Herr Präsident! Sehr verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Sehr geehrte Fraktionskollegen von der SPD, über Ihre Anfrage bin ich schon ein wenig erstaunt. Denn als das Gesetz zur Endlagersuche beraten wurde, als sich der Entwurf schon in festen Bahnen befand und wir wussten, wohin der Zug fahren soll, und als es beschlossen wurde, waren Sie nach meinem Wissen auf der Bundesebene wie auch hier auf der Landesebene in Regierungsverantwortung.
Dass sich ein Umweltminister, wenn sich die Gelegenheit bietet, über ein Endlager im Ausland informiert, das schon 2025 fertiggestellt sein soll, finde ich völlig legitim - das ist gut so -, zumal man hierbei sehen kann, um welchen Zeitraum es geht; auch das wurde hier schon angesprochen. 21 Jahre wird der Bau gebraucht haben, um fertiggestellt zu werden. Gerne wäre ich dabei gewesen; leider konnte ich krankheitsbedingt nicht teilnehmen.
Dort gibt es auf einer gut 15 km² großen Fläche - 2,5 mal 6 km - auf einer eher kleinen Halbinsel zwei in Betrieb befindliche Siedewasserreaktoren mit je 800 MW Leistung. Sie sind kleiner als die deutschen Kraftwerke, aber doppelt so leistungsstark wie die Blöcke in Fukushima, die uns ja bewogen haben, aus der Atomkraftnutzung auszu
steigen. Aber dort in Finnland entsteht auch noch ein Druckwasserreaktor mit 1 600 MW Leistung, der noch in diesem Jahr in den kommerziellen Betrieb gehen soll. Zwar wurde vor- und zurückgerudert; man weiß es noch nicht genau. Aber die finnische Holzindustrie braucht Energieerzeugungskapazitäten, um auf der sicheren Seite zu sein.
Vor diesem Hintergrund die beiden ersten Fragen zur heutigen Fragestunde zu stellen, fand ich ein bisschen fragwürdig, weil wir, wie Sie ja richtig gesagt haben, hier eigentlich für etwas Sicherheit und Ruhe sorgen wollen. Wir haben uns in Deutschland über viele Jahre mit dem Thema beschäftigt. Es gab sogar eine Ethikkommission. Der gesamte Prozess schloss damit ab, dass ein Endlagergesetz - auch von Ihnen - verabschiedet wurde. In diesem wird sehr deutlich klargestellt, dass alle Wirtsgesteine - auch darauf haben Sie Bezug genommen - auf ihre Tauglichkeit untersucht werden sollen. Es gibt klare Regeln, wie man letztendlich die Entscheidung für einen solchen Standort fällen soll und wird. Das ganze Verfahren soll sehr transparent erfolgen; nur so kann es gehen. Die Bevölkerung muss mitgenommen werden.
Das heißt aber auch, dass weder ein Wirtsgestein noch ein Standort mit diesem Gestein schon im Vorfeld der Untersuchungen ausgeschlossen wird. Genau darauf haben wir uns verständigt. Hier mit diesen Fragen daran zu rütteln und damit vielleicht noch etwas Verunsicherung zu schüren, finde ich eigentlich nicht gut; denn es könnte auch der Eindruck entstehen, dass nach dem St.-FloriansPrinzip - nach dem Motto „Unser Land verschon!“ - gehandelt werden soll. Vielleicht kann man das anders machen.
Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) wurde neu gegründet und beaufsichtigt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in dem Verfahren und ist zugleich verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit sowie für das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Zusätzlich gibt es das Nationale Begleitgremium mit der gesetzlichen Aufgabe, das Verfahren vermittelnd und unabhängig zu begleiten und zum Vertrauensaufbau beizutragen.
Ich rate daher dringend, die Füße ein wenig still zu halten und sich damit auseinanderzusetzen, sich die räumliche Eingrenzung günstiger Gebiete in Form des sogenannten Zwischenberichts, der ja für 2020 angekündigt ist - das hatten Sie, Herr
Danke schön, Herr Kollege Kortlang. - Es folgt für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Miriam Staudte. Bitte!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Lies, ich finde es sehr gut, dass der Niedersächsische Landtag heute das Thema aufgreift und wir über die Endlagerung und die nächsten Schritte diskutieren.
Es wäre natürlich schön, wenn die Last des Regierungshandelns in dem Fall nicht nur auf den Schultern von Herrn Lies lasten würde, sondern wenn vielleicht auch der eine oder andere Minister oder gar auch der Ministerpräsident anwesend wäre.
Ich finde es aber wirklich fatal, dass sich der Bundestag mit dieser Thematik im Moment überhaupt nicht mehr befasst. Dort liegt die Zuständigkeit für die Verabschiedung des Geodatengesetzes. Unsere Fraktion macht dort Druck. Aber es passiert jahrelang nichts. Es kann nicht sein, dass man mit der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes meint: So, jetzt ist alles erledigt, und das Thema fassen wir nur noch mit ganz spitzen Fingern an.
Es geht nicht nur um die Frage eines Gesetzes - auch daran gab es genügend Kritikpunkte -, es geht auch um die Frage der Umsetzung: Wie wird dieses Gesetz umgesetzt, und wie ernsthaft wird dieses Verfahren vorangetrieben?
Das Thema Transparenz ist ja angesprochen worden, ebenso das Thema Vertrauen. In dem Zusammenhang möchte ich sagen: Eigentlich sind das zwei Gegenpole. Vertrauen muss man dann haben, wenn man selbst etwas nicht überprüfen kann. Wenn man aber tatsächlich, wie auch Herr Lies gesagt hat, das Verfahren vom Ende her denkt - irgendwann soll eine Standortregion mal sagen: ja, gut, wir sind nicht erfreut, aber das Verfahren war nachvollziehbar, wir sind vielleicht der
am wenigsten schlechte Standort - und diesen Ansatz im Kopf hat, dann muss man eine durchgängige Transparenz im gesamten Verfahren ermöglichen.
Das ist eben nur mit einem Geodatengesetz möglich, mit dem die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, nachzuprüfen, was von der BGE und von dem BfE vorgeschlagen wird. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, ihre eigenen Wissenschaftler, denen sie vertrauen, zu beauftragen, die Rohdaten darauf zu prüfen, ob all das, was entschieden wurde, in Ordnung ist.
Das fängt tatsächlich schon jetzt bei der Lieferung der geologischen Daten durch die Landesbergämter an den Bund an. Werden die Landesbergämter, werden die Länder wirklich auch Daten zu einem besonders gut geeigneten Standort liefern? Werden sie nicht vielleicht nur Negatives - Vulkanismus, hier geht es nicht, dort geht es nicht; Motto: „Hauptsache, nicht bei uns!“ - liefern? Das ist ein berechtigter Zweifel; denn aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben wir gelernt, dass es das Misstrauen ist, was uns bei der Sicherheit immer weiter voranbringt, nicht aber blindes Vertrauen. Und deswegen muss es den Bürgerinnen und Bürgern eben auch möglich sein, diese Daten zu überprüfen, nachzugucken, ob alle Bundesländer etwas geliefert haben und, wenn ja, was.
Ich fände es auch sehr wichtig, wenn die Arbeit des Nationalen Begleitgremiums - das tagt regelmäßig, befasst sich wirklich sehr intensiv mit der Thematik und spricht Empfehlungen aus - mit in die - noch sind sie ja nicht vorhanden, also in die zu führenden - Debatten des Bundestages einfließen würde. Die sagen z. B.: Das Geologiedatengesetz muss kommen. Es ist auch wichtig, was darin steht. Es darf keine Verschlechterung zum Status quo mit dem Umweltinformationsgesetz usw. geben. - Die sagen z. B. auch: Es muss Geld zur Verfügung gestellt werden, um die Daten, die bei den Bergämtern sind und noch nicht digitalisiert sind, jetzt zu digitalisieren. - Die Länder haben nämlich nur die digitalisierten Daten abgeliefert, aber wir haben natürlich sehr viel ältere, analoge Daten aus bergmännischer Tätigkeit. Das alles sind wichtige Fragen.
Ich glaube, es wird sehr schwierig sein, jetzt schon die Bevölkerung in den irgendwann einmal betroffenen Regionen zu beteiligen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir jetzt die Bürgerinnen
und Bürger einbinden, die sich schon sehr lange mit der Thematik befassen. Es ist nämlich nicht so, dass alle, die aus der Ecke Gorleben kommen, sagen: Hauptsache, nicht bei uns! - Sie haben sich vielmehr das Wissen über ein gutes Verfahren erarbeitet. Und wenn Leute auf den Veranstaltungen sind und das vortragen, dann muss das auch berücksichtigt werden.
Wir hören immer „selbstlernendes Verfahren“ und „Rücksprünge sind möglich“. Das ist total wichtig und total richtig. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass wir im Moment faktisch eine Überidentifizierung mit diesem Gesetz haben: Das haben ja alle beschlossen, jetzt haben wir politischen Frieden, da fassen wir bloß nichts an usw. - Wenn wir Mängel feststellen, müssen die behoben werden. Ich glaube, Niedersachsen ist der einzige Treiber, wirklich der einzige Motor in dieser Thematik. Ich finde es sehr gut, wenn sich der Umweltminister damit befasst.
Vielen Dank, Frau Staudte. - Es folgt jetzt der Kollege Marcus Bosse für die Fraktion der SPD. Bitte!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle wissen, dass in der Vergangenheit, ganz viel verkehrt gemacht worden ist - in Bezug auf die Asse, in Bezug auf Gorleben. Niemand wurde gefragt, niemand wurde beteiligt. Es wurde gemacht und gut. Es folgten natürlich Proteste. Das Misstrauen gegenüber dem Staat und der Politik in dieser Frage wuchs. Das artete auch in gewalttätige Proteste aus, an die wir alle uns, glaube ich, auch noch erinnern.
Jetzt geht man einen, wie ich finde, richtigen und vernünftigen Weg, einen Weg der Beteiligung und des Vertrauens. Darauf will ich gern noch eingehen.
Ich möchte aber auch sagen: Wir dürfen nicht zu viel in die Vergangenheit gucken. Es gab garantiert ganz viele Gründe für ganz viel Misstrauen. Ich denke aber, wir müssen in die Zukunft gucken. Ich denke, die Kämpfe, die Grabenkämpfe auch politischer Art, möglicherweise auch unter den Verbänden müssen nach und nach der Vergangenheit
angehören. Natürlich gilt es, immer wieder kritisch nachzufragen. Das ist ganz klar. Aber man muss gemeinsam nach vorn sehen.
Klar ist auch: Niedersachsen wird - dafür braucht man, glaube ich, kein Prophet zu sein - in den Fokus geraten. Machen wir uns da nichts vor! Darum brauchen wir einen Dialog.
Ich gebe der Kollegin Staudte recht - das ist auch bei der Veranstaltung am Montag angesprochen worden -: Ja, Bergämter liefern Daten, ja, Bergämter haben Vorgesetzte, und Vorgesetze haben Minister. Das ist in der Tat so. Da muss man durchaus kritisch hingucken. Natürlich ist auch klar, dass alle mitspielen müssen. Und da gibt schon zwei, die nicht mitspielen: Die bayerische Landesregierung hat in der Koalitionsvereinbarung bereits festgestellt, dass Bayern für die Endlagerung von atomarem Müll ungeeignet ist. BadenWürttemberg liefert keine Daten.
Deshalb dürfen sich diese beiden Bundesländer auch nicht wundern, wenn es wegen dieser Punkte gehörigen Druck gibt. Und dieser Druck muss auch kommen, er muss aus der Politik kommen, aus der Bundespolitik. Sie dürfen sich dann auch nicht wundern, wenn sich dieser Prozess dann noch weiter und weiter verlängert. Die Bundesländer haben letzten Endes natürlich auch einen Anspruch darauf, zu sagen: Wenn wir mitspielen, dann müssen - bitte schön - alle mitspielen. - Dieser Prozess darf nicht allzu lange dauern.
Ich denke, Niedersachsen wird sich der Verantwortung stellen. Das ist in der Tat so, Herr Kollege Kortlang. Niedersachsen wird sich also der Verantwortung stellen. Das ist auch ein Grund für die Reise gewesen und dafür, sich dieses Medium einmal anzugucken und zu schauen, wie es die Finnen an dieser Stelle gemacht haben. Aber es müssen auch alle Formationen, die wir in den Ländern haben - die mit Salz, mit Gestein und auch mit Ton -, gleichberechtigt gegeneinander gehalten werden. Auch das gehört dazu.
Und ganz klar ist ebenfalls: Auch das Bundeswirtschaftsministerium muss liefern. Das Geologiedatengesetz muss kommen. Sonst bleibt auch diese Frage offen, und der Prozess verlängert sich erneut.
Und - Minister Lies hat es angesprochen - ich habe in der Veranstaltung am Montag leider ganz stark die jungen Menschen vermisst, die jungen Menschen, die im Jahr 2031, 2035 und 2050 Verantwortung tragen, tragen müssen, wenn dann ir
gendwann einmal ein Endlager gebaut wird. Sie habe ich bei der Veranstaltung komplett vermisst. Es wäre schön, wenn sich wesentlich mehr junge Menschen in dieses Thema einarbeiten, sich damit identifizieren und bei diesem Thema auch mitreden würden.
Natürlich ist klar: Nächstes Jahr im Herbst werden einige lächeln, und andere werden lange Gesichter machen. Darauf können wir uns schon gefasst machen. Denn dann wird der Zwischenbericht vorliegen, und dann werden die Gebiete, die ausgeschlossen werden, bereits feststehen. Aber auch die Gebiete, die günstige geologische Verhältnisse haben, werden genannt werden. Das zeigt an der Stelle ganz deutlich: Hier läuft ein Prozess, den wir alle gemeinsam begleiten müssen. Das ist eine nationale Aufgabe.
Die Zahl der möglichen Standorte wird natürlich immer weiter eingegrenzt werden, und der Druck wird auch zunehmen. Darum sind Transparenz und eine Beteiligung der Länder unbedingt nötig.
Ich denke, es ist wichtig, dass wirklich alle Bundesländer mitspielen, auch Bayern und BadenWürttemberg. Das Geologiedatengesetz muss kommen. Und natürlich müssen in der Tat die gebotene Transparenz und das Vertrauen auf Dauer gewährleistet sein. Es muss immer wieder kritisch hinterfragt werden, und alles muss an dieser Stelle offen gelegt werden - und das alles natürlich auch unter größtmöglicher Beteiligung.
Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist noch ein ganz, ganz langer Weg, den wir hier vor uns haben. Niedersachsen gerät in den Fokus; davon ist auszugehen. Es ist ein nationales Anliegen, und dieser Verantwortung muss und wird sich Niedersachsen mit Sicherheit auch stellen. Es ist ein hoch emotionales Thema, und wir dürfen, glaube ich, in der Zukunft nicht mehr so viel zurückschauen, sondern eher nach vorne.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt seit 16 Jahren im Landtag, und seit 11 Jahren darf ich der Sprecher der CDU für
die Bereiche Umwelt, Energie und Klimaschutz sein. Ich kann mich sehr genau erinnern, dass ich im Jahr 2008 auf einer Endlagerkonferenz war, und dort hatte man das Gefühl, wenn sich alle einig sind, kann da relativ schnell etwas passieren. - Das ist jetzt 11 Jahre her. Meine Haare sind grauer geworden, die Erfahrungen größer, und ich muss gestehen: Ich bin ein Stück weit desillusioniert. Damals sprach man davon, dass spätestens 2017/2018 mit der Einlagerung in Schacht Konrad angefangen würde. Heute schreiben wird das Jahr 2019. Heute spricht man davon, dass man im Jahr 2027 einlagern könnte. Ich habe nicht die Illusion, dass ich das in meiner aktiven politischen Zeit noch erleben werde. Darüber wird meine Zeit dann hinweggegangen sein.