Protocol of the Session on October 25, 2019

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Handlungsbereiche bei der Justiz sind im Grunde genommen unmittelbar mit denen im Innenbereich verknüpft. Es geht um die Stärkung der Zivilgesellschaft durch präventive Maßnahmen. Die sind im Landespräventionsrat gerade ausgeweitet worden, nicht zuletzt deshalb, weil mittlerweile wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Prävention schon im frühkindlichen Bereich ansetzen muss, weil sich dort bereits erste extremistische Denkansätze herausbilden können. Das gilt aber nicht nur für den Rechtsextremismus, sondern das gilt für alle Phänomenbereiche des Extremismus. Deswegen ist das ein ganzheitlicher Ansatz.

Im Bereich der Justiz verhält es sich wie folgt: Zum einen haben wir bekanntermaßen schon neue Richtlinien geschaffen, was mögliche Einstellungspraxen der Staatsanwaltschaften bei Beleidigungen und Hetzgeschichten angeht. Zum anderen beginnen wir damit, die Angehörigen der Justiz mit Schulungen zu sensibilisieren, auf welche Gemengelagen von Hetze, Gewaltsprüchen, Drohungsbereichen usw. man besonders zu achten hat, um einen gewissen Sensus für alle diese Problematiken zu schärfen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Havliza. - Die erste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt der Abgeordnete Dr. Stefan Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie konkret die Zentralstelle für die Bekämpfung der Hasskriminalität ausgestattet sein wird und ob und inwieweit dort auch die Staatsanwaltschaft mit involviert ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Ihnen. - Herr Innenminister antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, wie gerade schon ausgeführt, ist die Stelle in der Einrichtung begriffen. Die genaue Ausstattung steht noch nicht fest. Wir haben gerade damit begonnen, sie zu konzipieren und einzurichten. Sobald das getan ist, werden wir darüber gerne

informieren. Die Staatsanwaltschaft ist selbstverständlich mit einbezogen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Mit einem eigenen Staatsanwalt oder eigenem Personal?)

Frau Havliza, wollen Sie noch etwas ergänzen?

Wir sind dabei, ein Konzept zu entwerfen, um an einer Staatsanwaltschaft, die schon die IuK-Kriminalität als Schwerpunkt hat, Staatsanwälte und einen IT-Spezialisten für genau diese Sachen aufzubauen.

Ich danke Ihnen für die Ergänzung. - Jetzt kommen wir zur zweiten Zusatzfrage der AfD-Fraktion. Herr Abgeordneter Ahrends, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Leider war der Kollege von der FDP etwas schneller. Deswegen stelle ich jetzt eine andere Frage.

Herr Minister Pistorius, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes 2018 erwähnten Sie, dass es leichte Anstiege des Personenpotenzials im Bereich des linksextremen und des salafistischen Extremismus und einen leichten Rückgang im Bereich des Rechtsextremismus gebe.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Was hat das mit der Frage zu tun?)

Am 10. Oktober im NDR erwähnten Sie bezogen auf den Mord an Walter Lübcke und auf die Tat in Halle, dass Sie bereits seit einigen Jahren davor warnen, dass der rechte Bereich des Extremismus zunehmen würde. Wie passen diese beiden Aussagen zusammen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Das kann der Minister locker erklären!)

Herr Minister Pistorius antwortet Ihnen. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine wunderbare Frage, Herr Ahrends. Vielen Dank. Ich erkläre es Ihnen gerne.

Das Personenpotenzials in Niedersachsen ist in der Tat leicht rückgängig. Aber ich habe auch immer gesagt, das ist kein Grund für eine Entwarnung. Ganz im Gegenteil! Wir bemerken nämlich - und darüber diskutieren wir seit Tagen, auch hier wieder -, dass sich der Rechtsextremismus zunehmend in die Mitte der Gesellschaft vorarbeitet, dass die Grenzen verschwimmen und dass es Grauzonen gibt, um die wir uns ernsthaft kümmern müssen. Das wiederum führt dazu, dass sich in der Gesellschaft etwas nachhaltig verändert. Darauf müssen wir wirklich Acht geben, weil uns in dieser Gesellschaft sonst einiges um die Ohren fliegt.

Deswegen sind wir sehr wachsam und sehr aufmerksam, was diese Entwicklung angeht. Unabhängig davon, ob beim Zählen fünf oder zehn bekannte Rechtsextremisten weniger in Erscheinung treten - diese Entwicklung ist eine völlig eindeutige, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Die zweite Zusatzfrage für die FDPFraktion stellt der Abgeordnete Dr. Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, ob und inwieweit die demnächst arbeitende Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität auch anlassunabhängig im Internet ermitteln wird.

(Zustimmung bei der FDP und von Ju- lia Willie Hamburg [GRÜNE])

Der Innenminister antwortet auch Ihnen. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Arbeit dieser Stelle wird im Grunde genommen auf drei Feldern stattfinden. Erstens werden die Behörden auf Anzeigen hin innerhalb Niedersachsens tätig werden. Zweitens wird natürlich auch anlassunabhängig geschaut werden. Drittens wird das bearbeitet werden, was vom

Bundeskriminalamt aufgrund bundesweiter Netzwerkrecherchen, die dort stattfinden, zugeliefert wird; das Personal wird dort gerade entsprechend aufgebaut.

(Zustimmung bei der SPD und von Sebastian Lechner [CDU])

Vielen Dank Ihnen.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu Zusatzfragen vor. Wir kommen damit zur Aussprache.

Die Landesregierung hat um 58 Sekunden, also eine Minute, überzogen. Zu der ursprünglich vorgesehenen Redezeit von vier Minuten erhalten Sie jetzt also einen kleinen Aufschlag von einer Minute, entsprechend § 47 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung des Landtages.

Hiermit eröffnen wir jetzt die Aussprache. Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Julia Willie Hamburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dieser Tage darüber geredet: Ein Mittel der extremen Rechten ist die Einschüchterung, mit dem Ziel, unsere Zivilgesellschaft, unsere Demokratinnen und Demokraten in ihrem Handeln zu erschrecken, sie zurückzuschrecken und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht mehr trauen, offen für unsere Demokratie einzustehen. Wir in diesem Haus sind uns alle einig - das haben wir diese Woche auch deutlich gemacht -: Das dürfen wir niemals zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als die „Feindeslisten“ in die Öffentlichkeit kamen, waberte die Angst: Was ist mit Niedersachsen? Wer steht auf dieser Liste? Wer kann betroffen sein? Auf welcher Liste stand man? Mit welcher Intention standen wir auf dieser Liste?

Herr Pistorius, ich sage Ihnen deutlich - das haben wir Ihnen auch schon damals gesagt -: Es war unserer Meinung nach ein Fehler, dass die Innenminister und Innenministerinnen - gibt es gerade überhaupt eine Frau in diesem Amt? - entschieden haben, keine Transparenz zu schaffen. - Dem Thema „Innenpolitik und Frauen“ widmen wir uns ein andermal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie hätten an dieser Stelle deutlich nach vorne gehen müssen, um Transparenz zu schaffen. Sie hätten für Kommunikation Sorge tragen müssen. Ich sage Ihnen deutlich: In Niedersachsen ist das ganz unglücklich gelaufen.

Ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wie soll ich mich denn fühlen, wenn ich einen Brief kriege, in dem steht: „Hallo Frau Soundso, Sie stehen auf einer Feindesliste. Ich sage Ihnen nicht, auf welcher, aber für Sie besteht keine Bedrohung“? Wie soll ich mich fühlen, wenn ich auf Nachfrage von der Polizei höre: „Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen“?

So etwas schürt Verunsicherung. Es müssen - wie auch in anderen Bundesländern - Strukturen geschaffen werden. Es muss konkrete Ansprechpersonen geben, die über Hintergründe und Sicherheitsmaßnahmen aufklären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich stimme Ihnen ja zu, Herr Pistorius: Die Bedrohung ist abstrakt. In der Regel besteht für die allermeisten dieser Menschen keine Gefahr, und wenn doch, dann nicht durch die Listen.

Aber wir müssen es doch schaffen zu kommunizieren, wie Sicherheitsbehörden so etwas prüfen, dass das verlässlich ist und dass die Behörden für solche Fragen ansprechbar sind. Insbesondere müssen wir belegen, dass gerade in Situationen konkreter Bedrohung - wie etwa jetzt bei David Janzen in Braunschweig oder bei den vielen Bedrohungen, denen Journalistinnen und Journalisten gerade ausgesetzt sind - gehandelt wird. Da muss die Kommunikation besser werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es kann doch nicht wahr sein, dass Menschen, die sich von Nazis bedroht fühlen, das Gefühl haben, dass für sie niemand ansprechbar ist, dass niemand ihnen eine Sicherheitsberatung gibt, dass niemand mit ihnen und ihrem Umfeld kommuniziert. Das darf nicht sein. Da können wir in Niedersachsen besser werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz klar ist auch: Es kommt nicht nur auf das Reden an, sondern auch auf das Handeln. Wer eine Tür mit den Worten „Wir töten dich“ beschmiert und hinterher immer wieder vorbeikommt, um zu zeigen: „Wir wissen, wo du wohnst“, begeht eben nicht nur eine Sachbeschädigung.

Frau Havliza, ich gebe Ihnen vollkommen recht: Da ist auch die Justiz gefragt. Gezielte Einschüchterungen müssen im Keim erstickt werden.