(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Darauf haben Sie auch gerade ausführlich hinge- wiesen!)
Danke schön. - Der nächste Redner ist aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Kollege Christian Meyer, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorredner haben angesprochen, dass sich sämtliche Landesregierungen der letzten Jahre für die Belange der Deutschen aus Russland starkgemacht haben. Innenminister Boris Pistorius ist Schirmherr der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die Zusammenarbeit ist da.
Es ist eben erwähnt worden, dass - und dafür sind wir sehr dankbar - auch die Landtagspräsidentin und damit wir als Landtag den Wunsch aufgegriffen und im Rahmen des Weltflüchtlingstages auch an diese grausame Vertreibung erinnert und der Deportation der Deutschen in Russland in Zusammenhang mit dem Stalin-Befehl gedacht haben. Wir finden es richtig, dass das aktuell in diesem
Rahmen passiert, dass also die Vertreibung, die Flucht, die Deportation, die Verfolgung, die es früher gab, und die, die es heute gibt, in einen gemeinsamen Kontext gestellt werden. Deshalb schließen wir uns den Vorrednern von SPD, CDU und FDP an: Wir können Ihren Antrag von der AfD hier heute nur ablehnen.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Vor- schusslorbeeren! - Anja Piel [GRÜ- NE]: Er muss sich jetzt ein bisschen zur Decke strecken!)
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Kollege Meyer, herzlichen Dank, dass Sie sich meinen Worten anschließen, noch bevor ich sie ausgesprochen habe.
Ich kann mich an dieser Stelle als erstes nur sehr, sehr herzlich bei Editha Westmann und bei Doris Schröder-Köpf für die einfühlsamen Worte, die sie hier gefunden haben, bedanken. Ich muss wirklich sagen, dass wir als Freie Demokraten das teilen. Nur dadurch, dass es wiederholt wird, wird es nicht richtiger. Es bleibt einfach richtig.
Ich glaube, dass wir als Politiker insgesamt eine Verantwortung haben, dafür zu sorgen, dass die schlimmen Dinge und das Leid, das den Deutschen in Russland widerfahren ist, nicht vergessen werden. Dafür haben wir - das ist gerade noch einmal gesagt worden - würdige Rahmen. Sie finden sich hier im Niedersächsischen Landtag am 19. Juni und in Friedland am Tor zur Freiheit, dem Tor nach Deutschland. Von daher - das muss ich wirklich sagen - hätte eine Parallelveranstaltung, wie sie von der AfD gefordert wird, keinen Mehrwert. Wir haben sowohl hier als auch in Friedland die richtigen Anlässe, an denen wir gedenken.
Ich muss auch noch einmal unterstützend etwas dazu sagen, was Frau Andretta als Landtagspräsidentin hier in der Debatte am 19. Juni gesagt hat. Sie hat ganz bewusst auch über unsere deutsche
Vergangenheit und die Vertreibung von Deutschen gesprochen und den Kontext zu unserer heutigen Zeit hergestellt. Ich muss wirklich sagen, dass wir als Freie Demokraten das so unterstützen und möchten, dass auch weiter in diesem guten und angemessenen Rahmen den Opfern von Flucht und Vertreibung gedacht wird. Dass wir dabei ein besonderes Augenmerk auf unsere eigene Geschichte und auch auf die Geschichte der Deutschen aus Russland legen, ist aus meiner Sicht selbstverständlich. Dafür brauchen wir keine Anträge der AfD-Fraktion.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Emden zu? - Herr Emden, Sie hatten den Wunsch nach einer Zwischenfrage, nicht nach einer Kurzintervention, nicht wahr? - Der Redner ist nicht geneigt.
Aus dem Plenum habe ich keine weiteren Wortmeldungen, sodass jetzt die Landesregierung das Wort ergreifen kann. Herr Minister Pistorius, bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass Lilli Bischoff als Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland heute ebenfalls hier ist,
und dabei ist, während wir hier über diesen Antrag diskutieren. Ich füge hinzu, es gibt einen regelmäßigen Austausch auf allen Ebenen mit Lilli Bischoff und ihrer Landsmannschaft. Das hat sich bewährt. Das ist eingespielt. Das ist vertrauensvoll. Wir werden weiter daran arbeiten, dass das so bleibt.
Der 28. August 1941 ist ein Tag, der sich in das kollektive Gedächtnis der Russlanddeutschen eingebrannt hat. Unmittelbar nach dem Angriff Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion erließ das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ein Dekret über die Umsiedlung der in den Rayons des Wolgagebiets lebenden Deutschen. Dieser sogenannte Stalin-Erlass vom 28. August 1941 war der Beginn einer menschenverachtenden Odyssee der Russlanddeutschen. Das Dekret stellte alle Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion unter Generalverdacht - das kennen wir -, „Zehntausende von
Spionen und Diversanten zu decken“. Mit diesem vorgeschobenen Grund beabsichtigte Stalin, alle Wolgadeutschen nach Westsibirien und Nordkasachstan zu deportieren.
Infolge dieser Zwangsdeportationen wurden viele Menschen von ihren Familien getrennt, erlitten schwere gesundheitliche Schäden, verloren ihr Eigentum, und viele verloren ihr Leben. Es war ein weiteres Verbrechen in einem unmenschlichen Krieg, in dem die Deutschen mit dem Überfall auf die Nachbarländer, auf die Sowjetunion, mit dem Holocaust, mit den Verbrechen in der Wehrmacht unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht haben.
In Erinnerung an die Deportation der Wolgadeutschen richtet die Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland traditionell eine zentrale Gedenkfeier auf dem Gelände des Grenzdurchgangslagers Friedland aus. Natürlich kommt Friedland hierbei eine besondere historische und symbolträchtige Bedeutung zu. Schließlich steht Friedland bis heute - wie kein anderer Ort in Deutschland - für Millionen von Menschen für einen Neuanfang, auch für die nach Deutschland einreisenden Spätaussiedler und deren Familienangehörige. Friedland wurde für sie buchstäblich zum Tor zur Freiheit.
Alle damals im Niedersächsischen Landtag vertretenen Fraktionen hatten daher seinerzeit beschlossen, im historischen Bahnhofsgebäude die Geschichten der Menschen, die in Friedland aufgenommen wurden, über die Jahrzehnte in einer Dauerausstellung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2016 wurde das Museum Friedland eröffnet, das seither - das freut mich außerordentlich - viele Besucherinnen und Besucher angezogen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Friedland wurde als einzige Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes für Spätaussiedler ein Teil ihrer Erinnerungskultur und ein Teil russlanddeutscher Identität. Friedland war und ist der geeignete Ort, der Stalin-Dekrete aus 1941 zu gedenken. Deshalb wird die Gedenkveranstaltung der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland anlässlich des 28. August 1941 seit Jahren traditionell im Grenzdurchgangslager Friedland ausgerichtet.
Diese Veranstaltung der Landsmannschaft, meine Damen und Herren, aber auch die Landsmannschaft selbst werden finanziell und organisatorisch durch mein Ministerium unterstützt. Damit bekun
den wir als Land - auch in Anerkennung der bisher erbrachten, enormen Integrationsleistungen - die Solidarität mit den hier lebenden Spätaussiedlern. An der seit Jahren stattfindenden Gedenkstunde in Friedland nehmen regelmäßig hochrangige Vertreter des Bundes, des Landes sowie der Kirchentag und damit auch Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags sowie Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung teil.
Auch mir ist es wichtig, regelmäßig vor Ort gemeinsam mit der Landsmannschaft an die Verbrechen an den Russlanddeutschen zu erinnern. Als Schirmherr der Landesgruppe weiß ich, dass das Gedenken in Friedland, die Gebete, die Kranzniederlegung an der Friedlandglocke und am Heimkehrerdenkmal auf dem Hagenberg für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein würdiges und emotionales Erinnern sind. Viele unter uns, die das Gedenken an die Geschehnisse nach August 1941 in Friedland bereits miterleben durften, werden dies sicher bestätigen können.
Ich füge hinzu: Nach meinen Gesprächen mit der Landsmannschaft und auch mit Lilli Bischoff weiß ich, dass man dort keinen gesteigerten Wert auf eine Gedenkveranstaltung hier im Landtag legt, weil man der Auffassung ist, dass eine bundesweite zentrale Veranstaltung in Friedland allemal eine größere Aufmerksamkeit, eine größere Öffentlichkeit als eine Gedenkstunde hier im Landtag hat. Ich finde, das ist eine gute Betrachtung der Realitäten. So wird die diesjährige Veranstaltung in Friedland - sie ist auf den 14. September terminiert - auch in diesem Jahr wieder in einem eindrucksvollen und würdigen Rahmen stattfinden. Daher sehe ich auch aktuell keinen Bedarf für eine gesonderte Gedenkstunde hier im Landtag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich zum Schluss komme, ist mir noch eines wichtig: Bei der Beschäftigung mit den schrecklichen Verbrechen des Zweiten Weltkrieges drängt sich unweigerlich ein Gedanke auf: Das Gedenken an die Schrecken der Vergangenheit ist auch ein Auftrag an uns alle. Wir dürfen es eben nicht bei Gedenkstunden für vergangene Verbrechen belassen. Vielmehr müssen wir alles dafür tun, dass sich Derartiges niemals wiederholt, in welcher Form und durch wen auch immer. Nationalismus und Protektionismus sind weltweit - und leider auch bei uns in Europa - auf dem Vormarsch. Populisten versuchen immer wieder, den Fokus auf das zu legen, was uns trennt, und nicht auf das, was uns vereint, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Gerade jetzt braucht es Europa, auch vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte, als eine starke Werteunion, braucht es mehr denn je ein vereintes Europa als ein einzigartiges Friedensprojekt. Dafür müssen wir uns mit Nachdruck einsetzen. Wir sind es denjenigen, die während des Zweiten Weltkrieges Leid und Unrecht erfahren haben, schuldig - schuldig, diesem Leid entsprechend zu gedenken, ja! Wir sind es ihnen, aber auch unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, alles dafür zu tun, dass sich etwas Derartiges in Europa nie wiederholt.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Meine Damen und Herren, einen Wunsch nach weiteren Wortmeldungen gibt es nicht, sodass wir die Beratung zu dem Tagesordnungspunkt 21 schließen können, ohne allerdings auf die Abstimmung zu verzichten.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 18/599 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die eindeutige Mehrheit. Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD mit großer Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, Sie haben heute Vormittag verfolgen können, dass der Tagesordnungspunkt 22 bereits behandelt wurde.
Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Technologieoffenheit muss die Maxime der Politik bleiben! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/3253
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Technologieoffenheit ist die falsche Parole“ - mit dieser Aussage hat der VW-Vorstandsvorsitzende Diess in diesem Monat eine sehr kontroverse Diskussion losgetreten.
Sie überrascht auch insofern, weil der gleiche VWVorstandsvorsitzende Diess noch im Dezember zur Frage des Wandels auf Elektromobilität gesagt hat, dieser Systemwechsel sei nicht durchdacht und auch nicht richtig vorbereitet - gemeint war nicht vom Automobilunternehmen, sondern von der Politik, also von uns.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Gutes hat diese klare Aussage, die die Diskussion losgetreten hat, nämlich dass sie uns immer wieder - oder gerade jetzt - deutlich vor Augen führt, dass wir eine wirklich wichtige Diskussion in der Gesellschaft und in der Politik nicht geführt haben, nämlich über die Frage, wie die CO2-Minimierung, die aufgrund der Pariser Klimaabkommen im Verkehrssektor durchgeführt werden soll, tatsächlich vonstattengehen soll: Wie stellen wir es uns vor, dass der Verkehrssektor den CO2-Ausstoß reduziert? Da stellt sich durchaus die Frage, ob eine Fokussierung darauf, dass die künftige Mobilität ausschließlich durch E-Mobilität gewährleistet sein soll, bei dem Energiemix - bei dem heute tatsächlich noch CO2 ausgestoßen wird, wenn ein E-Auto fährt - kurzfristig der richtige Weg ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Woche hat das Europäische Parlament mit der Beschlussfassung, ein neues Regelwerk für den Flottenmix von Neuzulassungen der Kfz mit einer Senkung von 37,5 % des Ausstoßes zu schaffen, zumindest ein sehr umstrittenes politisches Regelwerk vorgegeben. Das bedeutet nämlich, dass ein E-Auto - so wird es vorgegeben - unabhängig davon, ob es CO2-neutral fährt, also mit erneuerbarem Strom oder mit Braunkohlestrom betrieben wird, keinen CO2-Ausstoß angerechnet bekommt, also zero emission hat, aber beispielsweise einem Verbrennungsmotor, der biologisch mit erneuerbaren Energien hergestellte E-Fuels tankt, ein CO2Ausstoß angerechnet würde. Das ist ein Widerspruch in sich. Denn ich denke, wir sind einer Meinung: Wenn man den CO2-Ausstoß reduzieren will, geht es um den echten und nicht um den auf dem Papier.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber auch andere Wege. Beispielsweise gibt es die Forderung, den Verkehrssektor in den Zertifikatehandel mit einzubeziehen und hierdurch zu einer entsprechenden Steuerung zu kommen. Es gibt auch unterschiedliche Technologien. Schauen Sie
beispielsweise nach Japan! Dort setzt man auf einen anderen Weg: E-Mobilität soll nur für kurze Strecken genutzt werden, ansonsten soll die Brennstoffzelle als Energiequelle verwendet werden. Dazu gibt es ein enormes Investitionsprogramm zur Förderung des Aufbaus von Wasserstofftankstellen, um zu einer Wettbewerbsfähigkeit dieser Technologie zu kommen.
China dagegen sagt: Die E-Mobilität ist für uns gar nichts zur CO2-Minimierung. Wir wollen E-Mobilität nur in den Städten und die Emissionen sozusagen aufs Land verlegen. Es wird mit Kohlestrom geheizt, und längere Distanzen werden mit Flugzeugen zurückgelegt. - Wenn dies das Ergebnis in Deutschland wäre, wenn E-Mobilität mit Braunkohlestrom angetrieben würde und wir alle fliegen würden, um entsprechende Distanzen zurückzulegen, würde sich wahrscheinlich sogar bei Frau Byl der Magen umdrehen.
Das heißt, die Frage, ob E-Mobilität als alleinige Antriebsform der Zukunft für Deutschland der richtige Weg ist, ist durchaus offen und anders zu diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, VW geht nun diesen Weg und sagt: „Wir wollen schon jetzt komplett auf E-Mobilität umstellen“ verbunden mit der Forderung, dass sich das Regelwerk der Politik dieser Strategie anpassen soll. Es soll sowohl eine langfristige Verkaufsförderung durch die Politik durch die Subventionierung von kleinen Automobilen mit E-Batterien betrieben werden als auch das gesamte Regelwerk der Förderung allein auf diese einzelne Technologie ausgerichtet werden.