Protocol of the Session on October 25, 2019

Auch zu dem, worüber wir jetzt diskutieren, habe ich von Ihnen nicht ein konkretes Beispiel gehört, wie die Tat hätte verhindert werden können, wenn die von Ihnen erwünschten Ermittlungsinstrumente

den Staatsanwaltschaften, der Polizei oder dem Verfassungsschutz zugänglich gewesen wären.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Richtig!)

Es wird immer in den Raum gestellt und behauptet, mit derartigen Instrumenten würde die Sicherheit effektiv erhöht werden. Das hat aber mit dem Fall, der dann Anlass ist, in der Regel überhaupt nichts zu tun. Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten, dass der jüngste Anschlag in Halle hätte verhindert werden können, wenn man bestimmte Instrumente gehabt hätte!

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Das geht an der eigentlichen Debatte vorbei. Wir können die Debatte darüber natürlich jederzeit führen. Aber wir werden sehr genau darauf achten und versuchen, wenn wir über Verschärfungen diskutieren, zu verstehen, warum diese konkret notwendig sind, um zu einer angemessenen Abwägung zwischen den Freiheitsrechten und den Eingriffsrechten der Sicherheitsbehörden kommen.

Für uns stehen weiter die Ausstattung und Arbeitsfähigkeit im Vordergrund, einmal der Sicherheitsbehörden, aber auch zivilgesellschaftlicher Initiativen, um Rechtsextremismus, aber auch jede andere Form von Extremismus zu bekämpfen.

Im August war das noch anders. Als wir damals eine parlamentarische Anfrage dazu gestellt haben, ob denn solche Dinge in Niedersachsen geplant würden, war davon noch keine Rede. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es jetzt zu einer Veränderung kommt und man das aufbauen will.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich stolpere etwas darüber, Herr Minister - darüber werden wir sicherlich noch intensiver sprechen müssen -, auf welcher Rechtsgrundlage Sie anlassunabhängig im Internet ermitteln wollen; denn es ist ein ungewöhnliches Instrument, wenn Staatsanwaltschaften und Polizei anlassunabhängig tätig werden. Es mag sein, dass es dafür ein Bedürfnis gibt. Aber dann müssen wir doch noch einmal über die rechtlichen Grundlagen und auch über die Bedeutung

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

für andere Bereiche, die sich im realen Leben befinden, sprechen, nicht dass wir dort plötzlich ganz anders über Anlassunabhängigkeit reden, als es möglicherweise in Bezug auf das Internet der Fall ist.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir werden sehr genau hinschauen, was Sie damit meinen.

Frau Ministerin - das gilt auch für den Herrn Innenminister -, uns ist wichtig, dass Sie diese Einrichtung nicht aus dem Bestand besetzen - natürlich mit qualifiziertem Personal, das gerne aus dem Bestand kommen kann, aber es darf nicht zulasten der Personalausstattung gehen -, sondern das als eine zusätzliche Aufgabe ansehen. Für uns ist die Stärkung der Justiz und der Polizei ein wichtiges Anliegen. Wir wollen einen effektiven Rechtsstaat, auch und gerade im Internet. Das darf nicht länger ein rechtsfreier Raum sein, wie es vielfach leider noch der Fall ist.

Hierfür müssen zusätzliche Ressourcen geschaffen werden, es darf nicht bei den jetzigen bleiben. Frau Ministerin, ich habe nicht gesehen, dass Sie zusätzliche Stellen für die Justiz beantragt haben - entgegen Ihren Ankündigungen, das muss man deutlich sagen. Sie werden da ein Stück weit wortbrüchig gegenüber dem, was Sie in der letzten Legislaturperiode gesagt haben. Jetzt hören wir, dass eine zusätzliche Einrichtung geschaffen werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erwarten, dass das zusätzlich kommt und nicht zulasten der Ermittlungsbehörden an anderer Stelle geht.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die AfDFraktion: der Abgeordnete Ahrends, bitte!

(Dr. Stefan Birkner [FDP] und Sebas- tian Lechner [CDU] unterhalten sich)

- Herr Birkner, Sie haben noch eine Restredezeit von fast einer Minute. Daher brauchen Sie sich

nicht über die Tische zu unterhalten. - Jetzt ist der Abgeordnete Ahrends dran.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin.

(Dr. Stefan Birkner [FDP] und Sebas- tian Lechner [CDU] unterhalten sich weiter)

Warten Sie eben, Herr Ahrends, bitte! - Herr Dr. Birkner, entweder Restredezeit oder ein bisschen Ruhe!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich ent- scheide mich für die Ruhe!)

- Danke. - Herr Ahrends!

Gut. Dann bedanke ich mich noch einmal.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hamburg ist gerade nicht anwesend. Ich bin das erste Mal - - -

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Doch, natürlich!)

- Entschuldigung, ich nehme das zurück. Ich habe Sie hier vorne nicht gesehen.

Ich bin das erste Mal absolut bei Ihrer Meinung. Das Beschmieren einer Tür ist nicht nur eine Sachbeschädigung, sondern es macht den Menschen, die dort wohnen, Angst - so geschehen letzte Nacht in Hildesheim, wo wir heute Abend ein Erntedankfest feiern. Diesmal hat die Antifa die ganze Gaststätte bunt gemacht.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Mit Todesdrohungen, Herr Ahrends?)

Wir verurteilen das aufs Schärfste; denn jede Art von Extremismus - ich denke, wir sind einer Meinung, dass wir solche Taten verurteilen - muss durch unseren Rechtsstaat verurteilt und zum Schutz unserer Demokratie auch bekämpft werden.

Aber was ist Extremismus, und wo beginnt er? - Das, meine Damen und Herren, entscheiden Gesetze und Richter, nicht einzelne Parteien oder einzelne Politiker, mögen manche auch noch so laut schreien und mit dem Finger auf Menschen zeigen, die eine andere Sicht der Dinge haben. Extremismus beginnt eindeutig da, wo die Demokratie als Staatsform abgelehnt wird, und ganz

sicher nicht da, wo mehr Demokratie gefordert wird, z. B. in Form von Volksabstimmungen,

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Wer sagt denn was von Volksabstimmungen?)

auch wenn die regierenden Parteien diese Idee nicht unbedingt unterstützen.

Die AfD verurteilt jede Art von Gewalt und Extremismus. Dazu haben wir auch im Bundestag einen Antrag gestellt, eben jede Art von Extremismus - egal, ob von rechts, von links oder islamistisch - zu verurteilen. Leider wird dieser Antrag von Ihren Parteien, wie erwartet, abgelehnt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie sind da nicht glaubwürdig!)

Extremismus kann in einer Demokratie nicht geduldet werden und ist daher in alle Richtungen mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bekämpfen. Die Zahlen des BKA für 2018 geben dabei ein wenig Hoffnung, da die Straftaten PMK-rechts, PMK-links sowie auch PMK-religiöse Ideologie und PMK-sonstige leicht rückläufig sind. Allerdings sind die Straftaten PMK-ausländische Ideologie um fast 54 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Kön- nen Sie einmal zum Thema reden - einmal!)

Insbesondere politisch motivierte Gewalttaten ausländischer Ideologie sind um 82 % angestiegen - Zahlen, die uns alarmieren. Wir erleben aktuell den kurdisch-türkischen Konflikt in Deutschland.

Der abscheuliche Mord an Walter Lübcke, verübt von einem mutmaßlich Rechtsextremen, ist allerdings ein alarmierendes Zeichen dafür, dass Anhänger der rechten Szene eine hohe Gewaltbereitschaft besitzen und sogar vor Mord nicht zurückschrecken. Extremistische Gruppen müssen daher dort, wo sie auftauchen, mit aller Härte des Gesetzes bekämpft werden.

So hat die AfD im Bundestag einen Antrag einbringen wollen, die rechtsextremistische Gruppe „Combat 18“ zu verbieten. Wir dürfen gespannt sein, wie Ihre Parteien zu diesem Antrag stehen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das haben wir schon längst gefordert! Da- für brauchen wir Ihren Antrag nicht!)

- Sie haben recht, sich aufzuregen, auch ich rege mich auf.

Die Erstellung von „Feindeslisten“, die eine Aufstellung möglicher Opfer von Gewalttaten beinhaltet, muss uns alle alarmieren. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen, die in einem kommunalen Amt oder in der Politik tätig sind, von irgendwelchen Gruppen, seien sie links, rechts oder islamistisch, zu Feinden erklärt werden. In der politischen Auseinandersetzung kann es Gegner geben, aber niemals Feinde. Das möchte ich ausdrücklich betonen.

(Beifall bei der AfD)