Protocol of the Session on October 25, 2018

Im Ergebnis ist der Zuwendungsbescheid durch die interne Prüfung als rechtswidrig, aber bestandskräftig bewertet worden. Das entspricht der Maßgabe des § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, wonach ein rechtswidriger, aber begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden kann, sofern der Empfänger auf seine Bestandskraft vertraut hat. Der Zuwendungsempfänger hatte bereits mit der Umsetzung des Projektes begonnen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Eine zweite Zusatzfrage stellt der Kollege Bothe. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Frage ist: Muss das EMZ aufgrund dieser nicht rechtskräftigen Zuwendung jetzt das Geld zurückzahlen?

(Zurufe von der SPD: Das hat sie ge- rade gesagt! - Das hat Sie gerade be- antwortet!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bothe.- Frau Ministerin, bitte schön!

Ich erläutere es gern noch einmal. Eine Prüfung hat ergeben, dass dieser Zuwendungsbescheid rechtswidrig ist. Er ist aber bestandskräftig, und dies deshalb, weil ein rechtswidriger, aber begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden kann, sofern der Empfänger oder die Empfängerin auf die Bestandskraft vertraut hat. Dieses Vertrauen ist geschützt. Der Zuwendungsempfänger hatte bereits mit der Umsetzung begonnen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt hat wieder Herr Kollege Bothe das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund des gerade Geschilderten frage ich: Werden dieses und ähnliche Projekte jetzt

allesamt noch einmal vom Landesrechnungshof geprüft, um Unregelmäßigkeiten auch in anderen Projekten entgegenzuwirken?

Danke schön. - Frau Ministerin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landesrechnungshof prüft ja die gesamte Landesregierung mit all ihren Projekten. Deshalb gibt es keine Veranlassung, noch besondere Dinge zu veranlassen. Wir haben eine interne Prüfung für diesen Verwaltungsakt durchgeführt. Ich denke, es ist klargeworden, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass bei uns alles korrekt läuft.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Bothe macht sich wieder auf den Weg. Sie haben auch gleich das Wort.

(Zuruf von Stephan Bothe [AfD])

- Nein, Spielchen spielen wir hier nicht. Dies ist eine Landtagssitzung. - Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund all dessen, was Sie hier geschildert haben, ist meine Frage: Gab es schon personelle Konsequenzen im Sozialministerium, oder wird es sie geben, gerade auch vor dem Hintergrund des Vergabeskandals im letzten Jahr in Ihrem Hause?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Welcher war das?)

Danke schön. - Frau Ministerin, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bothe, Sie sprechen den Schaden und Konsequenzen an. Voraussetzung für einen Regressanspruch ist ein Schaden, der durch schuldhafte oder grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung von Dienstpflichten durch den Bediensteten beim Land eingetreten ist, und das entweder

mittelbar oder unmittelbar. Die Sprachmittler sind aber geschult worden. Es ist also weder ein Schaden beim Land entstanden noch droht ein solcher, und auch ein mittelbarer Schaden ist nicht ersichtlich. Deshalb gibt es dafür keinen Grund.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Haftungs- und Schadensrecht, zweites Semes- ter! Das hätte Ihnen Herr Wichmann auch erklären können! - Gegenruf von Stephan Bothe [AfD])

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die Antwort des Kollegen Limburg ist dann im Vier-AugenGespräch noch zu übermitteln.

Weitere Fragen - es sei denn, Herr Bothe, Sie machen sich jetzt noch auf den Weg - gibt es nicht. Damit ist auch Tagesordnungspunkt 22 b beendet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22 c:

c) Fragen zu Steuerbetrug durch sogenannte Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1897

Gemeldet hat sich der Kollege Wenzel. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich trage die Frage „Fragen zu Steuerbetrug durch sogenannte CumEx- und Cum-Cum-Geschäfte“ vor.

Bereits im vergangenen Jahr berichteten die ZEIT, ZEIT ONLINE und das ARD-Magazin „Panorama“ über Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte. Sie beschrieben, wie Banker, Berater und Anwälte über Jahrzehnte den deutschen Staat schädigten, wie der es sich gefallen ließ und erst eine Sachbearbeiterin aus dem Bundeszentralamt für Steuern sich schließlich weigerte, das Geld auszuzahlen.

Nach den Berichten meldeten sich Journalisten aus Dänemark. Sie sagten, dass ihrem Land etwas ganz Ähnliches widerfahren sei. Es war der Auftakt einer internationalen Kooperation. Die zeigt nun, dass sich Finanzjongleure nicht nur am deutschen Staat bedienten, sondern die öffentlichen Haushalte in halb Europa betroffen sind.

Verschiedene Medien aus zwölf Ländern in Europa haben sich zusammengetan, um gemeinsam das ganze Ausmaß dieses Schadens für die öffentliche Hand zu recherchieren. Gemeinsam haben sie

mehr als 180 000 Seiten vertrauliche Akten, interne Gutachten von Banken und Kanzleien sowie EMails ausgewertet. Zudem wurden Interviews mit Insidern und verdeckte Recherchen in der Finanzindustrie durchgeführt. Die Ergebnisse wurden ab dem 18. Oktober unter dem Titel „Cum-Ex-Files“ veröffentlicht. In mindestens zehn weiteren europäischen Staaten haben sich die Finanztrickser bedient. In einigen ist das der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Der Schaden durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte beträgt mindestens 55,2 Milliarden Euro. „Es handelt sich um den größten Steuerraub in der Geschichte Europas“, sagt der Steuerprofessor Christoph Spengel von der Universität Mannheim, nachzulesen bei ZEIT ONLINE, 21. Oktober 2018.

Bereits im Jahr 2010 hatte die DekaBank - ein Institut der Sparkassen - wegen Cum-Ex und Steuern aus Aktiendeals eine Klage vor dem Hessischen Finanzgericht in Kassel verloren und auf eine Revision verzichtet. Darüber berichtete das Handelsblatt am 11. April 2016.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat unterdessen ihre Ermittlungen gegen Verantwortliche der WarburgBank in Hamburg ausgeweitet. Inzwischen verdächtigt sie auch den aktuellen Bankchef, im Rahmen von Cum-Ex-Geschäften Steuern hinterzogen zu haben. Auch der Schaden ist offenbar größer als bisher bekannt: insgesamt 330 Millionen Euro. Darüber berichtete ZEIT ONLINE am 18. Oktober 2018.

Am 1. Februar 2018 berichtete die NORD/LB in einer Pressemitteilung:

„Die M.M.Warburg & CO (AG & Co.) KGaA und die NORD/LB Norddeutsche Landesbank Girozentrale bündeln ihre Asset-Management-Aktivitäten in einer Gesellschaft. Das neue, mittelständisch geprägte Unternehmen mit Standorten in Hamburg und Hannover sowie einem betreuten Vermögen (Assets under Management and Administra- tion) von zusammen mehr als 34 Milliarden Euro wird einer der bedeutenden AssetManager Norddeutschlands. Die unternehmerische Führung des neuen Hauses übernimmt die Warburg Bank mit 75,1 % der Anteile.“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. In welchem Umfang haben Finanzämter in Niedersachsen Steuererstattungen auf Cum-Ex- oder Cum-Cum-Deals vorgenommen?

2. Gegen welche Banken, Sparkassen oder Tochtergesellschaften von Banken und Sparkassen mit Sitz, Standort oder Niederlassung in Niedersachsen sind oder waren Ermittlungen oder Prozesse wegen Cum-Ex- oder Cum-Cum-Aktiendeals anhängig?

3. Welche Erkenntnisse haben die Börsenaufsicht in Hannover und an anderen deutschen Handelsplätzen, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Landesregierung über den Umfang des Steuerbetrugs mit Cum-Ex- oder Cum-Cum-Aktiendeals in Europa?

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Minister Hilbers. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass der Dringlichen Anfrage sind die aktuellen Presseberichte über sogenannte Tax Deals. Hiermit sind unterschiedliche Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag gemeint, die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte und die sogenannten Cum-Cum-Gestaltungen.

Hierbei handelt es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Aktiengeschäfte, die zudem noch von der sogenannten strukturierten Wertpapieranleihe abzugrenzen sind. Die strukturierte Wertpapieranleihe ist zu Recht nicht Gegenstand der Presseberichterstattungen. Zu den strukturierten Wertpapieranleihen ist aber im August 2015 ein wichtiges Urteil des Bundesfinanzhofs ergangen, das auch von dem in der Anfrage zitierten Professor Spengel immer wieder zur steuerlichen Beurteilung der Cum-Cum-Geschäfte herangezogen wird. Hierzu aber später.

Die Presse kommt zu dem Ergebnis, dass solche Gestaltungen und als Steuerräuber bezeichnete Beteiligungen nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa getätigt worden sind. Der Steuerschaden hieraus soll nach Schätzungen mindestens 55,2 Milliarden Euro betragen.

Schon in den letzten Jahren hatte die Presse wiederholt über die angesprochenen Aktiengeschäfte berichtet. In der letzten Wahlperiode des Bundestages hat sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bereits 16 Monate lang mit diesen Aktiendeals beschäftigt. Der Abschlussbericht hierzu ist rund 800 Seiten lang. Der Ausschuss hat 46 Mal getagt, 19 Mal davon öffentlich. Er hat von Börsenhändlern über Sachverständige bis zum Minister 70 Zeugen gehört. Die Protokolle der Sitzungen sollen mehr als 2 000 Seiten umfassen.

Was ist nun neu an der aktuellen Berichterstattung? - Zum einen ist neu, dass die Aktiengeschäfte nicht nur in Deutschland, sondern europaweit getätigt worden sein sollen. Zum anderen scheint die geschätzte Schadenhöhe noch einmal angewachsen zu sein. Dass die Gestaltungen offenbar europaweit verbreitet waren und vielleicht noch immer sind, ist insofern auch für mich und für uns neu.

Für Deutschland und Niedersachsen ist mir aber vor allen Dingen wichtig, dass wir entsprechenden Gestaltungen in Deutschland steuerlich bereits einen Riegel vorgeschoben haben. Zur Unterbindung von Cum-Ex-Geschäften haben wir seit 2012 das sogenannte Steuerabzugsverfahren für Dividenden aus girosammelverwahrten Aktien umgestellt. Für die Cum-Cum-Gestaltung haben wir bereits seit 2016 die Anrechenbarkeit von Kapitalertragsteuern beschränkt bzw. unter Voraussetzungen gestellt.

Die Finanzämter sind dabei, bundesweit Altfälle, also Fälle aus der Zeit vor der jeweiligen Gesetzesänderung, zu identifizieren und im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten aufzugreifen. Hierfür haben wir auf Bund-Länder-Ebene bereits Verwaltungsanweisungen erarbeitet. Dabei hat sich gerade Niedersachsen vehement dafür eingesetzt, etwaige Fälle möglichst umfassend aufzugreifen. Allerdings ist Niedersachsen aufgrund der wirtschaftlichen Strukturen von diesen Gestaltungen weitaus weniger betroffen als beispielsweise der Bankenstandort Hessen oder aber die Fälle, wo das Bundeszentralamt für Steuern zentral für diese ganzen Zusammenhänge arbeitet und für Steuerausländer zuständig ist.

Dennoch sind die niedersächsischen Finanzämter wiederholt - zuletzt 2016 - auf die Cum-Ex-Geschäfte und Cum-Cum-Gestaltungen hingewiesen und ausführlich informiert worden. Kontrollmaterial aus anderen Ländern wird im Rahmen der Betriebsprüfungen ausgewertet. Weiteres Kontrollma

terial wird erwartet. Die Ermittlungen zu diesen Aktiengeschäften sind also noch nicht abgeschlossen.