durch eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit durch Ereignisse, Anschläge und Straftaten haben wir uns dann entschlossen - auch angesichts der Tatsache, dass andere Länder dies gemacht haben; es gab eine bundeseinheitliche Absprache, dies nicht zu tun; die haben dann einige aus Gründen, die man nachvollziehen kann, verlassen, beispielsweise aus besonderer regionaler Betroffenheit -, alle individuellen Informationen an die Betroffenen herauszugeben.
Allen Betroffenen in Niedersachsen werden der Umstand, dass sie auf einer derartigen Liste aufgeführt sind, sowie die sicherheitsbehördliche Bewertung - die ist wichtig - schriftlich oder persönlich mitgeteilt. Auf diesem Wege werden auch polizeiliche Ansprechpartner bzw. Dienststellen vor Ort benannt, die für Fragen, weiteren Erläuterungsbedarf und auch eine eventuelle Beratung zur Verfügung stehen.
Erstens. Es handelt sich nicht um sogenannte Feindes- oder gar Todeslisten. Diese Begriffe stammen weder aus dem polizeilichen Sprachgebrauch noch sind diese im Sinne der Sicherheitsbehörden.
Zweitens. Eine Gefährdung der genannten Personen, Institutionen und Organisationen allein aufgrund der Nennung auf einer solche Liste ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes und nach aller polizeilichen Erfahrung als unwahrscheinlich einzustufen.
Zu Frage 2: Auf der Grundlage der in der Beantwortung der Frage 1 genannten Entscheidung, nunmehr auch gelistete Personen zu informieren, bei denen keine konkrete Gefahr konstatiert werden kann, wurden die entsprechenden Listen durch das Landeskriminalamt unmittelbar aufbereitet und den Polizeidirektionen die Personen mit ihrem vermuteten Wohnsitz oder Aufenthalt in ihrem Zuständigkeitsbereich übermittelt. Von dort erfolgte die Verteilung auf die jeweils örtlich zu
Insgesamt waren bei diesem Prozess ca. 2 000 Personen, die sich auf zehn Listen befinden, zu informieren. Die Benachrichtigung gestaltete sich dabei durchaus aufwendig und wurde vereinzelt auch dadurch erschwert, dass die Informationsschreiben den Betroffenen postalisch nicht zugestellt werden konnten, da die Empfänger unbekannt oder unbekannt verzogen waren oder Nachermittlungen zu den neuen Anschriften erforderlich wurden.
Mittlerweile sind die Benachrichtigungen weitestgehend abgeschlossen. Aufgrund der vorgenannten Problemstellung und des laufenden Verfahrens mit tagesaktuellen Veränderungen kann allerdings tagesaktuell heute keine absolute Zahl von bereits erfolgten Benachrichtigungen genannt werden.
Zu Frage 3: Auch wenn sich durch die aktuelle Tat in Halle die bestehende Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes darin einordnet, stellt diese eine bisher nicht gekannte Dimension bzw. einen Angriff auf unsere Demokratie dar. Darüber sind wir uns völlig einig. Deswegen haben meine Amtskollegen von Bund und Ländern und ich uns im Rahmen eines eigens dafür anberaumten Sondertreffens der Innenminister und -senatoren in Berlin vergangene Woche mit Handlungsnotwendigkeiten zur Intensivierung der Bekämpfung von Antisemitismus und Rechtsextremismus befasst. Wir haben uns auf ein Bündel von Maßnahmen verständigt und dringende gesetzgeberische
Handlungsbedarfe aufgezeigt. Die Niedersächsische Landesregierung wird diese, soweit sie unsere Zuständigkeit betreffen und nicht bereits aufgegriffen wurden bzw. nicht schon erfolgt sind, schnellstmöglich umsetzen.
Angesichts von Beleidigungen, Drohungen und Hassbotschaften gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger im Internet und in sozialen Netzwerken, denen oftmals eine rechtsextreme Motivation zugrunde liegt, hat das Innenministerium in der zweiten Jahreshälfte 2019 auf meine Initiative hin Regionalkonferenzen in den sechs Polizeidirektionen und daran anschließend örtliche Informationsveranstaltungen für Amts- und Mandatsträger und sonstige öffentlich aktive Personen geplant und mit der Durchführung bereits begonnen. Die Veranstaltungen sollen dazu dienen, möglichst viele Betroffene und Interessierte zu erreichen, zu informieren, zu sensibilisieren, zu
Der niedersächsische Verfassungsschutz hat wiederholt auf die wachsende Bedeutung des Internets und auf die sich immer wieder verändernden Kommunikationsformen hingewiesen, welche auch Rechtsextremisten zunehmend für ihre Zwecke nutzen. Bei einer Gesamtbetrachtung des Rechtsextremismus - dies gilt für alle Bundesländer - muss daher verstärkt das Internet in das Blickfeld gerückt werden. Durch das Internet hat der Rechtsextremismus einen Resonanzraum erhalten, der weit über das eigene Spektrum hinausreicht. Es ist das erste Massenmedium, über das Rechtsextremisten für ihre Ziele Propaganda betreiben können.
Unabhängig von einer solchen organisatorischen Nutzung sind auf diversen Internetplattformen in zum Teil exzessiver Form hasserfüllte und menschenverachtende Einträge zu finden, die viele gesellschaftliche Gruppen herabwürdigen und die - so muss man es wohl sagen - ein Substrat für rechtsextremistische Kampagnen bilden oder die zum Ausgangspunkt für neue Formen des Rechtsextremismus werden.
Erstens. Die Identifizierbarkeit von denjenigen, die im Internet hinter anonymen Accounts Hass und Hetze verbreiten, muss beschleunigt und erleichtert werden.
Zweitens. Der Jugendschutz im Internet muss ausgebaut werden. Anbieter von Spieleplattformen müssen Hasskommentare - wie in den sozialen Netzwerken - binnen 24 Stunden löschen bzw. melden. Das ist bislang vom Gesetz nicht geregelt und eindeutig ein Versehen, muss man schon fast sagen, auf Bundesebene. Das muss nachgeholt werden. Natürlich muss am Ende auch für Spieleplattformen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Drittens. Die Server großer Internetplattformen wie Facebook müssen in der Europäischen Union stehen, damit die Sicherheitsbehörden im Zweifelsfall Zugriff bekommen. Die Sicherheitsbehörden müssen auch Zugriff auf die Kommunikation von Terroristen haben, auch im Internet. Wir müssen Internetplattformen zur Rechenschaft ziehen, wenn dort Hass verbreitet wird oder sogar Attentate live übertragen werden. Zudem verschärfen wir, wie wir
Das eigentliche Ziel des Angreifers von Halle war der Tod zahlreicher weiterer vor allem jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Er hatte sich zuvor im Internet radikalisiert, über spezielle Gamingplattformen vernetzt, sich mit Gleichgesinnten ausgetauscht sowie ideelle und materielle Unterstützung erhalten.
Wir haben es hier mit einer neuen Dynamik der Radikalisierung im Internet zu tun. Insbesondere das veränderte Informations- und Kommunikationsverhalten muss verstärkt im Mittelpunkt der Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz stehen. Wir werden daher weiter die Analysekompetenz in den Sicherheitsbehörden ausbauen und der Aufhellung von Internetaktivitäten von Rechtsextremisten entsprechend mehr Aufmerksamkeit schenken, auch mit dem klaren Ziel, rechtsextremistische Netzwerke und Strukturen aufzudecken und dem eine höhere Priorität einzuräumen.
Bereits im Juni 2019 wurde das Landeskriminalamt vom Innenministerium beauftragt, ein Konzept zum zukünftigen Umgang mit Hass-Postings und sogenannten Listen im Kontext der politisch motivierten Kriminalität zu erarbeiten. In dem vorgelegten Konzept sind unterschiedliche aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen vorgeschlagen worden. Die die Arbeitsabläufe betreffenden Vorschläge wurden zum Teil schon umgesetzt, teilweise bedarf es noch der Nachschärfung. Auf der Grundlage der aufbauorganisatorischen Vorschläge wird im LKA aktuell die Zentralstelle zur polizeilichen Bekämpfung von Hasskriminalität eingerichtet. Des Weiteren wird die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität - rechts in die anstehende Organisationsüberprüfung des Landeskriminalamtes einbezogen werden.
Vielen Dank, Herr Innenminister Pistorius. - Wir kommen jetzt zur ersten Zusatzfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Julia Willi Hamburg, bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass bisher vor allem sicherheitsbehördli
che Ausführungen in Bezug auf Polizei und Verfassungsschutz gemacht wurden, welche Handlungsbedarfe sie bei der Stärkung der Zivilgesellschaft sieht, insbesondere vor dem Hintergrund der dort angedachten Kürzungen der Bundesprogramme.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meinen Informationen zufolge werden die Mittel nicht gekürzt. Im Kabinettsentwurf des Bundeshaushalts war zunächst in der Tat eine Reduktion der Ansätze vorgesehen, aber das ist nach meinen Informationen inzwischen revidiert worden. Meines Wissens übersteigt der Haushaltsansatz jetzt sogar leicht den dieses Jahres. Von daher steht nicht zu befürchten, dass die wichtigen Initiativen auf der Strecke bleiben oder womöglich aus der Förderung fallen.
Klar muss aber auch sein, dass wir uns mit dem Koalitionspartner in Berlin dringend auf ein Demokratiefördergesetz verständigen müssen, damit wir gute Initiativen auch über Jahre stabil fördern können.
Denn das, was Sie, Frau Kollegin, gesagt haben, ist genau der springende Punkt: Die Repression und die Arbeit der Sicherheitsbehörden ist das eine. Aber das andere ist die Stärkung der Zivilgesellschaft und der Demokratieverbundenheit der Bürgerinnen und Bürger. Damit müssen wir möglichst schon bei den jungen Menschen anfangen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Pistorius, Sie sprachen in Ihren Ausführungen von einer Verschärfung der Kontrolle des Internets, was Hass und Hetze angeht.
Meine Frage ist: Wer entscheidet nach welchen Kriterien, wo freie Meinungsäußerung und Kritik aufhören und Hass und Hetze beginnen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundgesetz definiert „Meinungsfreiheit“ recht eindeutig: Jeder kann alles sagen, solange er damit keine Straftaten begeht - um es einmal ganz einfach zu formulieren -, solange er nicht beleidigt, zu Volksverhetzung aufruft, zu Mord, Totschlag oder anderen Dingen. Das ist die eine Ebene. Die andere Ebene ist der eigene Anstand - wenn man noch welchen hat. Dann weiß man nämlich auch, was man nicht sagen sollte.
Von daher entscheidet nicht die Polizei, wer am Ende für eine Äußerung im Internet verurteilt wird, sondern - aber auch das dürfte Ihnen geläufig sein - im Zuge der Gewaltenteilung die Justiz aufgrund einer Anzeige und entsprechender Ermittlungen der Polizei. Und dann kann man sich dagegen wehren oder es sein lassen. Vielleicht kann man auch einfach ein besserer Mensch werden. Das kann dann jeder für sich entscheiden.
Vielen Dank. - Wir kommen zur zweiten Zusatzfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Julia Willie Hamburg, bitte schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung, welche Handlungsbedarfe in diesem Bereich sie bei der Justiz sieht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Handlungsbereiche bei der Justiz sind im Grunde genommen unmittelbar mit denen im Innenbereich verknüpft. Es geht um die Stärkung der Zivilgesellschaft durch präventive Maßnahmen. Die sind im Landespräventionsrat gerade ausgeweitet worden, nicht zuletzt deshalb, weil mittlerweile wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Prävention schon im frühkindlichen Bereich ansetzen muss, weil sich dort bereits erste extremistische Denkansätze herausbilden können. Das gilt aber nicht nur für den Rechtsextremismus, sondern das gilt für alle Phänomenbereiche des Extremismus. Deswegen ist das ein ganzheitlicher Ansatz.