Protocol of the Session on September 13, 2019

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Beim Lesen dieses Antrages kamen mir gleich Bilder in den Kopf. Ich sehe das Jahr 2015 vor mir: Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm auf der einen Seite und auf der anderen Seite ungarische Soldaten. Das muss man sich mit Blick auf diesen Antrag vorstellen.

Aber mit diesem Kopfkino soll ja Politik gemacht werden. Das hat Herr Orban damals schon gemacht. Diese Bilder, meine Damen und Herren, sollen Wirkung erzielen. Zum einen sollen sie den Menschen im Ausland deutlich machen: Wenn sie unberechtigt zu uns kommen, wird das Militär sie zurückbringen. Zum anderen sollen sie den Menschen in Deutschland zeigen: Die Antragstellerin zeigt Härte und ist dafür auch bereit, die Bundeswehr einzusetzen. Dass es keinen rechtlichen Rahmen dafür gibt und auch mit Sicherheit keiner konstruiert werden kann, spielt hierbei - das hat man ja gerade gehört - keine große Rolle.

Meine Damen und Herren, wie sehen die Zuständigkeitsverteilungen bei Abschiebungen und die Voraussetzungen für eine Amtshilfe durch die Bundeswehr bei Abschiebungen durch Bereitstellung von Transportflugzeugen und Luftfahrzeug

führern aus? - Für die Entscheidung auf Grundlage der §§ 58 und 59 des Aufenthaltsgesetzes sind die Ausländerbehörden der Länder zuständig. Auch die sich anschließende Durchführung der Abschiebung liegt bis zur Überstellung an die Grenzbehörden im Rahmen des allgemeinen Polizeirechts in der Zuständigkeit der Länder. Die Zuständigkeit der Landespolizei erstreckt sich in diesem Zusammenhang auf die Beförderung des Ausländers bis zur innerstaatlichen Grenzbehörde z. B. am Flughafen. Die sich anschließende ordnungsgemäße Rückführung, also die Begleitung des Ausländers über die Grenze hinaus bis zum Zielort und die Überstellung an die Grenzbehörden im Zielstaat, liegt sodann im Verantwortungsbereich der Bundespolizei.

Nach Artikel 35 Abs. 1 des Grundgesetzes leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Amts- und Rechtshilfe, das umfasst also auch die Bundeswehr. Es gibt jedoch besondere Voraussetzungen bei Amtshilfe durch die Bundeswehr. Die Bundeswehr darf lediglich Amtshilfe leisten, aber keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen. Der Transport von Flüchtlingen geht aber für viele Juristen weit über die Amtshilfe hinaus.

Meine Damen und Herren, einen Einsatz der Bundeswehr außer zur Verteidigung muss das Grundgesetz ausdrücklich positiv zulassen. Die begrenzende Funktion dieser Regelung ist durch strikte Rechtstreue bei der Auslegung grundgesetzlicher Bestimmungen über den Einsatz der Streitkräfte im Inneren zu wahren. Dabei muss eine Abgrenzung zwischen Einsatz und technischer Hilfeleistung stattfinden. Nur wenn die Bundeswehr ausschließlich technische Hilfe bei der Abschiebung leistet, wäre der Antrag überhaupt diskutabel.

Im Wege einer strengen Aufgabenverteilung zwischen vollziehender Gewalt, die den Polizeikräften vorbehalten bleiben soll, und der Verteidigung sollen aus historischen Gründen eine Militarisierung von Polizeiaufgaben und die Bildung von militärischen Polizeieinheiten verhindert werden. Eine solche Verwendung liegt allerdings nicht erst bei einem konkreten Vorgehen mit Zwang vor, sondern bereits dann, wenn personelle oder sachliche Mittel der Streitkräfte mit Droh- und Einschüchterungspotenzial genutzt werden. Und von einer Einschüchterung kann man wohl ausgehen bei einer Abschiebung durch die Bundeswehr mit Militärflugzeugen.

Sehr geehrte Damen und Herren, aus meiner Sicht ist noch ein weiteres Argument wichtig. Die Bundeswehr ist im Auslandseinsatz in der Regel nicht allein, sondern mit anderen Verbündeten im Einsatz.

Sie hat damit auch Bündnisverpflichtungen zu erfüllen, und zwar in erster Linie. Das alleine schließt meines Erachtens schon die Mitnahme von abzuschiebenden Personen bei diesen Flügen aus.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Darüber hinaus ist ein Militärflugzeug in manchen Lufträumen einem höheren Risiko ausgesetzt als eine Verkehrsmaschine.

Sie sehen, meine Damen und Herren, der Antrag wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, die nicht oder nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Aber wenn ich den Antrag richtig verstehe, sehen die Antragsteller die grundgesetzlichen Probleme ebenfalls und wollen daher wohl eine Grundgesetzänderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe den größten Respekt vor unserem Grundgesetz, und ich bin auch kein Freund davon, mal eben die Verfassung zu ändern, nur weil ich es gerade brauche.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben unter dem Eindruck der Erfahrungen aus der Weimarer Republik und der NS-Zeit eine wegweisende Verfassung geschrieben und beschlossen. Dabei spielt gerade die klare Trennung von hoheitlichen Aufgaben von Bundeswehr und Polizei eine herausgehobene Rolle.

Um es deutlich zu sagen: Von der CDU-Fraktion wird es keine Unterstützung für eine Initiative zur Grundgesetzänderung geben.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich auf das eingangs vorgestellte Bild zurückkommen. Stellen Sie sich noch einmal die Flüchtlingsfamilie auf der einen und die Soldaten auf der anderen Seite vor, und hauen Sie ein dickes Stopp auf das Bild - dann passt das schon!

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Fredermann. - Es spricht jetzt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Karsten Becker. Herr Becker, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sie haben es gehört: Die AfD beklagt mit ihrem Antrag stagnierende Abschiebezahlen und möchte die Effektivität von Abschiebemaßnahmen erhöhen, indem Versorgungsflüge der Bundeswehr zum Transport vollziehbar ausreisepflichtiger Personen genutzt werden.

Meine Damen und Herren, dieses Ansinnen ist hoch problematisch, und das aus mehreren Gründen.

Zunächst einmal können die vorgeblichen Ziele mit den vorgeschlagenen Maßnahmen überhaupt nicht erreicht werden. Der Mehrzahl der nicht vollziehbaren Abschiebungen liegen nämlich ganz andere Ursachen zugrunde als nicht verfügbare oder verweigerte Flugmöglichkeiten in Linien- oder Chartermaschinen. Wesentliche Hemmnisse sind vielmehr die mangelnde Reisefähigkeit der Passagiere, fehlende Passersatzpapiere oder entgegenstehende gerichtliche Entscheidungen.

Meine Damen und Herren, um diese vorgeblichen Ziele geht es der AfD aber auch überhaupt nicht. Darum möchte ich das hier auch sehr kurz machen. Angesichts der weitgehenden Substanzfreiheit und der moralischen Fragwürdigkeit der eigentlichen Intention des Antrags halte ich es für kaum gerechtfertigt, die Zeit der Kolleginnen und Kollegen im Plenum über Gebühr zu beanspruchen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, die AfD schlägt mit diesem Antrag unter dem Deckmäntelchen eines scheinbaren Pragmatismus eine Schneise in die in unserem Grundgesetz verfasste Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Polizei und Bundeswehr für die innere und äußere Sicherheit. Um das klar zu formulieren: Der von der AfD vorgeschlagene Einsatz

von Streitkräften der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Abschiebung ausreisepflichtiger Personen ist von unserer Verfassung ausdrücklich nicht gedeckt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Ob Sie, meine Damen und Herren von der AfD, damit größere politische Vorhaben des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren vorbereiten möchten, weiß ich nicht. Ich sehe aber, dass Sie hier ganz gezielt ein Bild zu zeichnen versuchen, in dem Militärkräfte der Bundeswehr im Kontext von gegen Migranten gerichteten Vollzugshandlungen gezeigt werden sollen,

(Zuruf von der AfD: Falsche Darstel- lung!)

und dass Sie damit den von Ihnen dauerhaft propagierten Anschein einer prinzipiellen Gefährlichkeit von Menschen anderer Hautfarbe, Kultur oder Religion weiter verfestigen möchten. Dessen bin ich mir sehr, sehr sicher.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

Als Landesparlament sind wir zwar nicht für die Verteidigungspolitik zuständig, aber als Demokraten sollten wir hier trotzdem sehr deutlichen machen, dass wir unsere Bundeswehr für solch einen Politpopulismus nicht missbrauchen lassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Becker. - Ich rufe jetzt Herrn Dr. Genthe von der FDP-Fraktion auf. Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde eben schon sehr viel gesagt, und darum kann ich mich an dieser Stelle wesentlich kürzer fassen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass zum Stichtag 31. Dezember 2018 insgesamt 2 533 ausreisepflichtige Migranten freiwillig ausgereist sind.

Das ist genau das, was wir als FDP-Fraktion bevorzugen. Das ist nämlich sowohl für die betroffenen Personen als auch für die involvierten Beamtinnen und Beamten weniger belastend. Das wollen wir unterstützen. Die freiwillige Ausreise ist das Mittel der Wahl.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Im Übrigen ist für uns entscheidend, dass die entsprechenden Kompetenzen und die Mitarbeiter mit Erfahrung in solchen Sachfragen beim Innenministerium tatsächlich vorgehalten werden, damit rechtssichere Entscheidungen getroffen werden können. Insoweit beobachten wir ganz genau, wie die zentrale Abschiebeeinrichtung in Niedersachsen funktioniert.

Meine Damen und Herren, die Hauptursache für die hier bereits mehrfach genannten Zahlen liegt im Verfahren, bevor ein ausreisepflichtiger Migrant die Gangway eines Flugzeuges betritt. Dies mit Transportflugzeugen der Bundesluftwaffe lösen zu wollen, ist daher für mich einfach nur noch abenteuerlich,

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

insbesondere dann, wenn man weiß, dass die fraglichen Flüge, die von der AfD-Fraktion genannt wurden, für die NATO durchgeführt werden und nicht einfach nur für die Bundesrepublik Deutschland. So einfach geht das nämlich gar nicht.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Rainer Fredermann [CDU])

Hier zeigt sich, was wir schon ganz oft erfahren mussten: Es sollen offensichtlich ganz einfache Lösungen für doch sehr, sehr komplexe Probleme präsentiert werden. Das kann wirklich niemand ernst nehmen, der sich nur oberflächlich mit der Gemengelage beschäftigt hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)