Stimme geben. Nein, wenn Sie ein solches Verhalten an den Tag legen, dann müssen Sie natürlich mit der deutlichen Kritik aus allen anderen Parteien und Fraktionen auf Bundes- und Landesebene leben und sie akzeptieren, Kolleginnen und Kollegen.
Thüringen war zunächst ein Tiefpunkt der parlamentarischen Demokratie. Ganz ohne Frage! Aber Thüringen war auch eine Sternstunde: eine Sternstunde der Zivilgesellschaft, die mit zahlreichen Demonstrationen in ganz Deutschland schnell und deutlich zeigte, was sie von diesem Tabubruch hält, eine Sternstunde der freien Presse, die von Ihnen ja auch immer wieder angegriffen wird und die einmütig das Verhalten der beteiligten Akteure missbilligte.
Es war auch - das will ich ganz deutlich sagen - eine Sternstunde der großen Parteien in diesem Land - CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke -, die teilweise früher, teilweise später, aber letztlich einmütig und alle in großer Klarheit -
beispielhaft sei hier nur der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit seinem sehr eindeutigen Statement bereits am Mittwoch genannt - dieses Verhalten verurteilt und abgelehnt haben. Es war eine Sternstunde der demokratischen Parteien in diesem Land.
Es gab dann zum Teil Versuche - die sind von uns zurückgewiesen worden -, SPD und Grünen irgendwie eine Mitschuld in die Schuhe zu schieben. Dazu nur so viel: Das Problem war doch nicht, dass sich SPD und Grüne in Thüringen irgendwelchen Gesprächen verweigert hätten. Wir haben mit CDU und FDP zahlreiche Gespräche geführt. Das Problem ist, dass es, solange die Hufeisentheorie in der CDU maßgeblich ist, in Thüringen keine Mehrheit jenseits der AfD geben kann, weil es eben keine Mehrheit ohne die Linkspartei gibt. Insofern bin ich froh, dass es innerhalb der CDU Deutschlands mittlerweile Diskussionen darüber gibt, ob dieses Verhalten tatsächlich noch angemessen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Grascha hat es angesprochen: Es gab in der Folgezeit Angriffe, Bedrohungen, üble Beschimpfungen und Beleidigungen als Nazis gegen Kolleginnen und Kollegen der FDP. Das - das haben Sie zu Recht gesagt - war natürlich nicht in Ordnung. Das war keine Sternstunde. Es hat nichts mit Demokratie zu tun, Sie zu bedrohen, zu beleidigen und anzugreifen. Es war richtig, dass sich dem viele entgegengestellt haben. Kritik und Demonstrationen sind legitim.
Aber solche Beleidigungen und Angriffe sind nicht legitim. Keiner von Ihnen muss es sich gefallen lassen, als Nazi beschimpft zu werden. Das ist absolut inakzeptabel.
Ihr Ablenkungsmanöver ist gescheitert. Das habe ich Ihnen eingangs gesagt. Wovon wollte die AfD ablenken? - Sie wollen wahrscheinlich davon ablenken, dass es - der Ministerpräsident hat es adressiert - Herr Bothe war, der immer wieder Shishabars zum Gegenstand von Kampagnen gemacht hat und ihm das nach Hanau dann vielleicht doch unangenehm ist.
Sie wollen davon ablenken, dass Sie im Dezember einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, in dem Sie den Völkermord an den
Herero und Nama in Namibia leugnen. Endlich mal ein Völkermord, den Sie leugnen können, oder wie haben Sie sich das gedacht?
Sie wollen davon ablenken, dass ein AfD-Landtagsvizepräsident in Brandenburg eine politische Debatte über den Rechtsterrorismus, die die CDUFraktion beantragt hat, unterbinden möchte.
Wahrscheinlich wollen Sie auch davon ablenken, dass es Herr Lilienthal und Herr Bothe waren, denen zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen nichts anderes einfällt, als ausgerechnet eine Veranstaltung mit Herrn Björn Höcke hier in diesem Land durchführen zu wollen.
Ein letzter Satz: Sie versuchen verzweifelt, sich mit weißen Mäntelchen zu bedecken, und hoffen, dass die zahlreichen braunen Flecken auf Ihrer Kleidung dann nicht auffallen. Dieser Versuch wird Ihnen auch zukünftig nicht gelingen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich der AfD-Fraktion dafür danken, dass sie diese Aktuelle Stunde eingereicht hat. Sie gibt mir jedenfalls die Möglichkeit, die Sicht meiner Fraktion zu diesem wichtigen Vorgang hier noch mal herauszustellen.
Ich will vorab die von Ihnen formulierte Frage: „Offenbart der Umgang mit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen ein Demokratiedefizit?“ beantworten: Nein, das tut es nicht. Er offenbart aber ein Anstandsdefizit. Das gilt insbesondere für die AfD.
Die Ereignisse in Thüringen haben starke Auswirkungen. Ich glaube, man darf sagen: für alle Parteien. Auch das betrifft die AfD.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass als Grundlage für die Vorgänge im Landtag in Thüringen zunächst das Ergebnis der Wahlen zu erwähnen ist, aus denen DIE LINKE als stärkste Kraft hervorgegangen ist. Alle Umfragen zeigen bis heute, dass eine Mehrheit der thüringischen Bevölkerung Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten haben will.
- Da Sie die Demokratie immer so nach vorne stellen, sollten Sie das an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen.
Gleichzeitig gab es ein Wahlergebnis, bei dem Rot-Rot-Grün ohne eigene Mehrheit im Landtag blieb und eine sogenannte Simbabwe-Koalition, also CDU, FDP und Grüne, auch nicht über eine eigene Mehrheit verfügte, sodass sich eine Regierungsbildung in der Tat als schwierig erwies.
Herr Grascha, in aller Zurückhaltung will ich sagen: Der Hinweis, alle Parteien hätten sich doch mehr bemühen müssen, um dort etwas hinzukriegen, ist in der Sache sicherlich nicht falsch. Aber gerade von der FDP, die bei der Regierungsbildung im Bund und im Land Niedersachsen so etwas wie Arbeitsverweigerung betrieben hat, würde ich mir ein bisschen mehr Demut an dieser Stelle wünschen.
(Beifall bei der SPD - Dana Guth [AfD]: So ist es! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Oh Gott! - Christian Grascha [FDP]: Das ist Klein-Klein! Das Thema ist für Belanglosigkeiten viel zu wichtig!)
Dann gibt es drei Wahlgänge. Zur Wahl stehen im ersten Bodo Ramelow und Herr Kindervater von der AfD, der schon im ersten Wahlgang mehr Stimmen bekommt, als die AfD über Plätze im Landtag verfügt.
Im zweiten Wahlgang bekommt Herr Ramelow 44 Stimmen. Das reicht aber nicht, da eine absolute Mehrheit von 46 Stimmen erforderlich ist.
Und im dritten Wahlgang wird ein neuer Bewerber aus dem Hut gezaubert, nämlich Herr Kemmerich von der FDP, der selbst kundgetan hat - ich kann das nur zitieren -, das sei eine eher symbolische Kandidatur gewesen. Dann wird gewählt, und der Kandidat der AfD erhält exakt null Stimmen. Ich werde eine Bewertung gleich vornehmen.
Gab es Absprachen? Gab es Wissen vorher? - Ich weiß es nicht. Ich war nicht involviert. Aber immerhin hat Wolfgang Tiefensee von der SPD einen Tag vorher vor einem solchen Dammbruch, der ein schwerer Schaden für die Demokratie wäre und negativ weit über Deutschland hinaus ausstrahlen würde, gewarnt. Also, völlig fern liegt die Einschätzung, dass es irgendwelche Gespräche hinter den Kulissen gegeben haben könnte, vielleicht nicht.
Der erste Tabubruch war - in Deutschland noch nicht vorgekommen -, eine AfD-Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn man auf sie angewiesen ist. Das ist etwas anderes, als wenn irgendwelche Abgeordneten der AfD irgendwelche anderen Kandidaten wählen, z. B. gestern bei der Richterwahl zum Staatsgerichtshof.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Syl- via Bruns [FDP] - Zuruf von Dana Guth [AfD])