Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Entschließung zielt darauf ab, die Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge zu erleichtern. Geduldete Personen sind Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, und die nach § 60 a AufenthG einen Duldungsstatus haben, d. h. ihre Abschiebung ist vorübergehend ausgesetzt. Wichtig dabei: Diese Personen sind und bleiben ausreisepflichtig. Von diesen geduldeten Personen haben wir derzeit in Deutschland ca. 700 000, die auch weiterhin Geldleistungen beziehen und somit den deutschen Steuerzahler Milliarden Euro pro Jahr kosten.
Was Sie verschweigen, meine lieben Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, ist, dass nach § 25 Abs. 3 AufenthG einem Ausländer die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich oder zumutbar ist. Das steht auch in diesem Gesetz.
In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass insbesondere unbegleitete Minderjährige bei ihrer Einreise sehr häufig bereits zu alt sind, um bis zu ihrem 22. Geburtstag noch das Aufnahmeverfahren gemäß § 25 a AufenthG zu durchlaufen. Meine Frage lautet an dieser Stelle: Wie wollen Sie das denn eigentlich beurteilen, ob diese Personen zu alt sind, wenn sie hier ohne Dokumente ankommen und keine Altersfeststellung durchgeführt werden kann, gegen die Sie sich ja vehement wehren?
Kommen wir nun zur Berufsausbildung dieser jungen Menschen. Sollten diese jungen Männer und Frauen bei uns eine Berufsausbildung erhalten haben, sehen wir es als umso wichtiger an, sie wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu lassen, um dort - z. B. in Afghanistan - den Aufbau ihres Landes voranzutreiben. Denn diese Länder brauchen dringend Fachkräfte, viel dringender noch als Deutschland. Der angebliche Fachkräftemangel hier in Deutschland kann zudem innerhalb der EU gelöst werden. In Spanien, Portugal, Griechenland und Italien, aber auch in Frankreich haben wir eine sehr große Jugendarbeitslosigkeit, und da in der EU die Freizügigkeit herrscht, können von dort junge Leute bei entsprechenden Angeboten nach Deutschland kommen und hier arbeiten. Die Integration von Europäern sehen wir dabei im Allgemeinen als völlig unproblematisch an, im Gegensatz zu der Integration von Menschen aus kulturfernen Kreisen, die leider schon oftmals gescheitert ist.
Die bisherige Regelung des § 25 a AufenthG zur Gewährung eines Aufenthaltsstatus, wenn der Antrag bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, sehen wir als völlig ausreichend an. Von daher sehen wir an dieser Stelle auch keine Notwendigkeit, diese Altersgrenze weiter heraufzusetzen. Da wir hier von minderjährigen Asylbewerbern reden, sind diese jünger als 18 Jahre, und von daher ist auch die Vorgabe, dass sie vor ihrem 22. Geburtstag vier Jahre erfolgreich die Schule besucht haben müssen, um einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung zu stellen, absolut unproblematisch. Wenn diese Personen jedoch zu alt sind, wie Sie sagen, handelt es sich bei ihrer Einreise auch nicht um Minderjährige.
Ich denke, man kann erwarten, dass ein solcher Antrag wie bisher vor dem 21. Lebensjahr gestellt werden kann. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Von daher lehnen wir Ihren Antrag ab.
Danke, Herr Kollege Ahrends. - Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Deniz Kurku. Bitte schön!
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Antrag der Grünen bezieht sich nicht auf den jüngst auch hier diskutierten „Spurwechsel“ für Menschen, die hier bereits einer qualifizierten Beschäftigung nachgehen. Vielmehr geht es um die Schaffung eines zusätzlichen, dauerhaften Bleiberechts für junge Erwachsene zwischen 21 und 27 Jahren - der Kollege Onay hat es ausgeführt - nach nur vierjährigem Aufenthalt. In diesem Zusammenhang gebe ich aber auch zu bedenken, dass es jetzt schon einen, so kann man sagen, aufenthaltsrechtlichen Instrumentenkasten gibt, der greift. Beispiele - sie wurden eben auch schon kurz angesprochen - sind die 3+2-Regelung, die Härtefallkommission, § 18 a des Aufenthaltsgesetzes, aber auch der Gestaltungsspielraum der Ausländerbehörden. Darüber hinaus gelten die Regelungen der §§ 25 a und 25 b dauerhaft und sind ferner nicht stichtagsgebunden.
Alles in allem: Eine Reihe von guten Möglichkeiten für Menschen, die hier im Betrieb, in der Gesellschaft - also kurz: in einem Leben in unserer Mitte - gut angekommen sind, die so wie wir alle arbeiten gehen und ihren Alltag bestreiten. Es gibt allerdings doch einen großen Unterschied, und zwar die Tatsache, dass es Menschen sind, die ihre Heimat verlassen haben, sich sprachlich, aber auch kulturell noch bei uns einfinden müssen, dies aber zu einem überwiegend großen Teil wollen und auch tun. Lassen Sie uns diesen Menschen auch weiterhin unterstützend zur Seite stehen - auch wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt geht.
Nun aber zu dem Antrag, den man nicht losgelöst von der aktuellen bundespolitischen Entwicklung sehen darf. Vor dem Hintergrund der aktuellen bundespolitischen Zielrichtungen - schnellere Asylverfahren und Rückführungen -, aber auch vor dem Hintergrund, dass nun auch ein Einwanderungsgesetz kommt, wäre es nicht hilfreich, wenn wir diesen Antrag hier in Niedersachsen völlig isoliert betrachteten. Das Einwanderungsgesetz - der Kollege Holsten hat es gesagt - wurde in den Ver
handlungen zu dem Umgang mit geflüchteten Menschen vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion zu einer klaren Bedingung im Bund gemacht. Ich bin davon überzeugt: Es wird insgesamt für mehr Klarheit sorgen. Das gilt sozialpolitisch, ordnungspolitisch, aber auch wirtschaftspolitisch.
Nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts stellt dieses Gesetz einen migrationspolitischen Meilenstein dar, der meiner Ansicht nach längst überfällig war.
Ich bin froh, dass das Einwanderungsgesetz nach Jahren der Blockade nun endlich kommen wird, und möchte in diesem Zusammenhang meinen Dank und meine Anerkennung an die SPDBundesfraktion richten, die sich hierfür stark gemacht und letztendlich mit ihrer Forderung durchgesetzt hat. Vielen Dank dafür.
Entsprechend dem auf Bundesebene zwischen Union und SPD getroffenen Asylkompromiss ist der Bundesinnenminister dazu angehalten, dieses Gesetz und damit auch ein Mehr an Klarheit noch in diesem Jahr in den parlamentarischen Ablauf einzubringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht verkennen, dass der Antrag der Grünen-Fraktion mit dem Beispiel aus Schleswig-Holstein sicher auch einen diskussionswürdigen Beitrag im Zuge der Mitwirkung Niedersachsens an der weiteren Definition eines Einwanderungsgesetzes liefert. Die Beratungen in Berlin haben ja bereits begonnen. Und ich würde mich freuen, wenn bei all den momentan schrillen und grellen Tönen rund um das Thema Migration und Flüchtlinge wieder einmal das in den Vordergrund geriete, was gesellschaftlich auch ein wichtiges Thema ist, wie uns die Wirtschaft gerade zu verstehen gegeben hat: dass Menschen aus dem Ausland auch auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Das ist nicht allein immer nur ein Thema von Fachkräftemangel, sondern geht auch darüber hinaus, wie uns allen mittlerweile bekannt sein sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte daher an dieser Stelle zusammenfassen: Meine Fraktion steht für ein modernes und realistisches Einwanderungsgesetz, das auch diesen Dingen Rechnung trägt. Wir sehen in dem hier vorliegenden Antrag einen diskussionswürdigen Beitrag, der im Fach
ausschuss noch eingehend beraten wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen bundespolitischen Entwicklung sehen wir aber an dieser Stelle von einer voreiligen Vorfestlegung ab und befürworten einen ganzheitlichen Ansatz, der sich in ein modernes und praktikables Einwanderungsgesetz fügt. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten!
Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion der Kollege Oetjen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz beeindruckt, dass die Kollegen Holsten und Kurku schon nach so kurzer Zeit im Parlament gelernt haben, dass es auf der einen Seite einen Beratungsgegenstand geben kann, dass man auf der anderen Seite aber auch einfach eine Rede zu einem anderen Thema halten kann. Das haben Sie heute ganz bravourös gemeistert. Dazu gratuliere ich sehr, sehr herzlich.
Der vorliegende Antrag hat nur mittelbar mit dem Thema Fachkräftezuwanderung zu tun, lieber Kollege Kurku, lieber Kollege Holsten. Als Freie Demokraten unterstützen wir den Änderungsvorschlag der Grünen, die Altersgrenze von 21 auf 27 anzuheben; denn, Herr Kollege Ahrends, natürlich ist es möglich, auch als Minderjähriger nach Deutschland einzureisen, aber bei Vollendung des 21. Lebensjahres noch keine vier Jahre vorweisen zu können. Insofern trifft der Antrag der Grünen schon einen richtigen Kern. Die Tatsache, dass wir heute in Niedersachsen nur 670 Personen nach § 25 a Abs. 1 haben, auf die dieser Ansatz angewandt wird, bedeutet doch, dass es sich um eine ganz spezielle, zielgenaue Gruppe handelt, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Den Rahmen zu erweitern, um diese Entscheidungsmöglichkeit - das heißt ja nicht, dass ein Automatismus greift - zu geben, halten wir vonseiten der FDP durchaus für sinnvoll, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte, weil das Thema Zuwanderungsgesetz angesprochen wurde, noch einmal nachdrücklich davor warnen, den Tag vor dem Abend zu loben.
Lieber Herr Kollege Kurku, wenn man das Eckpunktepapier, das von der CSU vorgelegt wurde, anschaut, muss man feststellen, dass es, was das Thema Zuwanderung angeht, eher defensiv gehalten ist. Das ist, gelinde gesagt, vorsichtig formuliert.
Als Freie Demokraten möchten wir ein Zuwanderungsgesetz. Wir haben selbst Vorschläge dazu vorgelegt. Es gibt heute schon die Blue Card, die aber viel zu hohe Einkommensgrenzen vorsieht. Die möchten wir flexibilisieren und absenken, damit es möglich ist, mit einem Arbeitsvertrag zu branchenspezifisch üblichen Löhnen nach Deutschland einzuwandern. Das muss eine Säule eines Zuwanderungsgesetzes sein.
Eine zweite Säule aber muss sein, was als Jobseeker-Visum heute schon möglich ist, in der Praxis aber im Prinzip so gut wie nicht genutzt wird, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Das sollte zu einer Chancenkarte mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild ausgebaut werden. Das ist der Ansatz der Freien Demokraten. Wir wollen ermöglichen, dass der Bedarf der deutschen Wirtschaft gedeckt werden kann. Der Bedarf ist da, sehr geehrter Herr Kollege Ahrends. Die Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften, sie suchen aber auch schon nach Auszubildenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um diesen Bedarf zu decken, brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz.
Im Rahmen eines solchen Zuwanderungsgesetzes soll es nach den Vorstellungen der Freien Demokraten klare Regeln geben, wie wir das Thema Aufenthalt in Deutschland insgesamt regeln. Wir stellen uns vor, dass in ein solches Zuwanderungsgesetzbuch alle Themen, die Asyl und Flüchtlinge betreffen, mitintegriert werden, damit wir einen einheitlichen Ansatz haben und es rechtlich ermöglichen, dass diejenigen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, weil sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden, und bei uns eine neue Heimat und Arbeit gefunden haben, Deutsch sprechen und sich rechtstreu verhalten, den Spurwechsel aus dem Asylrecht in das Einwanderungsrecht hinbekommen. Ich glaube, damit hätten wir einen echten Gewinn in dieser Debatte.
Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Punkt nicht vor. Damit schließen wir die Beratung.
Der Antrag soll an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. Wer möchte dem so folgen? - Gegenprobe! - Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen jetzt abschließend zur Festlegung von Zeit und Tagesordnung des nächsten Tagungsabschnittes. Der nächste, der 11. Tagungsabschnitt ist für den 24. bis 26. Oktober geplant. Die Präsidentin wird den Landtag einberufen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung der Sitzung festlegen.