Protocol of the Session on May 13, 2020

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

- Das geht hier alles so schnell. Vielen Dank Ihnen noch einmal.

Bitte, Herr Dr. Pantazius! Sie haben das Wort.

(Unruhe)

- Bevor Herr Dr. Pantazius das Wort erhält, möchte ich die Kollegen auch auf den Plätzen dort hinten, wo ich jetzt etwas schärfer hinschaue, bitten, die Privatgespräche einzustellen.

(Zuruf von Stephan Bothe [AfD])

Warten Sie bitte noch! - Das muss doch wohl möglich sein!

Solange es nicht „Pangasius“ ist, komme ich damit klar. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin!

(Heiterkeit und Beifall)

Alles gut. - Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir leben derzeit in jeder Hinsicht in bewegten Zeiten, in denen das Coronavirus diejenigen, die in Bund und Land Verantwortung tragen, dazu zwingt, auf Sicht zu fahren, weil niemand von uns seriös sagen kann, wie sich die Fallzahlen in den nächsten Wochen und Monaten durch die nun eingeleitete Öffnungsstrategie entwickeln werden, wie unser Ministerpräsident gestern richtig angemahnt hat.

Bemerkenswert ist aber, dass die AfD in Bund und Land mittlerweile eine ganz eigene Art entwickelt hat, auf Sicht zu fahren. Das haben wir eben gerade auch erleben dürfen. Denn hatte die Parteispitze zu Beginn der Pandemie - völlig zu Recht übrigens - für strenge Hygieneauflagen und einen Shutdown geworben, vollzieht sie nun eine dramatische Kehrtwende und trommelt auf einmal für die sofortige Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens. Aktuell schlingert sie durch die politische Landschaft, offenbar ohne Kompass und getrieben von einer einzigen Angst, die ganz offensichtlich nicht medizinisch verantwortungsvoller Natur ist.

Machen wir uns daher nichts vor: Die AfD geriert sich hier und heute nicht als Anti-Shutdown-Partei, weil sie wirklich davon überzeugt ist oder gute Gründe dafür benennen kann. Sie tut dies auch nicht, weil sie die Sorgen der Menschen in diesem Land wirklich umtreibt. Sie hat diese Aktuelle Stunde einzig und allein deshalb einberufen, weil ihr als völkischer Bewegung schlichtweg der Kontakt zur Straße verloren gegangen ist, weil Umfragewerte sinken und weil der Partei ihr Lebenselixier abhandengekommen ist - eine auf Aufmerksamkeit und Angst ausgerichtete Opfer- und Widerstandsrhetorik.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU - Dana Guth [AfD]: Wer macht denn hier die Angst? Wer ist es denn, der die Leute in Panik ver- setzt?)

Deshalb ist man rechts außen offenbar bereit, bar jeglicher Fakten jede noch so krude Stimmung von selbst ernannten Widerständlern und Verschwörungstheoretikern zu bedienen. Man fährt auf Sicht und ändert seine Meinung, so wie es die Stimmungslage gerade hergibt. Mit Verlaub: Das ist durchschaubar. Das ist plump. Das ist gelebter Populismus, und der ist lebensgefährlich.

(Beifall bei der SPD)

Uns ist doch bewusst, dass der im März eingeleitete Shutdown erhebliche negative Wirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt hatte. Seitdem ist allerdings nicht nur die Wachstumsrate der bestätigten Infektionsfälle erheblich gesunken.

Als Land Niedersachsen haben wir auch eine bemerkenswerte Solidarität gezeigt. Über 111 000 Anträge auf Soforthilfe wurden von der NBank bisher bewilligt. Knapp 855 Millionen Euro wurden unbürokratisch und schnell ausgezahlt. 693 Millionen Euro flossen bisher an Soloselbstständige und Kleinunternehmer, und damit an diejenigen Unternehmer und Unternehmen, die von der Krise mit am härtesten getroffen sind. Denn natürlich sind es Selbstständige und Kleinstunternehmen, die oft über wenig Liquidität verfügen und die quasi wie in der Sanduhr betrachten können, wie ihre Existenzgrundlage zerrinnt.

Das ist ein unglaublicher Kraftakt, den wir geleistet haben, der aber genau dort ankommt, wo er gebraucht wird. Dafür gilt mein Dank insbesondere dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Erlauben Sie mir noch eine kleine politische Bemerkung zur gestrigen Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten. Sie ist auch insofern bemerkenswert, als Stephan Weil eindeutig vermitteln konnte, dass er ein klares Konzept verfolgt. Während andere Ministerpräsidenten auf dem Rücken der Krise ihre Hahnenkämpfe in Sachen Kanzlerkandidatur austragen, kann Stephan Weil mit Fug und Recht unterstellt werden, stets ausschließlich nach bestem Wissen und Gewissen und im Sinne der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger gehandelt zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Es wurden schmerzhafte Einschnitte beschlossen, als sie dringend nötig waren. Aber es wurden auch Lockerungen verfügt, sobald sie vertretbar waren.

Niedersachsen ist wie kaum ein anderes Land von der Krise betroffen. Wir sind ebenso geprägt vom Tourismus wie von der Industrie und vom Handel. Wir haben Landwirte in der Fläche und sind Weltmarktführer in der Automobilindustrie. Sie alle durch die Krise zu manövrieren, ist eine Turboherausforderung. Das ist unserer Landesregierung aber mit typisch norddeutsch kühlem Kopf gelungen.

Wie es dagegen überhaupt nicht geht - damit komme ich zum Schluss -, zeigen derzeit auf dramatische Art und Weise die Populisten weltweit - Ihre Freunde, wenn ich es einmal so titulieren darf. Die USA erleben unter dem selbst ernannten Dealmaker Trump die größte Arbeitslosenwelle seit der letzten großen Depression. In Brasilien müssen mittlerweile Massengräber ausgehoben werden. In Großbritannien irrlichterte Boris Johnson zwischen der Verharmlosung medizinischer Tatsachen und der Intensivstation.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von rechts außen, was passiert, wenn Ihresgleichen Verantwortung trägt, kann man leider täglich nur zu schlecht in den Nachrichten studieren. Lassen Sie uns daher weiter den erfolgreichen besonnenen niedersächsischen Weg gehen, und zwar souverän und krisenfest.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Pantazis. - Der Abgeordnete Bode kann sich dann für die FDP-Fraktion langsam auf den Weg machen. Er hat den nächsten Wortbeitrag.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Frage der Corona-Krise und der Krisenbewältigung kann man die AfD tatsächlich nicht mehr ernst nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

War sie doch die Partei, meine sehr geehrten Damen und Herren, die am Anfang einen beschleunigten Lockdown, noch strengere Maßnahmen, noch höheren Gesundheitsschutz gefordert und Panik verbreitet hat, ist sie auf einmal zur AntiShutdown-Partei geworden, die alles als unverhältnismäßig, auch am Anfang der Corona-Krise, als nicht verantwortbar etc. tituliert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, Sie müssen sich schon einmal entscheiden, was eigentlich Ihre Meinung, Ihre Position ist und woran Sie glauben. Ich wiederum glaube, Sie haben irgendwo einen Aluhut gesehen und sind dem

hinterhergelaufen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das zeigt übrigens auch die heutige Debatte zu den Anträgen dieser Aktuellen Stunde, und zwar nicht nur zu diesem Antrag zur Aktuellen Stunde. Das Thema der Aktuellen Stunde eben waren die Kindertagesstätten und das Problem der Kinderbetreuung. Da hat der Redner der AfD hier gesagt, es gebe natürlich auch Chancen der Corona-Krise für die Familien. Sie könnten die Zeit, in der die Kinder zu Hause sind, zur schönsten Zeit ihres Lebens machen. Ich teile das nicht. Ich finde, die Familien sind die größten Leidtragenden dieser Krise, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Aber der Redner der AfD bei diesem Antrag zur Aktuellen Stunde sagte dann auf einmal das Gegenteil, nämlich das, was auch ich denke, dass die Familien die größten Leidtragenden dieser Krise sind. Von der schönsten Zeit des Lebens war da nichts mehr zu hören, obwohl Anträge zur Aktuellen Stunde nur ein paar Minuten nacheinander behandelt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die AfD hat zu Corona, zur Krisenbewältigung keine Position, sondern hechelt den Aluhüten und dem Zeitgeist, den sie vermeintlich erkannt haben will, hinterher.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber der Titel dieses Antrages zur Aktuellen Stunde ist ja richtig. Wir haben durch die Corona-Krise sehr große Existenzängste - - -

(Zurufe von der AfD: Aha!)

- Na ja, gut. Das haben Sie aus der Zeitung abgeschrieben. Das ist ja nicht Ihr eigenes Know-how, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Dana Guth [AfD]: Meine Güte, das ist so etwas von unter dem Niveau!)

Nachdem in der Welt die Überschrift stand, dass 2,9 Millionen Menschen vor der Existenznot stehen, haben Sie den Titel dieses Antrages zur Aktuellen Stunde so formuliert. Das war aber keine intellektuelle Leistung, die Sie sich ans Revers

heften könnten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber es stimmt ja: Der Einbruch unseres Wohlstandes, unseres Wachstums, unserer Produktivität schlägt sich in allen gesellschaftlichen Bereichen nieder, nicht nur in den Existenzängsten bei Unternehmen, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Familien. Die staatlichen Finanzierungen stehen vor ganz, ganz großen Herausforderungen.

Der Staat, das sind - und das muss man hier einmal sagen - wir alle. Es ist ja nicht so, dass Minister Hilbers, auch wenn er jetzt nicht da ist, aber wenn er da wäre, einen großen Goldsack hätte, der ihm privat gehört, aus dem er alles nimmt und bezahlt. Nein, alles, was wir als staatliche Leistung haben, wird vorher von der Gesellschaft erwirtschaftet und durch Steuern tatsächlich erbracht. Wenn von dort nichts kommt, kann der Staat diese Leistungen nicht erbringen.

Deshalb müssen wir wieder dahin kommen, dass die Produktivität, die Steuerkraft, die Wirtschaftskraft wieder nach vorne kommen. Natürlich müssen wir aus dem Shutdown herauskommen, aber mit Verantwortung. Verantwortungsvolle Öffnungen, da, wo sie nach Infektionsgeschehen möglich sind, regional differenziert, und alle Beschränkungen und Grundrechtseingriffe immer nach Maßgabe des konkreten Infektionsschutzes und vor dem Hintergrund des Infektionsrisikos und nicht so pauschal, wie wir sie heute auch noch in Niedersachsen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.