Das Land Niedersachsen wollte und will sich mit solchen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die den Anforderungen eines sozialen Rechtsstaats widersprechen, nicht abfinden.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung nicht nur die vorhin von der Sozialministerin in der Aktuellen Stunde referierten Aktivitäten entwickelt - so haben wir Bundesratsinitiativen ergriffen, auf Ministerebene Gespräche mit der Fleisch- und Ernährungswirtschaft geführt, über einen Erlass von Sozial- und Innenministerium Vorgaben für eine angemessene Unterbringung der Beschäftigten formuliert und natürlich bei jeder Gelegenheit gegenüber der Bundesregierung eine Verstärkung der für die Kontrolle von Arbeitsbedingungen zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit gefordert.
Die Landesregierung hat darüber hinaus - auch das hat Frau Kollegin Reimann angesprochen - mittels einer Förderung seit Ende 2013 Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Oldenburg, Hannover, Braunschweig und Lüneburg geschaffen, maßgeblich finanziert aus den Mitteln des Haushalts des Wirtschaftsministeriums. Diese Beratungsstellen fördert das Land alleine im Zeitraum von 2017 bis 2020 mit insgesamt 2,24 Millionen Euro. Unter dem Dach des Trägers, der Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN, informieren je
Beratungsstelle zwei Beraterinnen und Berater die ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter über ihre Rechte rund um die Themen Arbeit und das Leben in Deutschland, auch in der Muttersprache der hilfesuchenden Personen.
Darüber hinaus vermitteln sie Kontakte zu Ämtern, Behörden sowie anderen Organisationen und unterstützen die sich an sie wendenden Menschen auch dort bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen.
Das Angebot richtet sich an ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich vorübergehend in Deutschland aufhalten, z. B. Saisonarbeitskräfte, entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Scheinselbstständige. Die Beratung erfolgt unabhängig von Branche und Aufenthaltsstatus und auch unabhängig davon, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert.
Alle vier Beratungsstellen, um die uns viele Länder beneiden, haben sich bewährt. Das Gesamtprojekt ist aus Sicht der Landesregierung ein unverzichtbares Element im Einsatz für gute Arbeitsbedingungen. Die Landesregierung beabsichtigt deshalb auch, ihre Unterstützung der Beratungsstellen fortzusetzen.
Zu Frage 1: Ja, die Landesregierung beabsichtigt, das Projekt Beratungsstellen für mobile Beschäftigte auch weiterhin finanziell zu fördern; ich gehe dabei von dem erwähnten finanziellen Rahmen aus. Sie wird die Beratungsstellen darüber hinaus auch im Wege des bestehenden kontinuierlichen Austausches unterstützen. Im Übrigen möchte ich auf meine Vorbemerkungen verweisen.
Zu Frage 2: Die Landesregierung sieht die Beschäftigten der Firma Vion als ausreichend informiert an. Nach Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises Cloppenburg erfolgt eine Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung sowie mit der Betriebsmedizinerin der Firma Vion. Alle Auflagen und Forderungen des Gesundheitsamtes sind erfüllt worden. Die Betriebsmedizinerin hat alle Beschäftigten informiert und steht für Fragen seitens der Beschäftigten zur Verfügung; auch Flugblätter wurden seitens der Betriebsmedizinerin verteilt.
Die Information der Beschäftigten über das Krankheitsbild der Tuberkulose ist ein wichtiges Element der Krankheitsbekämpfung; denn Tuberkulose kommt in Osteuropa sehr viel häufiger vor als in Deutschland, und zwischen Infektion und Krankheitsausbruch können sehr lange Zeiträume liegen. So ist es wichtig, dass die Beschäftigten über Symptome informiert sind und dann möglichst frühzeitig eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.
Die Landesregierung begrüßt darüber hinaus, dass auch die Beratungsstellen zur gesundheitlichen Aufklärung ihrer besonderen Zielgruppe beitragen - sei es mündlich, sei es schriftlich oder durch Hinweise auf das Internet oder im Internet.
Entscheidend ist nach Ansicht der Landesregierung, dass sich die Informationsangebote ergänzen, um eine möglichst umfassende Information der Betroffenen zu gewährleisten. Die Beraterinnen und Berater erfüllen gerade durch ihre persönliche Ansprache und mit ihrer Sprachkompetenz eine wichtige Netzwerkfunktion.
Zu Frage 3: Die Landesregierung unterstützt die Informations- und Aufklärungsarbeit der Beratungsstellen. Die allgemeinen rechtlichen Grundlagen sind dabei zu beachten.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. - Es gibt einige Wünsche nach Zusatzfragen. Ich gehe davon aus, dass Sie die Regularien für das Stellen von Zusatzfragen kennen.
Gerade die Beratungsstelle in Oldenburg hat einen sehr großen Bereich und sehr viele Betriebe zu betreuen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung, insbesondere Herrn Dr. Althusmann, ob die Landesregierung plant, die Beratungsstelle personell aufzustocken.
Es gibt Gespräche darüber, ob ein erhöhter Personalbedarf besteht. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Wir werden uns die Situation in allen vier Bereichen, die von den Beraterinnen und Beratern betreut werden, noch einmal genau schildern lassen. Wir haben den in Rede stehenden Fall auch zum Anlass genommen, uns über den konkreten Sachstand zu informieren, auch über die Zusammenarbeit mit den Betrieben. Sollte es einen erheblichen zusätzlichen Bedarf geben, werden wir nachsteuern. Aber zurzeit sind die genannten 2,24 Millionen Euro in etwa der Rahmen, in dem wir uns weiter bewegen wollen und können.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Miriam Staudte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund, dass es unter Rot-Grün einen Erlass gab, der den Kommunen die Möglichkeit verschafft hat, den Betreibern der Sammelunterkünfte Auflagen auch speziell unter dem Aspekt des Infektionsschutzrechts zu erteilen, frage ich die Landesregierung, ob die Kommunen dies dann auch tatsächlich getan und von den Betreibern der Unterkünfte z. B. einen Hygieneplan eingefordert haben.
Wir versuchen, uns seitens der Landesregierung über die Ressortgrenzen hinweg - für die Arbeitsverhältnisse sind u. a. unser Bauministerium, unser Sozialministerium und das Wirtschaftsministerium zuständig - und auch mit unseren Kommunen aufs Engste abzustimmen, um die geschilderten Missstände zu beheben.
Sie wissen, dass es einen Runderlass vom 17. Dezember 2013 zur bauordnungsrechtlichen und melderechtlichen Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte gibt. Darin wurden sehr konkrete, den Kommunen bekannte bauordnungsrechtliche Bestimmungen für Unterkünfte von Beschäftigten getroffen, für die nicht bereits eine Verpflichtung des
Gegenstand dieser bauordnungsrechtlichen Regelungen sind Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse. Deren Einhaltung wird auch überprüft. Es handelt sich insbesondere um Vorgaben zu der Größe der Aufenthaltsräume, zu sanitären Anlagen, zum Brandschutz und zur Vorgehensweise der unteren Aufsichtsbehörden, also der Kommunen, bei Hinweisen auf ungenehmigte Unterkünfte.
Wenn wir Hinweise bekommen, muss die Kommune entsprechend handeln. Nach den ersten Erkenntnissen der obersten Bauaufsichtsbehörde hat der Erlass schon heute dazu beigetragen, dass die Wohnverhältnisse der Arbeitnehmer und damit ihre Lebensbedingungen verbessert wurden.
Das Umweltministerium - wenn ich das ausführen darf, Herr Kollege Lies - arbeitet an einem Wohnraumschutzgesetz. Dieses soll auch in diesen Fällen greifen. Es wird eng mit der kommunalen Ebene abgestimmt. Dort wird eine Mindestausstattung von Wohnraum definiert, wofür allerdings die Vermieter verantwortlich sind. Dazu gehören: ausreichende natürliche Belichtung sowie ausreichende Belüftung, Schutz gegen Witterungseinflüsse,
Feuchtigkeit, Anschlüsse für Energie- und Wasserversorgung sowie Entwässerung, Feuerstätte, Heizungsanlage, Anschluss Kochküche, sanitäre Einrichtungen; die Ausstattung muss funktionstüchtig, die Energie- und Wasserversorgung gewährleistet sein.
In diesem Wohnraumschutzgesetz wird es weitere Regelungen geben: Die Belegungsdichte wird definiert, d. h. wie viele Personen dort sein dürfen. Die Gemeinden sollen die Unterkunft unter bestimmten Voraussetzungen jederzeit und auch gegen den Willen der Bewohnerschaft betreten dürfen, um die Mindestausstattung und die Mindestwohnfläche kontrollieren zu können. Eine konkrete erhebliche Gefahr muss dazu nicht vorliegen; das scheint bisher anders zu sein.
Gemeinden erhalten damit gegenüber den Vermietern neue Anordnungsbefugnisse unterhalb der Eingriffsschwelle bereits bestehender Gesetze - z. B. der Bauordnung -, um den ordnungsgemäßen Gebrauch von Wohnraum zu Wohnzwecken zu sichern bzw. wiederherzustellen. Überbelegte
Wohnungen können geräumt werden, bis die höchstzulässige Belegungsdichte erreicht und die Wiederherstellung zu Wohnzwecken absehbar ist. Ist das nicht möglich, oder ist die Gesundheit ge
Das heißt, die Kommunen haben in engster Abstimmung und mit Bezug auf diesen Erlass und das geplante Wohnraumschutzgesetz - das in Bälde auf den Weg gebracht wird - ausreichend Möglichkeiten, um eine Wohnraumsituation, wie sie hier geschildert wurde, deutlich zu verbessern, sodass sich solche Missstände nicht wiederholen.
Genau, zur Geschäftsordnung. Ich hatte konkret gefragt, ob die Kommunen den Erlass genutzt haben, um Hygienepläne einzufordern. Das ist nicht beantwortet worden. Ich danke für die weiteren Ausführungen, aber falls Sie das spontan nicht beantworten können, bitte ich darum, das schriftlich zu tun.
Ich möchte einmal offen lassen, ob das nun ein Geschäftsordnungsthema war oder das Zum-Ausdruck-Bringen, dass die Antwort nicht befriedigend war.
(Wiard Siebels [SPD]: War es nicht! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Die Frage ist nicht beantwortet worden! - Gegen- ruf von Wiard Siebels [SPD]: Das war keine Thema für eine Geschäftsord- nungsdebatte! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Es war eine Hilfe- stellung für den Minister!)
Es tut mir leid, Frau Abgeordnete, dass ich die Frage offensichtlich nicht zu Ihrer ausreichenden Zufriedenheit beantwortet habe.
Uns liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Es kann aber sein, dass im dafür zuständigen Sozialministerium welche vorhanden sind. Sollte das der Fall sein, müsste das Sozialministerium die Antwort auf diese Frage schriftlich nachreichen.
Wenn jetzt allgemeine Zufriedenheit hergestellt ist, kommen wir zum nächsten Fragesteller. Das wäre Kollege Christian Meyer. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage auch zur Umsetzung des Erlasses von 2013, der von MI und MS herausgegeben worden ist, und ganz konkret zu den TuberkuloseFällen - es waren ja mehr als 40 -, ob das Gesundheitsministerium oder wer auch immer nachgefragt hat, ob mit Blick auf die Wohnverhältnisse der erkrankten Arbeiter ein Hygieneplan gemäß Nr. 5.1 des Erlasses - Infektionsschutzrecht - vorgelegt worden ist, der der fachmedizinischen Überwachung durch das örtliche Gesundheitsamt unterlag, ob man sich bei den Wohnverhältnissen der erkrankten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer also darum gekümmert hat, dass der Erlass, den man herausgegeben hat, eingehalten wurde.