Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht doch nicht nur um Zeit, Frau Kollegin, sondern es geht um Lösungen. Es geht um gute und sehr gute Lösungen in der medizinischen Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. Da erwarte ich auch von Ihnen - ähnlich, wie Sie es auch bisher gemacht haben -, dass wir konstruktiv und kritisch miteinander arbeiten können.
Sie haben gesagt, dass man das eine tun und das andere mitdenken sollte. Ich glaube, das haben wir schon getan - das wird auch an den Reaktionen der Verbände deutlich; sie sagen ja nicht umsonst, dass wir eine kluge, breite Themenpalette aufgestellt haben, die alles abdeckt.
Sie können sich darauf verlassen, dass wir gemeinsam mit Ihnen arbeiten wollen. Wir haben aber bereits im Voraus alles gut abgedeckt und an alles gedacht.
(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Ich nehme Sie beim Wort, Herr Kollege!)
Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Meine Damen und Herren, zur Beratung liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir die Beratung abschließen können.
Ich darf in Erinnerung rufen: Es geht um eine Beschlussempfehlung des Ältestenrates; es liegt aber auch ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Der auf Annahme in einer geänderten Fassung zielende Änderungsantrag entfernt sich inhaltlich weiter vom ursprünglichen Antrag als die mit der Beschlussempfehlung angestrebten Änderungen.
Wir stimmen daher zunächst über den Änderungsantrag ab. Falls er abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über die Beschlussempfehlung ab.
Wer also dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/2319 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Zweite war die große Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt.
Wir kommen daher zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ältestenrats. Wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrats zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen insgesamt mit großer Mehrheit angenommen. Der Beschlussempfehlung des Ältestenrates wurde gefolgt.
Tagesordnungspunkt 8: Abschließende Beratung: § 219 a StGB ersatzlos streichen - Frauenrechte stärken! - Antrag der Abgeordneten Wiebke Osigus (SPD), Anja Piel (GRÜNE), Sylvia Bruns
(FDP) und 71 weiterer Mitglieder der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/2276 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/2293 - Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Brinkmann (SPD), Jens Nacke (CDU) und 16 weiterer Mitglieder der Fraktion der CDU - Drs. 18/2325 Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Der Änderungsantrag zielt auf eine Annahme des Antrags in einer geänderten Fassung. Wir treten in die Beratung ein. Eine erste Wortmeldung liegt mir von Frau Osigus, SPD-Fraktion, vor. Bitte sehr, Sie haben das Wort! (Zustimmung bei der SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe hier heute, um entschlossen und entschieden für die ersatzlose Streichung des § 219 a StGB zu sprechen. Ich stehe hier Schulter an Schulter mit Kolleginnen und Kollegen, mit Initiativen, Beratungsstellen, Frauengruppierungen und Verbänden. Vor allem stehe ich hier für die Rechte der Frauen, die in eine Konfliktsituation geraten sind, bei denen zwei kleine Striche auf einem Teststreifen die bisherige Lebensplanung durcheinanderwerfen, die in einem emotionalen Ausnahmezustand sind.
Alles, was diese Frauen im zweiten Moment nach der Erkenntnis „Ich bin schwanger!“ brauchen, sind Informationen. Ich stelle mich vehement gegen jeden Versuch, diesen Informationsfluss in einer derart schwierigen Lebenslage zu blockieren oder einseitig moralisch steuern zu wollen, meine Damen und Herren.
Der § 219 a beinhaltet ein Verbot, Informationen durch Ärztinnen und Ärzte der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Diese Zensur ist aus heutiger Sicht gesellschaftlich unvertretbar.
Nein, es geht nicht um uferlose Werbung für Abtreibung! Eine solche uferlose Werbung für Abtreibung ist überhaupt nicht zu befürchten. Die ärztliche Berufsordnung verbietet Ärztinnen und Ärzten reißerische Werbung. Nur Ärztinnen und Ärzte dürfen Abtreibungen vornehmen. Nur Ärztinnen und Ärzten ist es erlaubt, mit derartigen Medikamenten umzugehen. Diese sind nicht frei verkäuflich, sondern sie sind verschreibungspflichtig. Die Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist ebenfalls gesetzlich verboten. Seit der Geltung von § 219 a StGB gab es keine einzige Verfolgung wegen anstößiger Werbung. Keine einzige!
Über § 219 a ist aber nun einmal die sachliche Information über einen rechtmäßigen Abbruch strafbar, meine Damen und Herren. Diesen Wertungswiderspruch müssen wir auflösen. § 219 a ist eine veraltete Vorschrift, die kriminalpolitisch ohne Bedeutung ist und die wiederholt von Abtreibungsgegnern genutzt wird, um Ärzte an den Pranger zu stellen. Dieses verhindert indirekt Abtreibungen; denn was passiert denn, wenn Ärzte kriminalisiert werden? Was passiert denn, wenn ein Arzt befürchten muss, verfolgt zu werden? Was passiert dann? - Er zieht sich zurück. Er bietet die Leistung möglicherweise gar nicht mehr an.
Wenn das der Fall ist, kann eine Schwangere möglicherweise keinen Arzt mehr finden, der diese Eingriffe anbietet. Durch die Hintertür würden damit Abtreibungen verhindert. Das ist mit mir und den Unterstützern der ersatzlosen Streichung nicht zu machen, meine Damen und Herren.
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, eine Abtreibung vorzunehmen. Nicht jeder Arzt bietet jede Möglichkeit an. Und vielleicht ist eine Schwangere nicht jeder Methode zugewandt. Vielleicht möchte sie Medikamente, vielleicht möchte sie eine Vollnarkose. Vielleicht möchte sie aber auch nur einen ambulanten Eingriff. Aber wenn sie nicht in der Lage ist, die Methode, mit der sie vorlieb nehmen
möchte, suchen zu können, dann wird sie ihrem Körper möglicherweise nicht gerecht. Ich stelle mich dagegen, eine solche Bevormundung von Frauen für richtig zu halten.
Die Meinung, dass eine schwangere Frau leichtfertig das werdende Leben aufs Spiel setzt, weil sie ihre Fragen vorab im Internet nachlesen konnte, weil sie weiß, was sie fragen könnte oder wo man entsprechende Ärzte finden kann, ist abwegig! Zu glauben, dass sich eine schwangere Frau, die sich eigentlich schon längst für ihr Baby entschieden hat, umentscheidet, ist abwegig. Es ist abwegig zu glauben, dass ein buntes Poster diese Entscheidung ändern würde, meine Damen und Herren.
Ich habe am letzten Donnerstag mit der Leitung der pro-familia-Beratungsstelle hier in Hannover gesprochen. Es ist nicht so, dass dort nur minderjährige, unaufgeklärte kleine Mädchen auftauchen. Der Großteil der Frauen, die dort in der Konfliktberatung sind, stehen mitten im Leben, sind sexuell aufgeklärt und wollen und können sich in ihrer derzeitigen Lebensplanung schlichtweg kein Kind vorstellen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Gründe dafür sind vor allen Dingen ihre Entscheidung. Unsere höchstpersönliche Moral ist nicht Maßstab für alle Frauen in jeder Lebenslage. Das steht keinem von uns hier zu.
Meine Damen und Herren, eine Entscheidung kann man nur auf einer möglichst breiten Informationsgrundlage treffen. Diese muss frei zugänglich sein. Ich möchte unsere Ärzteschaft nicht kriminalisieren. Ich möchte die Frauen in unserer Gesellschaft nicht bevormunden. Ich will nicht, dass jemand aufgrund eines Informationsverbots unreflektierte Entscheidungen treffen muss. Daher gehört dieses abgeschafft.
Vielen Dank, Frau Osigus. - Wir kommen jetzt zum Beitrag für die CDU-Fraktion von der Kollegin Gerda Hövel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns hier und heute mit dem § 219 a des Strafgesetzbuchs, und das, obwohl wir als niedersächsisches Parlament gar nicht für das Strafgesetzbuch und das Strafrecht zuständig sind.
Dennoch ist es richtig, dass wir uns damit beschäftigen. Ich will kurz darstellen, worum es aus meiner Sicht geht - und worum es eben nicht geht.
Es geht nicht um den § 218 StGB. Es geht nicht um den Kompromiss - in mühsamen, aber sinnvollen Debatten gefunden und gesellschaftlich akzeptiert - zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und der sich in einer besonderen Notlage befindenden schwangeren Frau.
Es geht um den § 219 a StGB, den der Gesetzgeber im Jahr 1972 beschlossen hat und dessen Fassung noch heute Gültigkeit besitzt. Damals, im Jahr 1972, war die Entwicklung der zunehmenden Informationsmöglichkeiten in der heutigen Zeit noch nicht absehbar. Was sich grundsätzlich verändert hat, ist der Zugang zu und die Fähigkeit zur Einordnung von Informationen, und dies weit über die medizinische Frage hinaus. Das ist wichtig zu wissen.
Heute hat fast jede Arztpraxis eine Internetseite und informiert über medizinische Leistungen. Patientinnen und Patienten nutzen diese Möglichkeit, sich zu informieren. Allerdings ist die Information auf der Homepage, dass eine Arztpraxis Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, nicht erlaubt. Mehr noch: Diese Information steht unter Strafe. Das heißt, dass Ärztinnen und Ärzte, die eine straffreie medizinische Leistung vornehmen, bestraft werden, wenn sie darüber auf ihrer Internetseite informieren. Das zeigt uns: § 219 a StGB ist dringend reformbedürftig.