Protocol of the Session on March 25, 2020

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir vorschlagen, die Anträge, die sowohl die Grünen als auch die FDP hier gestellt haben, im Ausschuss sehr ausführlich zu beraten. Es sind viele wichtige Punkte enthalten; allerdings sind auch ein paar Punkte enthalten, die durchaus schon auf dem Weg sind.

Ich schlage vor, den Haushalts- und Finanzausschuss federführend und den Sozialausschuss mitberatend zu beauftragen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Heiligenstadt. - Bevor der Kollege Thiele von der CDU-Fraktion zu Wort kommt, werden wir hier oben einen Wechsel vornehmen und das Redepult wieder hübsch machen. Dann geht es weiter.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult sowie die Plätze der Sitzungsleitung und der Schriftführer)

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Vielen Dank Ihnen. - Jetzt hat sich alles zurechtgeruckelt. Der Kollege Thiele hat sich als Nächster für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm hiermit das Wort. Bitte schön!

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! In den vergangenen Tagen habe ich, wie viele von uns, mit Ärzten, Pflegekräften, Krankenhäusern, Gesundheitseinrichtungen, Eltern, Unternehmern, Arbeitnehmern, kirchlichen und gesellschaftlichen Gruppen zu verschiedensten Problemlagen und auf vielfältigen Wegen kommuniziert und diskutiert. Das waren manchmal sehr schwere Gespräche. Die Verunsicherung ist immens.

Wir alle versuchen, zu informieren, zu unterstützen, Probleme zu klären, Hilfsangebote mit aufzubauen, und wir alle stoßen dabei an unsere Grenzen. Das gilt für uns Abgeordnete mit unseren Mitarbeitern, und das gilt auch für die Mitglieder der Landesregierung sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien. Ihnen gilt unser Dank für das schnelle und beherzte Handeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und deren Folgen und für die Besonnenheit, mit der sie dabei vorgehen. Herr Ministerpräsident, Herr stellvertretender Ministerpräsident, dieser Dank unserer Fraktion geht an die gesamte Landesregierung.

Reichen Sie das bitte an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es gelingt in dieser absoluten Ausnahmesituation, in großer Einmütigkeit schnell, gezielt und zugleich besonnen zu handeln. Regierung und Parlament schaffen neue Strukturen und verkürzen Prozesse, die im Normalfall Monate in Anspruch nehmen, auf Tage. Wir tun dies, so gut es irgend geht, transparent für die Menschen und abgestimmt mit Bund, Kommunen und allen Beteiligten.

Wir tun dies vor allem, um die Infektionsketten zu verlangsamen und zu durchbrechen, damit für die Menschen in unserem Gesundheitssystem und in der Forschung möglichst viel Zeit gewonnen wird. Wir müssen innerhalb kürzester Zeit die medizinischen und diagnostischen Kapazitäten ausbauen, Test- und Unterstützungssysteme schaffen. Zugleich ergänzt und verstärkt das Land den Schutzschirm des Bundes für die Betriebe und Arbeitsplätze. Alles dies geschieht, um diese Pandemie gemeinsam mit den Menschen zu beherrschen und die Gesundheit und das Leben unserer Mitmenschen sowie ihre Existenzgrundlage zu schützen.

Meine Damen, meine Herren, niemand darf glauben, dass in dieser Situation keine Fehler gemacht werden. Ich sage ausdrücklich: Uns ist lieber, dass jetzt beherzt gehandelt wird und dabei Fehler in Kauf genommen werden, als dass jetzt gezögert und gezaudert wird. Wir rufen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Krisenstäben, in den Ministerien, in den Verwaltungen genauso wie denen in den Krankhäusern, Arztpraxen, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Supermärkten und vielen Betrieben zu: Ihr macht einen tollen Job! Ihr stemmt euch gegen diese Krise! Ihr wachst über euch hinaus! Wir danken euch, und wir sind stolz auf euch!

(Lebhafter Beifall)

Meine Damen, meine Herren, es sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass es gelingen kann, jeden Schaden, der durch die jetzt getroffenen und zu treffenden Maßnahmen entsteht, auszugleichen. Wir versuchen das gemeinsam so weit, so gut und so umfangreich, wie es geht. Wer jetzt aber die Hoffnung weckt, dass Umsatzrückgänge, Einkommensverluste und Gewinneinbrüche vollständig aus der Staatskasse zu begleichen sein könnten, der streut den Menschen Sand in die Augen. Das wird nicht möglich sein.

Priorität hat jetzt, die Gesundheit und das Leben der Menschen in unserem Land bestmöglich zu schützen. Darauf konzentrieren sich jetzt die Maßnahmen, die Bund, Länder und Kommunen dieser Tage durchsetzen. Das verlangt unserer Gesellschaft viel Disziplin und zugleich Solidarität und Opferbereitschaft ab. Dass dies von so vielen Menschen in so großartiger Weise getragen und gestützt wird, darf uns optimistisch stimmen, dass unser Land diese Herausforderung besteht.

Meine Damen, meine Herren, darüber hinaus muss es uns gelingen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen in Niedersachsen vor größerem Schaden zu bewahren; denn es hat einen hohen Preis, viele dieser Strukturen herunterzufahren. Es wird auch den Zeitpunkt geben müssen - Kollege Birkner hat dies angesprochen -, zu dem wir den Turnaround wagen und diese Strukturen Schritt für Schritt wieder hochfahren müssen. Bis wir an diesen Punkt kommen, entstehen Schäden.

Dieser Nachtragshaushalt, den wir heute miteinander beschließen, gibt der Landesregierung auch die Möglichkeit, gemeinsam mit der Bundesregierung diesen Schaden zu begrenzen, Strukturen am Leben zu erhalten, einen Schutzschirm über Betriebe und Arbeitsplätze zu spannen. Das wird nicht immer gelingen, aber hoffentlich möglichst oft.

Dafür sind wir bereit, auch in erheblichem Umfang Schulden zu machen. In dieser außerordentlichen Notlage ist dies zulässig und legitim. Wir haben die Schuldenbremse für solche Notlagen genau so konzipiert, und daher bricht sich die CDU-Landtagsfraktion auch überhaupt keinen Zacken aus der Krone, eines unserer zentralen finanzpolitischen Ziele, den Abbau von Schulden, vorübergehend aufzugeben.

Meine Damen, meine Herren, der Nachtragshaushalt sieht vor, zusätzlich Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro für die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen im Einzelplan 13, also in der Allgemeinen Finanzverwaltung, zu veranschlagen. Diese werden den einzelnen Ministerien dann auf Antrag für konkrete Maßnahmen zugewiesen. Das ist die angesprochene Beinfreiheit, die wir brauchen, um mit hoher Flexibilität in der Landesregierung agieren zu können und auch Schnellmaßnahmen finanzieren und umsetzen zu können. Ich bin dankbar dafür, dass alle Fraktionen dies akzeptieren.

Die Mittel dienen dabei insbesondere der Stärkung der medizinischen Systeme sowie der Abmilderung der Folgen der Maßnahmen für die Unternehmen und Arbeitnehmer in Niedersachsen. Der Mitteleinsatz soll, soweit dies in dieser Situation möglich ist, abgestimmt auf die Maßnahmen des Bundes erfolgen und diese ergänzen. Zur Finanzierung werden - das wurde angesprochen - 400 Millionen Euro zunächst dem Sondervermögen zur Nachholung von Investitionen bei den Hochschulen staatlicher Verantwortung entnommen und über den Jahresabschluss 2019 - Herr Kollege Thümler ist gerade draußen; er vertraut da auf dieses Parlament - diesem Sondervermögen später wieder zugeführt.

Die Landesregierung hat zudem beantragt, zur Finanzierung von Ausgaben bis zur Höhe von 1 Milliarde Euro eine Ermächtigungsgrundlage zur Kreditfinanzierung nach Artikel 71 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung zu schaffen. Dieser stimmen wir in dieser außerordentlichen Notlage selbstverständlich zu. Der Tilgungsplan sieht vor, diese zusätzlichen Schulden in den kommenden zehn Jahren wieder zurückzuführen.

Meine Damen, meine Herren, als der Niedersächsische Landtag am 24. Oktober 2019, also vor gerade einmal fünf Monaten, den Beschluss fasste, die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen, ahnte niemand in diesem Haus, wie schnell wir in die Situation kommen würden, die Notfallregelung anzuwenden. Niemand von uns hat eine konkrete Vorstellung davon gehabt, wie die dort formulierte außerordentliche Notlage in der Praxis aussehen könnte. Ich bin sicher, wir wollten uns auch gar nicht vorstellen, wie diese Notlage aussehen könnte. Ich hätte mir gewünscht, dass es zu diesem Praxisfall nicht gekommen wäre. Jetzt ist der Fall aber da, und es erweist sich als richtig, dass wir die Schuldenbremse in dieser Form ausgestaltet haben. Sie funktioniert!

Wir werden darüber hinaus - auch das wurde angesprochen - den Bürgschaftsrahmen in § 4 Abs. 1 Haushaltsgesetz um knapp 1 Milliarde auf insgesamt 3 Milliarden Euro aufstocken, sodass insgesamt zur Bewältigung der Krisensituation 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Noch nicht abgedeckt sind damit - Reinhold Hilbers versucht zu prognostizieren, wie hoch die Summe sein wird - die Schuldenausfälle, mit denen wir zu kämpfen haben werden. Diese werden erheblich sein.

(Glocke des Präsidenten)

Auch die Maßnahmen, die die Finanzverwaltung momentan durchführt, um einzelne betroffene Betriebe liquide zu halten, führen sofort, schon im laufenden Jahr, zu massiven Einnahmeverlusten des Staates, die zu dieser Summe von 4,4 Milliarden Euro natürlich noch hinzukommen. Die Planung der Landesregierung für den Einsatz dieser Mittel wird später in der Dringlichen Anfrage noch einmal Thema sein. Darum muss ich darauf jetzt nicht im Detail weiter eingehen.

Meine Damen, meine Herren, ich darf mich bei allen Fraktionen dieses Hohen Hauses für die schnelle und konstruktive Beratung des Gesetzespaketes bedanken. Ich möchte dies mit der Bitte verbinden, dass wir diese konstruktive Zusammenarbeit in dieser ernsten Lage fortsetzen.

Mit Blick auf den Fragenkatalog, den Herr Wenzel eingereicht hat, und auch auf die beiden Anträge, die wir in den Ausschüssen dankenswerterweise noch weiterberaten können - die Signale haben wir bekommen -, will ich hier ausdrücklich - wenn mir die Präsidentin diese Zeit noch gibt - eines zu bedenken geben: Wir sind in einer völligen Ausnahmesituation. Das betrifft auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien. Deshalb müssen wir alle uns darüber im Klaren sein, was in dieser Situation aktuell an Diskussionen und Antworten noch leistbar und möglich ist und was nicht leistbar und unrealistisch ist.

Für die Bereitschaft, die Anträge weiterzuberaten, danke ich. Ich will für die CDU-Fraktion ausdrücklich sagen: Auch in dieser Ausnahmesituation wollen wir, soweit dies möglich ist, mit der Regierung und dem Parlament gemeinsam diese Herausforderung und die dafür denkbaren Lösungen diskutieren.

Meine Damen, meine Herren, unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft sind stark - stark genug, um die Herausforderungen dieser Pandemie und ihre Folgen zu bestehen. Niedersachsen ist stark genug, um nach dieser Krise wieder zu Kräften zu kommen. Es ist ein gutes Signal, dass dieser Landtag diesen Nachtragshaushalt heute, bei aller Verschiedenheit der Positionen, in großer Einmütigkeit beschließt.

Ich danke Ihnen für dieses Signal an die Menschen in unserem Land. Passen Sie in den nächsten Wochen auf sich auf! Bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiele.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

- Wir warten noch kurz. Der Kollege Jörg Bode von der FDP-Fraktion Abgeordneter kann sich langsam vorbereiten. - Vielen Dank Ihnen.

Sie können jetzt mit Ihrem Wortbeitrag beginnen. Bitte, Herr Bode!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat sich im Oktober letzten Jahres niemand von uns vorstellen können, dass wir, nachdem wir die Schuldenbremse eingeführt haben, nicht einmal ein halbes Jahr später wieder zusammenkommen, um eine außergewöhnliche Notsituation festzustellen und die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse in Kraft zu setzen.

Heute stellen wir unter Beweis, dass unsere parlamentarische Demokratie auch solchen außergewöhnlichen Belastungsproben gewachsen ist.

Denn nur das Parlament kann die umfassenden Beschaffungsprogramme, den Rettungsschirm für Wohlstand, für unser gesellschaftliches Leben und die Wirtschaft tatsächlich möglich machen. Wenn wir heute diesen Nachtragshaushalt nicht beschließen würden, würden alle die in den letzten Wochen in täglichen Pressekonferenzen verkündeten Programme nicht stattfinden können. Das ist eine Tatsache, die allzu oft ein wenig in Vergessenheit gerät.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag beweist heute, dass die parlamentarische Demokratie nicht in der Krise ist, dass unsere Strukturen auch nicht in der Krise sind und von ihr auch nicht in die Knie gezwungen werden. Unsere Demokratie funktioniert, und auch die Instrumente wie die Schuldenbremse funktionieren.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur die konsequente Anwendung der Schuldenbremse bei der Finanzpolitik der letzten zehn Jahre hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir die Ausnahme von der Schuldenbremse heute überhaupt nutzen können und sie uns tatsächlich leisten können. Damit dies auch in der Zukunft funktionieren kann, muss die strenge Schuldenbremse auch zukünftig wieder Maßstab der Finanzpolitik bleiben und werden, und zwar auch mit den Hür

den der Verfassung; denn wir beweisen heute, dass diese Regeln, die wir uns selber gesetzt haben, krisenfest sind. Es gibt daher keinen Grund, daran zu rütteln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es ist die Legislative, es sind wir im Landtag, die die Abwägung zu treffen haben, in welchen Umfang die Gesellschaft die Kosten übernimmt, mit welchem Umfang wir als Allgemeinheit für die Kosten eintreten und wie viel wir dem Einzelnen zumuten. Wir müssen entscheiden, wie groß die Finanzmittel sein dürfen, die die Gesellschaft bereit ist, gemeinsam zu stemmen.

Vollkommen unstrittig ist da sicherlich, dass alle Mittel zur unmittelbaren - also zur medizinischen - Abwehr der Bedrohung durch das Coronavirus bezahlt und beschafft werden müssen. Es ist schlicht unsere Pflicht, dass diejenigen, die für die kranken Menschen im Gesundheitswesen da sind, die auch bei den Sicherheitsbehörden ihr Leben einsetzen, den bestmöglichen Schutz bekommen. Wir als Landtag können die Ausrüstung nicht selbst kaufen, aber wir können sicherstellen, dass die Beschaffung nicht am Geld scheitert, gerade in Zeiten, in denen alle diese Ausrüstung haben wollen und die Preise explodieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Virus ist aber nicht nur eine Bedrohung für Leib, Leben und Gesundheit. Es ist auch eine Bedrohung für unsere Wirtschaftskraft, für gesellschaftliche Strukturen, für unseren Wohlstand und für unsere Zukunft. Deshalb ist es nicht nur richtig, sondern es ist sogar unumgänglich, einen Rettungsschirm aufzuspannen, der jetzt schon fast inflationär als „Bazooka“ bezeichnet wurde. Die „Munition“ dafür legt das Parlament heute pauschal in die Hände des Finanzministers: einmal durch 1,4 Milliarden Euro Barmittel, aber auch durch Bürgschaftsmöglichkeiten in Höhe von 3 Milliarden Euro. Das ist auch richtig; denn niemand kann abschließend beurteilen, wie genau diese Mittel bis ins letzte Detail eingesetzt werden müssen. Wir wissen nur eines: Es muss schnell und unbürokratisch geschehen.

Herr Minister Hilbers, wir haben großes Vertrauen in Sie. Aber auch in solchen Zeiten gilt natürlich: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])