Die hier vertretene These, es seien vor allem die Baustellen schuld, ist aus meiner Sicht allerdings falsch. Mindestens die Hälfte aller Staus - so Wissenschaftler - entstehen, weil das Straßennetz überlastet ist. Das ist auch kein Wunder. Von 1980 bis heute hat sich die Zahl der Pkw in Deutschland auf rund 45 Millionen verdoppelt. Früher kam ein Auto auf eine Familie. Heute fährt nahezu jeder
Erwachsene sein eigenes Auto. Mehr als zwei Drittel aller über 18-Jährigen besitzen ein Auto. Der ständig zunehmende Gütertransport auf der Straße lässt die Anzahl der Lkw, die über die Autobahnen rollen, massiv ansteigen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Meine Damen und Herren, wie sich bislang gezeigt hat, ändert der vermeintliche Lösungsansatz des ökologisch und ökonomisch unsinnigen Neubaus von Autobahnen nichts Wesentliches an dem Hauptproblem der Übersättigung. Von 2001 bis 2015 sind rund 1 100 km Autobahn in Deutschland gebaut worden. Das Stauproblem verschärfte sich aber weiter. Wir können offenbar gar nicht so schnell bauen, wie neue Fahrzeuge hinzukommen.
Auch die Scheinlösungen, die Verkehrsminister Althusmann zum Wochenbeginn verkündete, und die, die sich in den beiden vorliegenden Anträgen nachlesen lassen, helfen nicht dauerhaft weiter. Eine Stabsstelle kann man durchaus noch begrüßen, genau wie ein verbessertes länderübergreifendes Verkehrskoordinationssystem.
Dirk Altwig, Redakteur der Neuen Presse, stellte nach dem schlimmen Unfall am Montag in seinem Kommentar die Frage: „Was passiert, wenn Straßen chronisch überfüllt sind?“, und antwortet darauf selbst: „Vielleicht gibt es aber auch einen Punkt, an dem schlicht keine weiteren Wagen mehr auf die Strecke sollten.“ Er schlägt vor, „Fahrten zu vermeiden oder Güter auf Schiene und Wasserstraße zu transportieren“. Denn immerhin gehe es „um Leben und Tod“ und „nicht nur ums Geschäft“.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schulz-Hendel, es ist schon eine schwierige Diskussion, wenn die Grünen einerseits sagen:
„Die Straßen sind zu voll, deshalb gibt es zu viele Unfälle und auch zu viele Staus“, aber andererseits verhindern, dass Autobahnen in Niedersachsen gebaut werden. Es war Jürgen Trittin, der sich in den 90er-Jahren damit gerühmt hat, dass keine einzige Maßnahme zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet wurde. Die nicht angemeldeten Straßen sind nicht gebaut worden. Deshalb kann darauf auch kein entlasteter Verkehr fahren. So einfach ist das, Herr Schulz-Hendel.
Nun ist das alles vor Ihrer Zeit gewesen. Aber das ist Fakt. Natürlich kann man durch Neubau die Verkehrsdichte gerade auf den sensiblen Straßen entzerren und entlasten.
Natürlich würden auch wir uns freuen, wenn mehr auf der Binnenwasserstraße transportiert würde. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in Berlin ganz lange ganz viel beispielsweise gegen den Neubau der Schleuse Lüneburg gekämpft wurde, dass wir nicht durchkamen und dass damit die Möglichkeiten dort reduziert wurden.
Zu Ihrer Statistik, dass hier nur 10 % der Staus sind, weniger als in Bayern: Wenn wir wesentlich weniger Autobahnen haben, dann haben wir natürlich nominell auch wesentlich weniger Staus. Aber die Wahrheit ist, dass in den letzten zwei Jahren die Staus in Niedersachsen extrem zugenommen haben, um über 43 %. In Bayern, wo es genauso zusätzliche Baustellen gab, hat der Staulängenzuwachs dank intelligenter niedersächsischer Technologie nur 16 % betragen. Das in Niedersachsen war also der Stau von Olaf Lies.
Herr Bode, man kann das so verstehen, wie Sie es hier vorgetragen haben. Allerdings geht es doch darum, nicht für mehr Verkehr zu sorgen und den zufriedenzustellen, sondern für weniger Verkehr auf den Straßen. Was Sie hier insgesamt vorschlagen - Autobahnen zu stärken -, ist ein Bekämpfen der Symptome, aber nicht der Ursachen.
Wir brauchen weniger Verkehr auf den Straßen und nicht immer neue Maßnahmen, um noch mehr Verkehr zu fördern und zu unterstützen. Das ist die Wahrheit, und das ist eine echte Verkehrswende. Ihre altbackene Betonpolitik ist von gestern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht so, als sei die Thematik nicht schon in den letzten Legislaturperioden ausgiebig behandelt worden. Was ist eigentlich seit der letzten Großen Anfrage vom 24. November 2016 passiert? Das darf man sich ruhig einmal fragen. Nutzt die Landesregierung hin und wieder die Autobahn? Kennt sie die kilometerlangen Staus, die die Pendler, die Tag und Nacht dort stehen, ertragen müssen? Kennt sie die Unfallschwerpunkte durch Fahrbahnverengungen, die unübersichtlichen Baumaßnahmen und vor allem die Zeitverluste, die tagtäglich entstehen? Man könnte glauben, CDU und SPD würden hier nicht schon seit Jahrzehnten regieren.
Auf dem Neujahresempfang der Stadt Lehrte hat der Bürgermeister die anwesenden Landtagsabgeordneten gebeten, auf die besonders schlimme Situation auf dem Streckenabschnitt der A 2 zwischen Hämelerwald und Lehrte-Ost hinzuweisen. Als Landtagsabgeordneter, aber auch als Ratsherr der Stadt Lehrte komme ich dem nun gerne nach. Beispielsweise gab es im Jahr 2017 laut dem ADAC alleine auf der A 2 zwischen Hämelerwald und Lehrte-Ost 2 222 Staukilometer, sodass die Autofahrer dort 552 Stunden oder, umgerechnet, 23 Tage im Stau standen. In den letzten 120 Tagen gab es auf dem eben genannten Streckenabschnitt an 103 Tagen einen Unfall. Erkennen Sie das Verbesserungspotenzial? Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Zeitverluste und Unfälle sind immens.
Schon bei der Planung war klar, dass eine Strecke zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin zu einer der am meisten frequentierten Strecken in Deutsch
land werden würde. Spätestens nach dem Mauerfall war dies offensichtlich. Niedersachsen hatte also 28 Jahre Zeit, die Baumaßnahmen durchzuführen. Scheinbar wurde dies aber verschlafen. Dass das Verkehrswegenetz ausgebaut werden muss, sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein. Die Einrichtung eines 24-Stunden-Baubetriebs an sieben Tagen, um die Belastung für die Nutzer der Autobahn zu minimieren, ist daher eine Minimalforderung.
Neben dem Ausbau der Autobahn muss vor allem in die Verkehrslenkung investiert werden; denn viele der Staus könnten vermieden werden, wenn der Nutzer verlässlich darüber informiert werden würde, wann und wie er die Infrastruktur nutzen kann. Auch sollte man stärker darauf hören, was die Verkehrsexperten und die Verwaltung raten. Als dringende weitere Maßnahme sollte man daher die Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen/Region Hannover personell und fachlich stärken. Auch einige meiner Vorredner haben das gefordert. Wir sind gespannt, was passieren wird. Wir werden den Antrag im Ausschuss diskutieren.
Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem so zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Damit sind die Anträge einstimmig in die Ausschüsse überwiesen.
Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Näher am Verbraucher, näher am ökologischen und ökonomischen Optimum - Chancen der Digitalisierung in der Landwirtschaft nutzen - Umsetzung durch das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) voranbringen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/161
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung wird die Gesellschaft in den nächsten Jahren gravierend verändern. Ich denke, man kann zumindest für den Niedersächsischen Landtag zunächst einmal positiv feststellen, dass fraktionsübergreifend alle die Chancen der Digitalisierung zunächst im Vordergrund sehen und nicht die Risiken und dass auch die Landesregierung erklärt hat, sie wolle sich aufmachen, die Chancen zu nutzen und die Digitalisierung aktiv zu gestalten.
Es gibt einen Bereich, der bei der Digitalisierung vielleicht nicht jedem sofort in den Sinn kommt, an den man nicht unbedingt als Erstes denkt, der aber ganz große Chancen durch die Digitalisierung bekommt und für die Gesellschaft große Vorteile bringen kann. Es handelt sich dabei um einen der Kernwirtschaftszweige Niedersachsens, nämlich die Landwirtschaft.
Durch Digitalisierung, durch Netzwerke könnte gerade der Verbraucher - ich erinnere an die Diskussion über niedrige Preise beim Discounter -, der durchaus bereit ist, für höhere Qualität mehr zu bezahlen, wenn er denn wüsste, wo und wie er die erforderlichen Informationen einfach bekommt, wesentlich mehr Informationen bekommen.
Die Landwirtschaft hätte die Möglichkeit, gerade diese Verbraucher, die nicht auf dem Lande, nicht beim Bauernhof nebenan, sondern in den Städten wohnen, besser zu erreichen. Sie könnte auch höhere Preise für bessere Tierhaltung erzielen.
Wir haben eine klassische Win-win-Situation. Deshalb macht es Sinn, in den Ausbau derartiger Netzwerke zu investieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es macht auch Sinn, die Chancen der Digitalisierung bei den Produktionstechniken ins Auge zu nehmen. Denn worüber diskutieren wir oft in der Landwirtschaft streitig? - Gerade bei der pflanzlichen Produktionstechnologie werden durchaus Stoffe genutzt, die Belastungen erzeugen, wie beispielsweise die Nitratbelastungen durch Düngung etc. Digitalisierung und neue Technologien machen es möglich, dass kleine autonome Pflanzroboter beispielsweise schneller und besser navigieren können, dass man durch Kameras, durch
Laserscanner, durch eine digitale Vernetzung mit Kartensystemen zielgerichtet nicht nur düngen, sondern auch bewässern sowie Schadstofferreger und Krankheiten besser identifizieren kann. Sowohl im konventionellen als auch im Bio-Bereich können solche Roboter einzelne befallene Pflanzen entfernen und damit die Möglichkeit einer effizienteren und damit auch ökologischeren Landwirtschaft eröffnen.
Man kann bei der Düngung mit sehr viel weniger Einträgen auskommen, weil man zielgerichtet bei den Pflanzen agieren kann. Man kann aber auch den CO2-Abdruck im Bereich des Klimawandels der Landwirtschaft deutlich verbessern, weil gerade bei der Lager- und Lieferlogistik und bei der Ernte durch neue Technologien, durch digitale Vernetzung entsprechende Potenziale zur Effizienzsteigerung vorhanden sind.
Man kann im Bereich der Tiergesundheit ganz große Fortschritte machen, weil durch entsprechende Computer- und Roboterüberwachung Krankheiten bei Tieren viel schneller und effizienter identifiziert werden können, als dies dem normalen Landwirt bei der Betreuung seiner Stallungen und seines Tierbestandes möglich ist. Man kann auch durch neue Messtechnologien bei Tierarten beispielsweise erkennen, ob sich eine Grippe, eine Erkrankung abzeichnet, und damit den Antibiotikaeinsatz, der ja ebenfalls in der öffentlichen Diskussion ist, minimieren.