Protocol of the Session on October 26, 2018

Vor drei Jahren ist das Klimaschutzabkommen von Paris unterzeichnet worden. Tatsächlich steigt der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor munter weiter. Immer mehr Autos verstopfen in wachsenden Städten und Kommunen die Straßen - und das nicht nur zu Verkehrsspitzenzeiten. Dicke Luft, Lärm, verschwendete Zeit und begrenzter Raum machen den Menschen das Leben schwer und gefährden ihre Gesundheit. Mobilität, meine Damen und Herren, muss als Ganzes gedacht werden, und zwar so, dass auch Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigte Verkehrspartner sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Verkehrswende, und zwar jetzt! Wer das nicht begreift, macht Politik an den Menschen vorbei, und das wird - das sehen Sie - von den Wählerinnen und Wählern nicht honoriert.

Was hat Sie von der GroKo nur geritten, das gute Programm für Radschnellwege in Niedersachsen auslaufen zu lassen?

Bei einer ersten Bedarfsanalyse des Bundes und der Länder sind 80 Projekte mit einer Gesamtlänge von 1 400 km gemeldet worden. Andere Minister wie Tarek Al-Wazir in Hessen machen erste Spatenstiche für den Neubau von Radschnellwegen, während hierzulande Rot-Schwarz das vielversprechende Programm beerdigt.

Herr Minister Althusmann, schön, dass Sie jetzt da sind! Der grüne Minister Al-Wazir ist Hessens beliebtester Landespolitiker. Davon sind Sie, Herr Minister, mit Ihrer Verkehrspolitik in Niedersachsen meilenweit entfernt.

(Widerspruch von der CDU)

Wo wir schon einmal bei Telefonnummern sind: Ich habe die Nummer von Herrn Al-Wazir hier. Sie können sich gern beraten lassen!

(Jörg Bode [FDP]: Aber nicht, dass das eine Faxnummer ist! - Heiner Schönecke [CDU]: Kein Anschluss unter dieser Nummer!)

Seit 2017 stellt Niedersachsen den Kommunen das Geld dafür zur Verfügung. Die Kommunen haben sich gerade erst auf den Weg gemacht und brauchen natürlich Zeit, um seriöse Machbarkeitsstudien durchzuführen, bevor sie die Projekte anmelden und in die Planung gehen können. Wenn Sie in dieser Debatte ehrlich wären, dann würden Sie auch zugeben, dass die von uns zur Verfügung gestellten 12,35 Millionen Euro eigentlich schon weg sind. Eine Reihe weiterer Projekte steht vor der Anmeldung und wird leer ausgehen, wenn nicht noch etwas passiert. Das Programm zu beerdigen, ist ein falsches Signal zur falschen Zeit am falschen Ort. Ausbremsen statt Hochschalten, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kommunen brauchen eine verlässliche und verstetigte Förderung, damit sie planen können. Das Programm auf Bundesebene deckt bei Weitem nicht den Bedarf ab, mit dem wir es in Niedersachsen zu tun haben. Viele Projekte sind von diesem Programm ausgeschlossen. Die Hürden sind enorm hoch. Es müssen mindestens 10 km Länge angemeldet werden. Ein Großteil der Projekte, die mir bekannt sind, wird daran scheitern. Jährlich wird ohnehin ein Anteil von nur 2,6 Millionen Euro auf Niedersachsen entfallen. Damit lassen sich, meine Damen und Herren, maximal 5 km Radschnellweg bauen. Für einen Radschnellweg ist das aber herzlich wenig, will man dann doch gerade über längere Distanzen das Umland mit den Zentren verbinden. Ich sehe nicht, wie die Kommunen einen Großteil der Kosten selbst übernehmen können. Deswegen brauchen wir dauerhaft ergänzende Landesmittel, um die Lückenschlüsse zu finanzieren, und wir brauchen auch eine inhaltliche Unterstützung durch das Land, um die Kommunen bei der Planung von Radschnellwegen zu begleiten.

Autofahrer gegen Radfahrer - diese künstliche Hetze wird ja immer wieder gern ins Feld geführt, wie wir auch in diesem Plenum wieder gehört haben. Dieser Gegensatz fällt aber in sich zusammen, wenn es um Radschnellwege geht.

In Niedersachsen haben wir rund 3,7 Millionen Berufspendlerinnen und -pendler. Bei ihnen könnten wir offene Türen einlaufen, aufs Rad umzustei

gen, wenn wir ihnen ein sicheres und eigenes Radwegenetz anbieten würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rund 55 % der Pendlerinnen und Pendler würden mit dem Rad zur Arbeit fahren bzw. häufiger das Rad nutzen, wenn es Radschnellwege gäbe. Das wären allein in Niedersachsen rund 1,8 Millionen Berufstätige. Liebe GroKo, lassen Sie die Menschen doch ihr Verkehrsverhalten ändern! Sorgen Sie für die Strukturen, die notwendig sind! Zwingen Sie die Menschen nicht dazu, Auto zu fahren, weil die Radwege ein Flickenteppich aus Kompromissen sind und weil die Menschen aus Angst um ihre Gesundheit das Rad stehen lassen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie wirklich Politik auch für den kleinen Handwerksbetrieb und seinen Dieseltransporter machen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass Radschnellwege gebaut werden! Jeder Radschnellweg entlastet die Straßen, insbesondere in den Ballungszentren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 250 km Radschnellwege bis zum Jahr 2025 sind natürlich ein ehrgeiziges Ziel, aber, wie gesagt, mit ernsthaftem Gestaltungswillen durchaus zu erreichen. Ein Programm, das Mittel und Kompetenzen auf Landesebene bündelt, ist eine wichtige Grundlage für ein funktionierendes Radschnellwegenetz in Niedersachsen.

Herzlichen Dank. Ich hoffe, Sie stimmen im Ausschuss unserem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schulz-Hendel. - Jetzt ist die Fraktion der SPD dran: Kollegin Sabine Tippelt. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion teilt die Ansicht der Grünen, dass die Fahrradverkehrsinfrastruktur in Niedersachsen weiter ausgebaut werden muss.

(Zustimmung bei der SPD und von Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE])

- Genau! Da ist zu klatschen, Herr Schulz-Hendel!

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Auf das immer höher werdende Aufkommen des Fahrradverkehrs müssen wir mit geeigneten Maßnahmen reagieren. Darum haben SPD und CDU die Mittel für die Sanierung von Radwegen an Landesstraßen im Haushaltsplan 2019 mit 10 Millionen Euro doppelt so hoch wie in den Vorjahren veranschlagt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Des Weiteren sieht der Haushalt für 2019 vor, dass 5 Millionen Euro in den Neubau von Radwegen fließen. So soll sich der Fahrradanteil am Modal Split noch weiter erhöhen. Auch dieses Ziel teilen wir mit den Grünen.

Allerdings ist die in Ihrem Antrag genannte Zahl, den Fahrradanteil am Modal Split für Berufspendler in einem Flächenland wie Niedersachsen auf 30 % zu steigern, unrealistisch. Das brauche ich nicht weiter auszuführen. Das haben wir gestern schon gemacht, und Herr Bode hat das, denke ich, ziemlich gut dargestellt.

(Zustimmung von Jörg Bode [FDP] - Helge Limburg [GRÜNE]: Wir haben starke Beine!)

Außerhalb der größeren Städte gibt es für die Pendler in Niedersachsen kaum eine Alternative zum Auto. Die verkehrspolitische Realität sieht in vielen Teilen Niedersachsens anders aus als in den Großstädten. Die weiten Strecken sind für Radfahrer nicht zu bewältigen. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel sind außerhalb der Ballungszentren meist nur auf den Schülerverkehr abgestimmt und deshalb für Pendler keine flexible Alternative.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Antrag der Grünen stellt zu Recht fest, dass sich Niedersachsen mit dem Haushalt 2017/2018 mit dem Ansatz von 12,35 Millionen Euro auf richtigen Weg in Richtung Radschnellwege befindet.

Nun noch ein paar Dinge zum Antrag der Grünen, die man bei einer sachlichen Debatte unbedingt ansprechen muss.

Zunächst einmal ist es richtig, meine Damen und Herren, dass im Einzelplan 08, dem Verkehrsetat, für das Haushaltsjahr 2019 keine weiteren Mittel für die Radschnellwege zur Verfügung stehen. Allerdings - das ist hier gestern und vorgestern schon ausführlich debattiert worden - stehen die Mittel noch zur Verfügung. Wir haben hier versucht, Ihnen klar und deutlich näherzubringen,

dass die Mittel übertragen werden können und für das Jahr 2019 weiter zur Verfügung stehen. Insofern sieht die Realität, meine Damen und Herren, anders aus, als sie von den Grünen in diesem Antrag und auch über Pressemitteilungen dargestellt wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Kollegin, Entschuldigung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz-Hendel?

Nein, wir haben uns in den letzten Tagen genügend ausgetauscht.

(Zustimmung und Heiterkeit bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Jawohl, danke schön. Und Sie sind sogar noch dabei, Frau Kollegin!

Die Regierungsfraktionen halten an dem 2017/2018 eingeschlagenen Weg zur Förderung von Radschnellwegen fest.

Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Bislang wurden nur drei Anträge für Radschnellwege von Göttingen, Osnabrück und Hannover gestellt; sie sind im Verfahren. Das Geld ist noch nicht abgeflossen.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir haben den Sachverhalt jetzt ausgetauscht. Es herrscht Klarheit darüber, dass wir weiterhin an den Radschnellwegen in Niedersachsen festhalten; denn das sind innovative und zur Nachhaltigkeit in der Verkehrspolitik beitragende Projekte. Uns geht es an dieser Stelle aber auch um eine seriöse Finanzpolitik in Niedersachsen. Fakt ist eben auch, dass eine sparsame Haushaltsführung es gebietet, dass man keinen neuen Etat ansetzt, wenn noch genügend Haushaltsmittel in der jetzigen Form vorhanden sind.

Meine Rede möchte ich mit einem Satz meines geschätzten Kollegen Frank Henning schließen: Viel Wind um nichts, liebe Grüne! - Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zu einer Kurzintervention hat jetzt Herr Kollege Schulz-Hendel das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Tippelt, es ist richtig: Wir haben viel miteinander ausgetauscht. Leider ist das Ergebnis - das, was bei Ihnen angekommen ist - nicht so positiv.

Wenn Sie meinen, hier etwas seriös vorgetragen zu haben, dann muss ich Ihnen sagen, dass das aber nicht seriös war. 12,35 Millionen Euro und drei angemeldete Projekte - das haben Sie richtig dargestellt. Sie haben aber unterschlagen, dass die Planung für den Radschnellweg Braunschweig–Wolfsburg bearbeitet wird, was dem Ministerium bekannt ist. Der Antrag wird wohl demnächst vorliegen. Und noch einmal: Sie haben sich über die weiteren Projekte im Land Niedersachsen nicht richtig schlau gemacht; denn es gibt acht weitere Projekte, u. a. eines im Wahlkreis von Herrn Althusmann, nämlich Lüneburg–Winsen– Harburg–Hamburg; den Leuten dort wird wohl eine lange Nase gedreht.