Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das war eben ein Auftritt, der mich wirklich tief erschüttert hat. Wenn man im Sozialbereich nur die Themen Migration und Integration kennt, dann sollte man sich fragen, ob man in diesem Ausschuss überhaupt richtig ist.
Lassen Sie mich drei weitere Schwerpunkte des Einzelplans 05 benennen: die Gleichstellungspolitik, die Förderung von Frauen mit zwei frauenspezifischen Programmen und das schwerwiegende Thema Gewalt gegen Frauen. Diese drei Bereiche möchte ich etwas näher erläutern, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich komme zum ersten Punkt: Insgesamt erhalten 25 Koordinierungsstellen Frauen und Wirtschaft einen Kofinanzierungsanteil von 2,4 Millionen Euro im Rahmen der EU-Strukturfondspolitik, um Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu erreichen. Mit Blick auf den mehrjährigen Finanzrahmen - das wissen wir alle - ist es nicht selbstverständlich, dass dieses Förderprogramm weiterläuft. Insofern ist es wichtig, dass das Ministerium hier weiterhin einen Schwerpunkt setzt und dabei ein besonderes Angebot für geflüchtete Frauen und Migrantinnen berücksichtigt. Denn man muss ganz klar sagen: Im Land Niedersachsen gibt es regional unterschiedliche Bedarfe und auch regional unterschiedliche Frauenthemen. Insofern ist es gut, dass diese Themen mit diesem Haushaltstitel abgedeckt bzw. gefördert werden.
Der zweite Punkt, der uns auch hier im Landtag beschäftigt, sind die Projekte im Rahmen des Politik-Mentorings. In den Jahren 2019 und 2020 werden jeweils 100 000 Euro zur Verfügung gestellt, um Frauen mehr für Politik zu interessieren. Wenn wir alleine den Landtag betrachten, sehen wir: Frauen sind hier unterrepräsentiert. Wir sind hier noch nicht das Spiegelbild der Gesellschaft. Insofern ist es richtig, dass wir hier noch etwas mehr tun. Ich sage ganz klar und deutlich: Hier ist noch deutlich Luft nach oben. Dies sollten wir nutzen.
Der dritte schwerwiegende Punkt sind für uns die Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Diese Maßnahmen widmen sich dem Opferschutz und dem Schutz der Familie. Für uns als CDU- und SPD-Fraktion steht außer Frage, dass von Gewalt betroffene Kinder und Frauen, dass Opfer von Vergewaltigungen schnell und unbürokratisch geschützt werden müssen und schnell und unbürokratisch durch das Projekt ProBeweis - ein Projekt zur Stärkung der Rechtsstellung der Opfer - eine verfahrensunabhängige Beweissicherung in Anspruch nehmen können müssen. Das ist mittlerweile in 28 Landkreisen möglich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Maßnahmen haben insgesamt ein Ziel: Schutz zu gewähren. Dazu möchte ich beispielhaft nur kleine Einzelmaßnahmen aus dem Haushaltsplan benennen: Wir fördern die Frauenhäuser mit 4,5 Millionen Euro. Wir leisten mit 1 Million Euro einen Beitrag zur Unterstützung des barrierereduzierten Um- und Ausbaus einzelner Frauenhäuser, und mit der Aufstockung der Haushaltsmittel von 310 000 Euro verstetigen wir das Netzwerk ProBeweis.
Wir wollen auch - das wird ein spannendes Thema in der nächsten Zeit - mit dem sich zurzeit noch in der Beratung befindlichen Entschließungsantrag zum Schutz von Frauen vor Gewalt zukunftsweisende Rechtsverbindlichkeiten entwickeln, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen: Nicht eine Frau, nicht ein Kind darf Gewalt ausgesetzt werden. Wir alle - Gesellschaft, Bund, Land, Kommunen - müssen unserer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge mit adäquaten Hilfsmitteln nachkommen. In diesem Haushalt wird das mit diesem Haushaltstitel zum Ausdruck gebracht.
Ich danke an dieser Stelle dem Ministerium für die sehr kooperative Zusammenarbeit und hoffe, dass wir auch in den nächsten Jahren noch viele gute Projekte nach vorne bringen können.
Die Anträge auf eine einfache Aufstockung der Mittel um 2 Millionen Euro oder auch auf einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus halten wir im Moment für etwas überzogen - nein, „überzogen“ ist das falsche Wort. Im Moment halten wir sie nicht für adäquat, und zwar aus dem einfachen Grund, dass unsere Ministerin Frau Dr. Reimann und ihr Staatssekretär - an dieser Stelle möchte ich beiden ganz herzlich danken - einen runden Tisch eingerichtet haben, um rechtsverbindliche, bundeseinheitliche Regelungen zu treffen. Ich denke, darauf sollten wir unseren Fokus legen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. - Es folgt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Dr. Thela Wernstedt. Frau Dr. Wernstedt, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin Pieper hat gerade schon in das Thema eingeführt, das auch ich beleuchten will.
Frauen sind, wie wir alle wissen, die Hälfte der niedersächsischen Bevölkerung. Insofern berühren alle Themen, die wir in diesen Tagen miteinander diskutieren, die Frauen.
Aus Zeitgründen beschränke ich mich jetzt auf ein Thema, das leider nach wie vor ein Frauenthema ist, nämlich Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Das betrifft immer noch überwiegend dieses Geschlecht.
Im Haushalt 2019 stellen wir für den weiteren Ausbau und den barrierefreien Umbau von Frauenhäusern zusätzlich 1 Million Euro zur Verfügung. Dies ergibt eine Summe von 4,5 Millionen Euro als freiwillige Leistung des Landes zur Unterstützung der Kommunen.
Über die politische Liste erhalten Schutzwohnungen zusätzliches Geld. Außerdem haben wir uns im Sozialausschuss in diesem Jahr sehr ausführlich mit der Situation von Schutz- und Beratungseinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen beschäftigt, einschließlich einer sehr ausführlichen Anhörung.
Als Koalition werden wir darauf hinarbeiten - auch darauf hat Gudrun Pieper schon angespielt; ein entsprechender Entschließungsantrag befindet sich gerade in der internen Abstimmung -, dass sich die Einrichtungen im Sinne der IstanbulKonvention zu einer Schutzkette weiterentwickeln. Prävention, Rechtsanspruch, Beratung, Unterbringung, Therapie und mehr sozialer Wohnungsbau sind Glieder einer Kette, bei der in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen präventiv und schützend gearbeitet wird.
Es braucht mehr Zusammenarbeit, mehr Absprachen und eine Weiterentwicklung des Hilfesystems. Mit mehr Geld für einzelne Einrichtungen ist es auf Dauer nicht getan. Niedersachsen beteiligt sich auch an einem Projekt des Bundes, um die Bedarfe der von Gewalt betroffenen Frauen zu ermitteln. Mit Ergebnissen wird im nächsten Jahr gerechnet.
Traditionelle Rollenmuster - nach wie vor durch das deutsche Steuerrecht zementiert - und die darin befindliche Geschlechterhierarchie zu Ungunsten der Frauen stützen das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen nach wie vor im Beruf,
in der Öffentlichkeit und vor allem zu Hause in den Familien. Solange es Familien wichtiger ist, einen Sohn zu bekommen, werden Mädchen benachteiligt. Ihre Bedürfnisse sind weniger wichtig, sie werden früher zur Arbeit angehalten, ihre Arbeit ist weniger wert, für ihre Ausbildung wird weniger gesorgt. Diese Sichtweise ist Ausdruck eines Machtgefälles - nach wie vor.
Frauen bleiben in wirtschaftlicher Abhängigkeit. In Abhängigkeiten können sie weniger frei für sich und ihre Kinder entscheiden. Viele Mädchen lernen immer noch früh in ihren Familien, dass sie weniger wert sind. Diese tief verankerten Sichtweisen sind die Grundlage für Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Denn Gewalt ist das letzte Mittel, um Herrschaftsverhältnisse zu sichern. Unsere Verfassung aber schreibt vor, die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen. Genderforschung beleuchtet und analysiert diese Verhältnisse. Die Gleichstellungsbeauftragten in Kommunen, Betrieben und Behörden sind Unterstützerinnen vor Ort.
Vor diesem Hintergrund ist es mir völlig unverständlich, warum die FDP und die AfD Vorschläge machen, um gerade hier beträchtliche Summen im Landeshaushalt einzusparen, und damit der Verfassung nicht gerecht werden. Sie wollen allen Ernstes Wissenschaft abschaffen, Projektmittel kürzen und professionelle Gleichstellungsbeauftragte schwächen, die sich genau mit den von mir skizzierten Themen beschäftigen. Wir wollen das anders. Ich habe es bereits erwähnt und bedanke mich noch einmal bei allen Fraktionen im Sozialausschuss für die konstruktiven, kritischen und durchaus nicht immer einvernehmlichen Beratungen, die wir im nächsten Jahr fortführen werden.
Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Jetzt folgt die FDP, noch mit voller Redezeit ausgestattet. Kollegin Bruns, bitte sehr!
Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Ich bin ein Gutmensch. Ich bin ein bekennender Gutmensch. Gutmensch kommt für mich von „guter Mensch“.
Als meine Tochter getauft worden ist, bin ich gefragt worden, was ich mir für mein Kind wünsche. Ich habe damals gesagt: Ich wünsche meinem Kind, dass es ein guter Mensch wird. Genauso möchte ich als Vorbild vorangehen. Für mich ist das kein Schimpfwort, für mich ist das eine Ehre. Vielen Dank.
Zu dem Kollegen Meyer: schneller, höher, weiter. - Ja, genau. Das ist für die Freien Demokraten ehrlicherweise keine Schimpfe, sondern eher Fortschrittsbeschleuniger. Genau so sehen wir uns. Ich nehme das einmal als Kompliment mit. Vielen Dank, Volker!
Sie finden bei uns tatsächlich in den Anträgen zum Einzelplan 05 nur wenige partielle Änderungen. Das spiegelt aber auch die Arbeit wider, die wir im Sozialausschuss zusammen machen. Viele Projekte, die Sie in Ihrem Haushalt haben, hätten wir auch so unterstützt. Ich verstehe Politikgestalten nicht so, dass es darum ginge, wer am meisten bietet. Wir hätten es uns ja einfacher machen können und einfach hier 10 000 Euro und dort 50 000 Euro drauflegen können. Das finde ich aber unredlich. Die Projekte, so wie Sie sie eingestellt haben, finden unsere Unterstützung.
Das einzige Projekt, das wir eingestellt haben, sind die 25 Millionen Euro für die Krankenhäuser. Wir begrüßen aber, dass Sie die Förderung der Investitionsmaßnahmen verstetigt haben. Diese 25 Millionen Euro sind nicht für Investitionsmaßnahmen und für Renovierungen, sondern allein dafür gedacht, die Digitalisierung von Akten und den digitalen Verkehr bei Krankenhäusern zukunftsmäßig fortzuschreiben.
Wir haben damals mal mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig gesprochen. Die haben gesagt: Man braucht pro Krankenhaus 1,5 Millionen bis 2 Millionen Euro. Um das Projekt anzuschieben, haben wir jetzt dafür 25 Millionen Euro eingestellt. Wir hatten vor, in der Enquetekommission auch das Thema Digitalisierung an Krankenhäusern zu beraten.
Zu einem weiteren Bereich - es gibt sogar politische Schwerpunkte, die man bilden kann, ohne dafür viel Geld auszugeben - haben wir einen Antrag vorgelegt: Transgender und sexuelle Orientierung. Dafür haben wir mehr Geld eingestellt. Auf
Ich zitiere mal ein paar Schlagzeilen, die man relativ schnell findet. Vom 11. Februar: „21-Jähriger in Münchner U-Bahn als ‚Transe‘ beschimpft und geschlagen.“ Ein Mobbingopfer aus Darmstadt berichtet im Herbst 2018: „Stell Dir vor, Du wirst auf offener Straße bespuckt, beleidigt, jeden Tag aufs Neue erniedrigt und manchmal sogar zusammengeschlagen, nur weil du nicht der Norm entsprichst.“ - Es gibt also dringenden politischen Handlungsbedarf.
An dieser Stelle möchte ich gerne über unseren Antrag „Rechte von Transsexuellen, Transidenten, Transgender und Menschen mit entsprechender Biografie stärken“ reden. Dieser Antrag droht ein bisschen in den Haushaltsplanberatungen unterzugehen. Ich hatte aber schon vorher angekündigt, dass ich auf jeden Fall über unseren Antrag reden würde.
Einer der Gründe, warum ich angefangen habe, mich selber politisch zu engagieren, hat damit zu tun, dass ich der festen Überzeugung bin, dass jeder Mensch so leben darf und kann, wie er möchte. Es ist sein Leben. Kein anderer darf darüber entscheiden. Man muss die Stimme für diejenigen erheben, die nicht über eine große Lobby verfügen.
Aus diesem Grund finde ich es schon unterirdisch, wie mit diesem Antrag verfahren wurde. Es sei ein „Altantrag“. Ich bemerke mal: Er ist am 14. August 2018 eingereicht worden. Von wegen „Altantrag“! Wir haben im Ausschuss die Ministerien und die von dem Antrag Betroffenen gehört. In mehr oder weniger blumigen Worten wurde uns von beiden Ministerien berichtet, warum das alles total schwierig und überhaupt nicht umzusetzen ist. Aber die im Antrag angesprochenen Punkte entsprechen der Realität. Unterhalten Sie sich doch bitte einmal mit den Betroffenen!
Gesetze dürfen doch in diesen Bereichen nicht so über die Menschen bestimmen. Die Politik ist doch die gesetzgebende Gewalt, und wir müssen dafür sorgen, dass die Gesetze so ausgestaltet sind, dass sie auch bitte mal die Lebenswirklichkeit widerspiegeln.
Bei der ersten Beratung hat der Kollege Meyer mir gesagt, in Berlin sei alles super auf dem Weg. - Ehrlich gesagt, hatte ich schon damals meine leisen Zweifel bei diesem Thema, da ja das Innenministerium und leider nicht das Justizministerium zuständig ist. So bin ich dann in der vorigen Woche zu der Anhörung des Innenausschusses im Bundestag gefahren und war gespannt, wie das jetzt geregelt werden soll. Nach dieser Anhörung, die für den Gesetzentwurf ein Desaster war, ist das Thema in Berlin erst einmal von der Tagesordnung genommen worden. Der Gesetzentwurf ist, ehrlich gesagt, für die Betroffenen ein Desaster. Er wurde von der FDP, den Grünen und den BetroffenenVerbänden scharf kritisiert. Da läuft also ehrlicherweise gar nichts in Berlin!