Protocol of the Session on May 13, 2020

so die Ergebnisse einer Umfrage im Rahmen des Wissenschaftsbarometers von April 2020. 90 % halten die Expertise der Wissenschaft für wichtig und wünschen sich auch eine Beratung der Politik. Der Rat der Wissenschaft ist gerade jetzt so sehr geschätzt wie kaum zuvor.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die CoronaKrise hat aber auch Auswirkungen auf das Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Die letzten Wochen haben gezeigt: Das wechselseitige Verständnis für das jeweils andere System mit seinen jeweiligen Funktionslogiken ist ausbaubar. Gerade jetzt brauchen Wissenschaft und Politik einen respektvollen Umgang miteinander.

Die Regierungsfraktionen im Niedersächsischen Landtag haben seit einiger Zeit Initiativen unternommen, um Wissenschaftskommunikation zu stärken. Wie wichtig dieses Thema ist, beweist sich gerade in Zeiten, die von der Pandemie geprägt sind. Gerade jetzt ist ein enges Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft und Medien unabdingbar. Nur so gelingen die Aufklärung der Öffentlichkeit über die wissenschaftlichen Hintergründe, das Werben um Verständnis für die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und die Einordnung der Corona-Pandemie in ethische, politische, ökonomische und ökologische Zusammenhänge. Und das ist wichtig, damit um sich greifende Verschwörungstheorien und Fake News rund um Corona keine Chance haben.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bedanke mich bei allen, die daran arbeiten, die wissenschaftliche Arbeit voranzubringen, bin aber auch der Auffassung, dass es unsere Aufgabe als Land ist, die Rahmenbedingungen für die Wissenschaft so gut wie möglich zu gestalten, -

Letzter Satz, Frau Kollegin!

- um die Forschung auch an dieser Stelle voranzubringen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Wissenschaftsminister Thümler.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wissenschaft und Forschung sind keine Wunschmaschinen. Das sage ich bewusst zu Beginn dieser Rede, weil natürlich gelegentlich der Eindruck entstehen könnte: Man drückt aufs Knöpfchen, und schon ist die Lösung da. Das wird so nicht funktionieren. Aber wir wünschen es uns eben. Heute bestellt, morgen geliefert: das passende Medikament, der passende Impfstoff. Umso herausragender ist das, was die Forscherinnen und Forscher nicht nur in Niedersachsen, sondern darüber hinaus derzeit leisten. Dafür sind wir ihnen allen sehr dankbar.

Die TU Braunschweig hat gemeinsam mit der YUMAB GmbH und dem HZI menschliche Antikörper gefunden, die unter Laborbedingungen die Infektion von lebenden Zellen durch lebende Viren aus einem COVID-19-Patienten neutralisieren können. Hinter den Forschenden in Braunschweig steht ein Corona-Antikörper-Team, an dem das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin in Hannover, die MHH, das Universitätsklinikum Tübingen sowie Bayer beteiligt sind.

Ziel ist es jetzt, dass die Medikamentenkandidaten in den kommenden Wochen einen schnellen Entwicklungsprozess durchlaufen, um den Antikörper mit den optimalen Arzneimittelmerkmalen für eine Antikörperimmuntherapie zu identifizieren. Und das, Herr Bothe, ist der Unterschied zu dem, was Sie gerade dargestellt haben. Sie haben von einem Aktivimpfstoff gesprochen, dessen Entwicklung natürlich länger braucht. Ein Passivimpfstoff funktioniert anders. Hier handelt es sich um eine Antikörperimmuntherapie, also um einen Passivimpfstoff, um eine Therapie, die die noch nicht vorhandenen Antikörper im Körper der Patienten sofort ab dem Zeitpunkt der Gabe ersetzt und damit die Viruslast umgehend senkt.

Wenn das so zum Tragen kommt und die Forscherinnen und Forscher der TU Braunschweig und des YUMAB damit weitermachen - sie sind im Gespräch mit dem Paul-Ehrlich-Institut, um alle Phasen, die in einem Verfahren durchlaufen werden müssen, ordentlich und wissenschaftlich sauber abzuleisten -, dann haben wir möglicherweise noch in diesem Jahr etwas, das man dem Coronavirus entgegenstellen könnte.

Das führt dazu, dass das, was wir vorhin diskutiert haben, begleitend untersucht werden muss: Wie sind denn eigentlich die Infektionswege? - Die, die

wir kennen, sind die: Die Viren sind aus Hotspots aus Österreich hier nach Deutschland importiert worden und haben sich hier durch persönlichen Kontakt ausgebreitet. Wir haben aber überhaupt keine Vorstellung davon, wie Infektionswege eigentlich ablaufen, beispielsweise bei Kindern. Kinder - das wissen wir mittlerweile - überstehen die Corona-Erkrankung relativ gut, möglicherweise auch unbemerkt. Das heißt, wir müssen wissen, wie denn eigentlich die Kontakte von Kindern und unter Kindern sind. Sie alle wissen das aus eigenem Erleben: Wenn Kindergartenkinder nach Hause kommen und gerade eine Influenza-Pandemie unterwegs ist, haben Eltern und Großeltern sehr schnell nicht nur Schnupfen, sondern möglicherweise auch andere Dinge. Auch hier muss geschaut werden, wie das eigentlich geht. Das wird untersucht werden müssen. Ich komme nachher darauf zurück.

Aktivimpfstoffe - das ist der Unterschied - können ihre Arbeit eben nicht so schnell Arbeit leisten, wie es schützende Antikörper können. Mit dem PaulEhrlich-Institut, das für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig ist, stehen die TU Braunschweig und das YUMAB in einem nicht nur intensiven, sondern auch sehr positiven Austausch, um schnellstmöglich alle klinischen Prüfungen eingehen zu können.

Meine Damen und Herren, der Fortschritt in der Forschung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie durch die TU Braunschweig und YUMAB ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Forschungsförderung, die sowohl die Grundlagenforschung als auch den anwendungsorientierten Transfer in den Blick nimmt. Die verstärkte Transferperspektive über die Grenzen einzelner Hochschulen und Forschungseinrichtungen hinaus bewährt sich in der Krise, wenn Forschung und Anwendung schneller und enger zusammenarbeiten müssen. Vor allem Niedersachsen kann Infrastrukturen und Köpfe aufbieten, die wir jetzt dringend benötigen. Das heißt, dass derart wichtige Fortschritte in der Forschung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie jetzt nur möglich sind, wenn das Land nachhaltig und konsequent in die Forschung, ihre Infrastruktur und die Köpfe in Niedersachsen investiert.

Ebenso zahlen sich unsere Investitionen in der Künstliche-Intelligenz-Forschung und der Informatik aus. Nur durch KI ist es möglich, die großen Biobanken, insbesondere in Braunschweig und Hannover, schnell, effizient und effektiv auf Wirkstoffe hin zu untersuchen. Das führt eben zu genau dieser Geschwindigkeit und dazu, aus diesen

langen Verfahren herauszukommen. Künstliche Intelligenz hilft dermaßen, sodass diese Erfolge eben schneller möglich sind. Mit den Mitteln des Landes, die dieser Landtag im ersten Nachtragshaushaltsplan beschlossen hat, konnte das Wissenschaftsministerium mit knapp 10 Millionen Euro insgesamt 14 Forschungsprojekte fördern. Davon profitieren die MHH, die TU Braunschweig, das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen und das HZI, wobei ganz unterschiedliche Ansätze verfolgt werden, etwa in der Diagnostik, zur Ermittlung von Wirkstoffen für Impfstoffe, selbstverständlich auch für Antikörper.

COVID-19 ist immer noch eine neue Erkrankung. Daher ist es richtig, dass wir bereits jetzt breit ansetzen, um neue Erkenntnisse zu COVID-19 zu erhalten. Darin ist Niedersachsen sehr erfolgreich. Beispielsweise hat eine Abfrage an der MHH und dem HZI ergeben, dass allein dort insgesamt ca. 60 Projekte zu COVID-19 laufen. Dazu zählen niedersächsische Anträge für Drittmittel anderer Zuwendungsgeber, z. B. das BMWF, die DFG und europäische Projekte. Ich gehe davon aus, dass wir in ganz Niedersachsen derzeit in ca. 100 relevante Forschungsvorhaben involviert sind.

Wichtig ist und bleibt dabei, dass zahlreiche Einrichtungen gemeinsam an Lösungsansätzen arbeiten. Denn das Coronavirus lässt sich umso besser bekämpfen, je mehr Wissen wir über den Erreger, seine Mutationen und seine Auswirkungen auf den Menschen haben. Aus diesem Grund werden wir in den nächsten Monaten zu der Gründung eines interdisziplinären Infektionsnetzwerkes Nieder

sachsen kommen, in dem alle relevanten niedersächsischen Einrichtungen gebündelt werden sollen.

Und ein Weiteres wird dieser Tage offensichtlich: Die Lösung dieser Krise wird aus der Wissenschaft kommen. Medikamente, Impfstoffe, aber auch die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme werden auf wissenschaftlichen Analysen und Lösungsansätzen basieren. So stellt das HZI gemeinsam mit dem Ifo-Institut heute um 10 Uhr eine Studie vor. Diese Studie unter dem Titel „Das gemeinsame Interesse von Gesundheit und Wirtschaft - Eine Szenarienrechnung zur Eindämmung der CoronaPandemie“ wird Ihnen nachher noch zugehen; wir haben sie an die Präsidentin weitergeleitet. Das Ergebnis bestätigt den Kurs der Landesregierung: Eine schrittweise Lockerung ist aus gesundheitlicher wie aus ökonomischer Sicht der richtige Schritt. Starke Lockerungen mit hohem Risiko sind

in beiderlei Hinsicht negativ und wirken sich negativ aus.

Richtig bleibt aber auch, was ich zu Anfang sagte: Wissenschaft ist keine Wunschmaschine. Wissenschaft braucht konstruktive und kontroverse Diskussion, lebt von der Professionalität, vom Einsatz und Erfindungsgeist, und darum geht der Dank heute an alle Forschenden in Niedersachsen und darüber hinaus. Diese Krise, wie wir so noch keine erlebt haben und so auch nicht wieder erleben wollen, ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Ich kann diejenigen verstehen, die mehr wollen. Das Problem ist aber, dass, wenn man mehr will, das Infektionsrisiko diametral wieder steigen wird. Deswegen brauchen wir ein kluges, ein abgewogenes Vorgehen. Deswegen brauchen wir Studien auch in verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Deswegen brauchen wir beispielsweise eine Studie - ich hatte es vorhin gesagt -, um die Infektionswege bei Kindern und Jugendlichen nachverfolgen zu können. Denn wir wissen eben nicht, wie das funktioniert.

Deswegen bin ich sehr froh und dankbar, dass es seit Montag mit Mitteln, die die VW-Stiftung kurzfristig zur Verfügung gestellt hat, möglich ist, die ersten Kohorten der 14- bis 18-Jährigen, die in den Schulen sind, zu untersuchen. Das muss weiter finanziert werden. Und ich gehe davon aus, dass sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der MHH und der verbundenen Institutionen darüber Gedanken machen, wie wir Kindergartenkinder, Vorschulkinder, Grundschulkinder in vernünftige Testszenarien einbinden können, um Infektionswege in diesem Bereich, in den Familien und darüber hinaus feststellen zu können, ohne jemanden auszuspionieren, ohne den Datenschutz zu verletzten.

Aber wichtig ist dabei, den Gesundheitsschutz nach vorn zu stellen. Das ist das, was Forschung in Niedersachsen leistet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir jetzt fortfahren, machen wir hier kurz einen Wechsel der Sitzungsleitung.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult und den Platz der Sitzungsleitung)

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Vielen Dank Ihnen.

Wir setzen jetzt die Sitzung fort. Ich rufe auf

c) Shutdown - Millionen Deutsche stehen vor dem Ruin! - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/6438

Ich erteile für die AfD-Fraktion dem Abgeordneten Stefan Bothe das Wort. Bitte schön! - Herr Bothe, warten Sie noch ganz kurz! Mir wurde gerade gesagt, wir haben ein kleineres technisches Problem.

Ja, sehr gerne.

Ja, ich glaube, das Regiepult oben - - - Wenn die Mikros gehen - - -

Herr Bothe, es tut mir leid, die Technik will manchmal nicht so, wie wir wollen.

(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Dann können wir ja diesen Tagesord- nungspunkt ausfallen lassen!)

Ja, das ist das demokratische Verständnis von Herrn Schulz-Hendel!

(Jörg Bode [FDP]: Das ist ja besser, als wenn Sie den ganzen Tag herum- stehen und nichts sagen!)

Er könnte jetzt etwas sagen. Herr Bothe hält sich ja auch zurück, bis ich ihm das Wort erteile. Ich finde, wir sollten die Landtagsverwaltung und die Technik in Ruhe arbeiten lassen, sodass es dann wieder rund läuft.

Jetzt sieht es gut aus. Herr Bothe, jetzt erteile ich Ihnen zum zweiten Mal das Wort. Bitte schön!

Vielen lieben Dank. - Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Wir sprachen in den letzten Tagen viel über die aktuelle Krise. Aber: Nach der Krise ist vor der Krise.

Der durch die Bundesregierung, aber auch durch die Landesregierung angeordnete Shutdown hängt wie eine dunkle Gewitterwolke über unserem Land und ist kurz davor, sich zu entladen und den Wohlstand und die wirtschaftliche Grundlage vieler Millionen Bürger in Deutschland wegzufegen.

Die eigentlich nur vorübergehend geschlossenen Geschäfte in den Innenstädten und die zwischenzeitlich massiven Kursverluste an den Börsen von mehr als 30 % scheinen nur ein Vorgeschmack auf das zu sein, was noch kommt. Experten können derzeit nur erahnen, wie groß das Ausmaß wirklich werden wird. Manche von ihnen vergleichen die kommende Wirtschaftskrise mit der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Die heute schon verfügbaren Zahlen - wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag der Postbank zeigt - lassen nichts Gutes erahnen. Demnach erleiden rund 2,1 Millionen Deutsche existenzbedrohende finanzielle Einbußen durch den von den Regierungen verhängten Shutdown. Trotz der vielen Hilfsprogramme vom Bund, den Ländern und den Kommunen fallen immer noch Hunderttausende durch das Raster und partizipieren nicht an den Hilfsprogrammen. Und bei vielen Menschen, vor allen Dingen Unternehmern, reichen die Hilfsgelder vorne und hinten nicht aus, um den Ausfall der Einnahmen aus ihren Betrieben zu kompensieren. Hier kommt auch der Staat selbstverständlich an seine Grenzen. Das Ergebnis am Ende ist die Pleite.