Protocol of the Session on February 27, 2020

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau da ist es wieder: Alles ist erlaubt und alles, was man sagen kann, ist zulässig? - Es gibt dafür Grenzen, und für das gesprochene, geschriebene oder geäußerte Wort trägt man Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Es gibt nicht nur ein Recht, etwas zu sagen, sondern es gibt auch eine Verantwortung für das, was man mit der Sprache auslöst. Das, was Sie hier zitiert haben, ist für mich genauso wenig akzeptabel wie „Messermänner“ und andere Sprachgebrauche.

Sie haben das Recht, das zu sagen, aber Sie haben auch die Verantwortung, genau zu überprüfen, was Sie damit auslösen und wen Sie damit zu etwas einladen. Diese Verantwortung kann Ihnen niemand nehmen.

(Zustimmung bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Mit „Frankfurt“ habe ich gemeint, dass Sie nicht akzeptiert haben, dass der Mann in Frankfurt krank war, aber dass Sie akzeptiert haben, dass der Mann in Hanau krank war. - Die Taten waren schrecklich und grausam. Beide Täter sind bzw. waren krank. Aber damit ist nicht zu rechtfertigen, dass beide eine Gewalttat begangen haben. Sie, Herr Ahrends, haben die eine Gewalttat verharmlost und die andere gegen Ausländer zugespitzt. Das ist genau das, was ich Ihnen vorwerfe: Sie missbrauchen es, Sie missbrauchen es immer wieder. Sie gehen mit der Sprache verantwortungslos um.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Zu- rufe von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Herr Ahrends möchte entgegnen. Bitte sehr!

Herr Watermann, jetzt verstehe ich Sie etwas besser.

Selbstverständlich sind wir uns dieser Verantwortung bewusst. Ich habe in meiner Rede eben noch gesagt, dass wir es befürworten, dass es leichter sein muss, Personen, die etwas im Netz posten, das andere herabwürdigt oder zu Gewalttaten und dergleichen einlädt, zu identifizieren, damit sie durch die bestehenden Gesetze verfolgt und bestraft werden können. Ich rede hier vom Strafgesetzbuch und von anderen Gesetzen, die wir haben. Es muss möglich sein, diese Gesetze auch gegen Menschen, die Hass-Postings im Internet verbreiten, anzuwenden.

Ich habe beide Taten, sowohl den Anschlag in Hanau als auch den Anschlag bzw. den, wenn man es so nennen darf, Mord an dem achtjährigen Leon S. in Frankfurt, kritisiert. Ich habe keine dieser Taten gutgeheißen.

Ich habe nichts von einem Manifest oder von anderen Äußerungen gehört, die der Täter in Frankfurt gemacht hätte. Er ist von irgendwo aus der Schweiz gekommen. hatte Ärger mit seiner Familie, oder wie auch immer, und wurde später als psychisch nicht zurechnungsfähig erklärt. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ein Mensch, der so etwas tun, ist psychisch nicht zurechnungsfähig; das ist völlig klar. Bloß in dem Fall von Tobias R. war es schon 18 Monate vorher bekannt. In dem Fall in Frankfurt ist es erst nach der Tat bekannt geworden.

Wenn ein Kind getötet wird, dann bin ich als Vater ganz besonders betroffen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Die Toten in Ha- nau hatten auch Eltern! Das ist doch nicht zu glauben!)

Deswegen habe ich mich vielleicht ein bisschen im Ton vergriffen. Aber dazu stehe ich auch.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ahrends. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal die Kollegin Susanne Menge zu Wort gemeldet.

Sie haben noch eine Restredezeit von drei Minuten. Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident. - Diese Debatte zeigt einmal mehr, dass die Strukturen unseres Parlamentarismus nicht immer geeignet sind, um ganz wichtige Themen, die auch uns als Teil der Gesellschaft betreffen, hier nicht nur zu diskutieren, sondern sich auch ernsthaft, wie Uli Watermann es gefordert hat, mit dem Hass und damit auseinanderzusetzen, welche Verantwortung wir tragen und welche Vorsicht wir üben sollten, um diese Verantwortung auch so in uns zu verankern, dass so etwas nicht passiert, Herr Ahrends.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jemand, der sich gegen seine eigenen Parteimitglieder wendet, weil sie faschistische, faschistoide Überzeugungen tragen, der wendet sich von der Partei ab oder erklärt öffentlich, dass so etwas nicht geht, dass das das Klima vergiftet und dass das vor allen Dingen auch unsere Demokratie und die Gepflogenheiten der Demokratie vergiftet! Man sorgt innerhalb seiner Fraktion dafür, dass bestimmte Regelungen eingehalten werden, die diesen Parlamentarismus und die Demokratie befördern!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir erleben doch jedes Mal im Plenum und in den Ausschusssitzungen, was das heißt. Inzwischen ist es hier Usus, dass sich Abgeordnete aus der einen Fraktion zu Abgeordneten aus einer anderen setzen.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Es ist inzwischen Usus, dass man miteinander spricht, dass man Zweier- oder Dreiergespräche führt, dass man die Chance hat, fraktionsübergreifende Anträge einzubringen und mit den Menschen darüber redet. Das ist die Ebene des Parlamentarismus, die deutlich macht, dass man miteinander reden kann, um ein Ziel gemeinsam zu verfolgen.

Das heißt aber auch, dass man von eigenen Ansprüchen Abstand nimmt, und das heißt vielleicht auch, dass man eine Überzeugung, die man hatte, korrigiert. Die Selbstreflektion ist immer noch ein geeignetes Mittel, um auch innerhalb der Demokratie dafür zu sorgen, dass man sich auf einen anderen Weg begibt, und dass man erkennt, dass

der Weg, den man eingeschlagen hat, absolut der falsche war.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der AfD: Tolle Selbst- erkenntnis!)

Ich nehme mit, dass alle Fraktionen beide Anträge im zuständigen Ausschuss beraten wollen. Ich hoffe, dass wir das mit der nötigen Zeit und auch mit der nötigen Offenheit tun können.

Ich glaube, dass wir alle sehr davon profitiert haben, dass wir, nach dem Krieg, in einer Zeit aufgewachsen sind, in der man sich überlegt hat: Wie schlichtet man Streit? Wie geht man miteinander um? Wie befördert man das Soziale in der Gesellschaft? Wie befördert man das Zusammenleben in ihr? Diesbezüglich tragen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Psychologen und Psychologinnen eine große Verantwortung.

Wer Angst davor hat und diese Errungenschaften und auch die Menschen, die über Jahrzehnte für sie gekämpft haben, ablehnt, muss sich fragen, ob die eigenen Instrumente des Miteinanders, des sozialen Miteinanders, der Interaktion und der Kommunikation die falschen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke, Frau Kollegin Menge.

Da uns weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, kommen wir jetzt zur Ausschussüberweisung.

Wer diesen Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport überweisen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie so überwiesen.

Wir kommen jetzt zu dem

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Gerechtigkeitslücke schließen - Wohnraumschaffung begünstigen und Rechtsfrieden

stärken - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/5867

Zur Einbringung hat sich für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Christopher Emden gemeldet. Er steht auch schon am Pult.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte einmal folgenden Fall vor: Eine Dame mittleren Alters - nennen wir sie Ilse Meyer - mit mittlerem Einkommen plant, für die Altersvorsorge eine Immobilie anzuschaffen, z. B. eine Eigentumswohnung, die sie vermieten möchte. Folgende Gedanken treiben sie: Das Zinsniveau ist relativ niedrig, d. h. man kommt klar, man kann Zinsen und Tilgung bedienen und hat eine veritable Immobilie, auf die man sich verlassen kann, wenn es im Alter darangeht, die Rente entweder durch Vermietung oder auch durch Verkauf aufzubessern.

Wenn Ilse Meyer an die falschen Mieter gerät, z. B. an Mietnomaden, die unser Mietrecht dahin gehend ausnutzen, dass sie keine Miete oder nur eine reduzierte Miete zahlen, ohne dass die Wohnung irgendwelche Mängel aufweist, was muss sie dann machen? Klar, sie muss klagen. Das heißt, sie hat zunächst einmal einen großen Mietausfall über mehrere Monate oder gar Jahre, nämlich so lange, wie das Verfahren in allen nötigen Instanzen andauert. Wurde die Miete zu Unrecht reduziert, dann wird dies gerichtlich festgestellt. Einem etwaigen Räumungsanspruch von Ilse Meyer wird dann natürlich stattgegeben, und ihr wird der Nachzahlungsanspruch zugesprochen.

So weit, so gut, sollte man meinen. Bloß, in der Praxis kommt es leider durchaus vor - ich will das nicht verallgemeinern; es sind zum Glück keine allzu häufigen Fälle, aber es ist eben doch eine Zahl an Fällen, die einen umtreibt und die man als Rechtspraktiker einfach nicht aus den Augen lassen darf - - -

(Unruhe)

Einen kleinen Moment, Herr Abgeordneter Emden! - Ich bitte alle Herren in dunkelblauen Jacken und hellblauen Hemden, die Unterhaltungen einzustellen. - Vielen Dank.

(Heiterkeit)

Herr Emden, Sie können gerne fortfahren.

In der Rechtspraxis kommt es also durchaus vor, dass sich z. B. für Ilse Meyer - um bei diesem Fall zu bleiben -, nachdem sie dieses Verfahren eventuell in zwei Instanzen hat durchfechten müssen, herausgestellt hat: In der Wohnung lagen keine

Mängel vor, es gab keine Berechtigung, den Mietzins zu reduzieren, durch die Kosten des Verfahrens und durch den Mietausfall hat sich ein veritabler Kostenposten aufgebaut. Nicht selten wird in solchen Fällen die Wohnung dann auch noch in einem Zustand hinterlassen, der umfangreiche Renovierungen nötig macht. Das kann sich durchaus zu einem fünfstelligen Betrag summieren. Solche Schadenssummen sind keine Seltenheit.

Frau Meyer, die während des Prozesses keine Mieteinnahmen hat, muss trotzdem den Kredit weiter bedienen, Zinsen zahlen, Tilgung zahlen. Sie hat das Ganze so kalkuliert, dass es langsam eng wird. Wie gesagt, sie muss auch die Prozesskosten verauslagen, den Anwalt bezahlen und Ähnliches.

Es gibt durchaus Fälle, in denen das jemandem wirtschaftlich das Genick bricht. Es kann durchaus dazu kommen, dass Frau Meyer den Prozess zwar gewinnt, aber, weil der oder die Mieter über kein Vermögen verfügen, weil sie das durch die unberechtigte Mietminderung eingesparte Geld für Lebenshaltung oder was auch immer verbraucht haben und sich als vermögenslos darstellen, nichts von dem Geld sieht, das ihr eigentlich zusteht. Dann passiert es manchmal, dass das Objekt nicht gehalten werden kann, dass es zur Zwangsversteigerung kommt und man damit seiner Altersversorgung beraubt ist.