftigten durch die schrittweise Öffnung eine Perspektive geben, und das sowohl mit Blick auf die Gesundheit als auch mit Blick auf die ökonomische Zukunft der Gesellschaft. Aber unser Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann hat es bereits mehrfach gesagt - zuletzt vor dem Wirtschaftsausschuss am letzten Freitag -: Wir brauchen nicht nur Hilfsmaßnahmen in Form von Zuschüssen und Liquiditätshilfen, wir brauchen ein abgestimmtes Konjunkturpaket, das alle Branchen mit einbezieht. Wir brauchen ein Paket auch mit strukturellen Maßnahmen, z. B. Maßnahmen zur schnellen Weiterbildung und Umbildung derer, die nach der Krise nicht in ihren alten Job zurückkehren können, Maßnahmen, die die begonnene Digitalisierung weiter vorantreiben und sie nutzen, um noch besser für zukünftige Krisen gerüstet zu sein.

Die AfD hat es bereits gestern gesagt: Pandemien und Krankheiten, gegen die wir anfangs kein Heilmittel haben, werden wiederkommen. - Auch diesen Krisen werden wir als Gesellschaft wieder entschlossen entgegentreten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, was wir brauchen, sind Lösungen und Perspektiven. Keinesfalls brauchen wir Unsicherheit und geschürte Ängste hier in Niedersachsen, auch wenn Sie sich wünschen, davon zu profitieren. Die Sorgen der demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger sind auch uns wichtig.

Abschließend darf ich sagen: Wir brauchen ein ausgewogenes Vorgehen bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Die schwarz-rote Bundesregierung und die rot-schwarze Landesregierung entscheiden bei diesen Angelegenheiten mit Augenmaß. Ich sage Ihnen: Wir schaffen das.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bley. - Die nächste Wortmeldung liegt uns aus der SPD-Fraktion vor, und zwar die des Abgeordneten Dr. Pantazius.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)