Aber wie ernst nehmen wir den Kampf gegen rechten Terror? Was sind uns Demokratie und offene Gesellschaft, was ist uns der Schutz von Minderheiten wirklich wert? Streiten wir gemeinsam dafür, dass in Bund, Land und Kommunen mehr passiert? - Dann müssen wir mehr Geld in die politische Bildung stecken - an Schulen wie an Universitäten.
Wir fordern seit Jahren eine auskömmliche Ausstattung für Beratungsstellen wie die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, Opferberatungen und Aussteigerorganisationen. Es kann und darf nicht sein, dass erfolgreiche Organisationen Jahr für Jahr um ihr Überleben kämpfen, während ihre Arbeit gerade jetzt für unsere Gesellschaft wichtig ist. Solche Strukturen müssen verstetigt werden, damit der Kampf gegen den Rechtsextremismus langfristig geführt werden kann.
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung von Deniz Kurku [SPD], Andrea Schröder-Ehlers [SPD] und Christian Grascha [FDP])
Es ist höchste Zeit, alle Rechtsextremisten mit der vollen Härte des Rechts zu treffen, ihre Umfelder konsequent auszuleuchten und ihre Strukturen endlich zu zerstören. Dafür müssen rechte Straftaten endlich stärker in den Blick genommen werden. Der Fahndungsdruck auf Rechte muss sich erheblich erhöhen. Das bedeutet auch, schnelle Ermittlungsverfahren und Verurteilungen zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, der Zehnpunkteplan ist ein Einstieg in die Einlösung unseres Versprechens, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu stärken. Lassen Sie uns aber nicht an den zehn Punkten kleben. Viele weitere Schritte müssen folgen. Aber unser Zehnpunkteplan würde Menschen besser schützen, den Zugang zu Waffen erschweren und Hass im Netz eindämmen.
Herr Ministerpräsident Weil, Sie haben es gestern richtig gesagt: Wir sind mehr! - Damit haben Sie recht. Mahnwachen sind gut und richtig, um Haltung zu zeigen und sich solcher Mehrheiten zu
vergewissern. Aber die Opfer und ihre Angehörigen erwarten zu Recht mehr von uns, und sie verdienen auch mehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des unfassbaren rechtsterroristischen Anschlags von Hanau sollten wir als gewählte Abgeordnete zwei Versprechen abgeben: Niemals dürfen wir die Opfer vergessen, und niemals dürfen wir aufhören, mit aller Härte gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zu kämpfen.
Erstens. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen und Demokraten. Gemeinsam müssen wir für unsere Grundwerte kämpfen - mit Taten, mit Worten, am Arbeitsplatz, auf der Straße, in der Schule, auch am Stammtisch. Wir müssen, meine Damen und Herren, die Spaltung unserer Gesellschaft überwinden! Zusammenhalt und Rückgrat - das ist das Gebot der Stunde.
Zweitens. Wir müssen unseren wehrhaften Rechtsstaat stärken. Wenn wir es tatsächlich schaffen wollen, Hass und Hetze im Internet zu bekämpfen, dann müssen wir allerdings auch bereit sein, IP-Adressen länger zu speichern und Port-Nummern zu speichern. Das gehört auch zur Wahrheit. Denn wenn wir das im weltweit offenen Internet nicht machen, werden wir diese Täter nicht entlar
Drittens. Wir brauchen Spezialisten und den Einsatz moderner Technik. Im Bereich der Sicherheitsbehörden sind wir zum einen auf IT-Experten angewiesen. Diese werden wir aber nur bekommen, wenn wir sie besser bezahlen. Eine spezialisierte IT-Laufbahn mit annähernd marktgerechten Gehaltsstrukturen ist überfällig, und deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir sie einführen.
Zum anderen brauchen wir den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um die Fülle von Informationen im Internet filtern, sichern und auswerten zu können. Sonst wird uns das nicht gelingen. Deshalb müssen wir die Nutzung von Big Data intensivieren und in diesem Bereich investieren.
Viertens. Wir müssen das GIAZ zu einem Terrorabwehrzentrum weiterentwickeln. Eine lückenlose Überwachung ist eine Sache von Diktaturen; sie hat in der Demokratie nichts zu suchen. Aber wenn wir Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden haben, dann müssen wir sie bündeln und zusammenfassen. Deshalb muss das Terrorabwehrzentrum des Bundes auch für Niedersachsen Benchmark sein.
Meine Damen und Herren, Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ sind keine neuen Befugnisse - das sind die Antworten auf moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Der Verfassungsschutz darf nicht taub und blind werden!
Fünftens. Wir müssen verhindern, dass Extremisten und psychisch Kranke in den Besitz von Waffen gelangen. Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz ist, Gott sei Dank, gesetzlich geregelt. Aber es bleibt die Frage offen, wie wir es erreichen können, dass die Waffenbehörden an Informationen über psychisch Kranke gelangen. Wenn ich sehe, dass die Namen von an Mumps Erkrankten an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden müssen, muss doch die Frage erlaubt sein, ob nicht auch klar definierte psychische Erkrankungen an das Landesgesundheitsamt gemeldet werden sollten, um der Waffenbehörde die Möglichkeit zu geben, dort anzufragen. Darüber müssen wir sprechen.
Sechstens. Wir müssen die Prävention ausweiten. Unter der Federführung der Justizministerin sind schon viele wichtige Präventionsmaßnahmen eingeleitet worden. Aber wir sehen uns einer neuen Herausforderung gegenüber: Die Radikalisierung findet über das Internet statt. Deshalb müssen wir eine Online-Deradikalisierungsstrategie entwickeln. Dafür brauchen wir Psychologen, weitere Wissenschaftler und natürlich Fachpersonal auch aus den Sicherheitsbehörden. Ich schlage eine Präventionsoffensive vor - dafür sollten wir 1 Million Euro zur Verfügung stellen -, um genau in diesem Punkt nicht nur zu forschen, sondern auch so schnell wie möglich etwas auf den Weg zu bringen. Wir müssen auch im Internet Interventionsmaßnahmen zur Verfügung stellen, weil wir ansonsten dieser Radikalisierung nicht Herr werden können.
Meine Damen und Herren, die Anschläge haben gezeigt, dass wir in diese Deradikalisierungsarbeit auch andere Gruppen einbeziehen müssen, z. B. Psychologen. Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Punkt. Wir müssen die Fallkonferenzen, die es im Bereich des islamistischen Extremismus gibt, auch in diesem Bereich einführen und umsetzen.
Meine Damen und Herren, ganz zum Schluss: Es ist richtig, dass der Bundesinnenminister wie auch alle Länderinnenminister - auch Innenminister Pistorius - den Schutz von muslimischen Einrichtungen und von Mitbürgerinnen und Mitbürgern muslimischen Glaubens verstärkt haben. Aber die Botschaft muss doch lauten, dass wir den Dialog mit unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, mit den muslimischen Nachbarn verstärken. Die Botschaft muss eindeutig sein: Fremdenhass und Gewalt gegen Menschen muslimischen Glaubens haben in unserem Staat keinen Platz, meine Damen und Herren!
Die Gruppierungen, die dafür stehen, dass der rechte Terror kein neues Phänomen ist, sind vielzählig. Ob man nun ab 1950 oder ab 1960 explizit vom Rechtsterrorismus spricht - Fakt ist, dass es auch nach den schrecklichen Erfahrungen der NSZeit Menschen gab und gibt, die versuchen, den blutigen und grausamen Faden unserer Geschichte bin ins Jetzt weiterzuspinnen. Der NSU, die Gruppen Freital, Nordkreuz, die Gruppe S., Teutonia und wie sie alle heißen - sie alle versuchen, genau da anzuknüpfen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Wir erleben Bedrohungen und Anschläge auf Synagogen, Moscheen, Flüchtlingsunterkünfte, Beratungs- und Kultureinrichtungen, KZ-Gedenkstätten, Parteibüros und Politiker, Shishabars, Imbisse und auf alle, die nicht in ihr krudes Weltbild passen.
Auch wenn dieser Terror eine traurige Tradition hat, erlangt er nicht zuletzt durch das Internet und die sozialen Medien eine besondere Dynamik. Die Radikalisierung erfolgt durch Echokammern und Filterblasen schneller. Durch das Hochladen von menschenverachtenden Hassmanifesten erlangen Einzelne im weltweiten Netzwerk, einer Parallelgesellschaft des Hasses, falschen Ruhm. Attentatsübertragungen in Echtzeit werden - als sei das alles nicht schon menschenverachtend und widerwärtig genug - von völlig Entrückten auch noch mit Punktesystemen für Bewertungen unterlegt.
Immer neue Berichte über rechte Gewalttaten schockieren Woche für Woche, manchmal Tag für Tag. Die Antwort kann nur - das wurde eben auch schon gesagt - aus einem Mix von Präventions-, Bildungs- und Fortbildungsangeboten, einer Stärkung von Strafverfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden, aber auch der Gerichte liegen.
Die Polizei in Niedersachsen geht mit gutem Beispiel voran. Sie setzt bereits bei der Ausbildung darauf, sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinanderzusetzen, und reflektiert ihre Strukturen. Hier im Landtag haben wir einiges auf den Weg gebracht; Zusätzliches wurde über den Bundesrat eingebracht.
Besonders herausfordernd ist es, dass viele Täter vorher eben nicht in Erscheinung getreten sind. Die Verfolgung und Ahndung von Onlinehetze sind ebenso wichtig wie eine Regelabfrage bei der Waffenausgabe oder auch die länderübergreifende behördliche Zusammenarbeit.
Wir in Niedersachsen - das zeigen Regierung wie Fraktionen - sind klar: klar in den Ansichten, klar in der Arbeit. Das hat heute auch der Innenminister hier deutlich gemacht.
Schon immer gab es Rassisten und auch Faschisten inmitten unserer Gesellschaft. Aber dass diese auch in Parlamenten zu finden sind oder Parlamentarier, wie auch die AfD-Fraktion hier zu meiner rechten Seite, mit ihnen gemeinsame Sache machen, ist eine neue Qualität und bewirtschaftet den Boden des Hasses weiter und weiter und weiter.
Frau Guth und die Herren der AfD-Landtagsfraktion: Extremisten engagieren, mit Pegida marschieren, mit Kubitschek diskutieren und zu allem Überfluss noch Höcke hofieren - wenn so Ihre Distanz zum Rechtsextremismus aussieht, dann gute Nacht, AfD!
(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP - Widerspruch von Klaus Wichmann [AfD])
Sorgen Sie doch mal für klare Kante - oder wie man bei uns in Norddeutschland sagt: Butter bei die Fische! -, statt sich hier in Gejammere und Selbstmitleid zu suhlen: „Alle sind gegen uns!“ - Natürlich sind wir bei solchen Ansichten gegen Sie!