Protocol of the Session on August 23, 2018

Ich bin seit 2008 Mitglied in diesem Haus, und ich habe oft Debatten über verschiedene niedersächsische Unternehmen erlebt, in deren Verlauf es uns gelungen ist, einen Schulterschluss aller Fraktionen in diesem Haus hinzubekommen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und zu schauen, was die Politik zu einer Lösung beitragen kann. Voraussetzung dafür war aber natürlich immer, dass alle Abgeordneten dieses Hauses gleichermaßen informiert werden und gleichermaßen ernst genommen werden. Das geht nicht in solch einem arroganten Stil, in dem Herr Althusmann und Herr Thiele es hier fabrizieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Meine Damen und Herren, zu diesem eingeschobenen Tagesordnungspunkt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir die Unterrichtung mit angeschlossener Beratung als beendet betrachten können.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: 100 Millionen Euro Soforthilfe für die niedersächsischen Landwirte - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/1406

Einbringen möchte den Antrag die Fraktionsvorsitzende der AfD, die Kollegin Dana Guth. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Jahr 2018 hat uns allen einen großartigen Sommer und den Landwirten eine akute Katastrophe beschert. Nachdem im letzten Jahr mit erheblicher Nässe zu kämpfen war, stehen die Landwirte jetzt vor den Folgen einer Dürre mit allen Konsequenzen, und sie ist noch nicht vorbei.

Gestern wurde bekannt, dass Frau Klöckner die aktuelle Dürre als Wetterereignis nationalen Ausmaßes einstuft. Unsere Landwirtschaftsministerin, Frau Otte-Kinast, bezifferte gestern den Schaden für Niedersachsen auf 985 Millionen Euro für die Landwirte und auf 299 Millionen Euro für die Forstwirtschaft. Außerdem haben wir gestern gehört, dass der Bund für alle Bundesländer 150 bis 170 Millionen Euro zur Verfügung stellen möchte. Davon wird ein Anteil von ca. 20 Millionen Euro nach Niedersachsen gehen.

Ich fasse zusammen: Niedersachsen hat nach jetzigen Schätzungen Schäden in Höhe von fast 1,3 Milliarden Euro, und der Bund möchte sich daran mit 1,5 % beteiligen. Die geplanten 5 Millionen Euro Soforthilfe des Landes sind nett gemeint, aber doch eher ein Pflaster auf einem offenen Brustkorb.

Während in Deutschland für jedes Ereignis auf dieser Welt sofort nach Hilfe gerufen wird, gibt man sich, was die deutschen Landwirte betrifft, äußerst schmallippig. In einer Zeit, in der jedes Problem mit dem Verweis auf die überdurchschnittlich sprudelnden Steuereinnahmen weggelächelt wird, welche im Übrigen auch von den Landwirten in Niedersachsen erwirtschaftet werden, ist man von den Bitten um Unterstützung aus eben dieser Bevölkerungsschicht wenig begeistert.

(Unruhe)

Frau Kollegin, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, wir sollten der Debatte folgen. Alle Platz nehmen und zuhören! Wer das nicht möchte, hat ja Alternativen.

Vielen Dank.

Nein, erst einmal stellen wir hier Ruhe her, damit Sie ungestört reden können. Jetzt geht es weiter.

Danke.

Ganz im Gegenteil: Es gibt durchaus Politikvertreter und Journalisten, die sich nicht zu schade sind, die Opfer zu Tätern zu erklären. So schreibt die taz am 6. August:

„Denn die Landwirtschaft ist auch ein bedeutender Verursacher des Klimawandels. Rund 11 % der Treibhausgase aus Deutschland kommen laut Umweltbundesamt aus dieser Branche. Sie könnte also einen großen Beitrag leisten, um die Erderwärmung zu begrenzen.“

Wenn der Bauernverband nun 1 Milliarde Euro vom Staat für dürregeplagte Landwirte fordert, muss er sich also vorwerfen lassen: Ihr seid doch selbst schuld an eurer Misere.

Deutschlands Anteil an der weltweiten Treibhausemission beträgt 3,1 %. Wenn man von diesem Anteil nun 11 % nimmt, haben die Landwirte in Deutschland einen Anteil von sagenhaften 0,341 %. Ich bin sicher, dass man ihnen damit die alleinige Verantwortung für alles zuschieben kann.

Ähnlich äußerte sich z. B. n-tv am 2. August 2018. Er nennt die Forderung bzw. die Bitte der Bauern um eine Entschädigung sogar „unverschämt“.

Fantastisch! Bauern-Bashing ist modern. Taschen zumachen, zurück auf den gemütlichen Journalistensessel und erst mal genüsslich am Bio-Dinkelbrötchen aus deutschem Qualitätsanbau nagen! Nach solchen Äußerungen ist es schwer nachvollziehbar, woher deutsche Landwirte jeden Morgen die Motivation nehmen, aufs Feld oder in den Stall zu gehen.

Neben den Ernteausfällen droht auch den Tierhaltern eine heftige Katastrophe. Durch die Futterknappheit drohen mittelfristig außerplanmäßige Schlachtungen der Viehbestände, weil diese nicht mehr versorgt werden können. Das wäre unter Tierschutzaspekten ein Desaster. Und die Betriebe würden an den Rand der Existenz gebracht. Im weiteren Verlauf käme es zu einem drastischen Verfall des Fleischpreises. - Gut, auf jeden Fall wäre dann ein Kernziel der Grünen erreicht. Die Tierbestände würden drastisch reduziert, und aufgrund der folgenden Insolvenzen würde auch nicht mehr so viel Landwirtschaft betrieben.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns gestern und auch heute über Arbeitsplätze unterhalten haben, sollten wir uns Gedanken machen, ob die

se Sorge nicht auch unseren Landwirten gelten sollte.

(Beifall bei der AfD)

Schnelles und unbürokratisches Handeln ist jetzt unabdingbar. Hier ist nun die Solidarität der Biogasanlagenbetreiber - selbst oft Landwirte - mit ihren Berufskollegen gefragt. Und wir als Abgeordnete müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen.

Laut der aktuellsten Biogas-Inventur wird in Niedersachsen auf 228 000 ha Energiemais angebaut. Als Gärsubstrat werden 13,2 Millionen t an Energiepflanzen, überwiegend Mais, neben Grassilage oder Zuckerrüben, in den Biogasanlagen eingesetzt. Man darf sich nicht in die Situation hineindenken, dass dies alles landwirtschaftliche Produkte sind, die angebaut und abgeerntet werden, um dann in Biogasanlagen zu landen.

Eine Nachfrage an alle EEG-Fans, ob die landwirtschaftliche monokulturelle Bewirtschaftung von 228 000 ha allein in Niedersachsen nicht umweltschädlich ist, nicht zu Treibhausgasemissionen beiträgt und am Ende der Umwelt dienlich ist, dürfte wohl kaum opportun sein. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel, und gegen Klimareligion ist keine Aufklärung gewachsen.

Zurück zu den Biogasanlagen: Bei 13,2 Million t Energiepflanzen - selbst wenn die schlechte Ernte in diesem Jahr berücksichtigt wird - kann man wohl davon ausgehen, dass noch Reserven aus 2017 vorhanden sind. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen könnte nun mit dem von uns vorgeschlagenen Beitrag in Höhe von 50 Millionen Euro beginnen, den Mais teilweise aufzukaufen oder vorzugsweise den Verkauf inklusive eines Verlustausgleiches zu vermitteln. Dafür wäre die Kooperation mit den Biogasanlagenbetreibern unabdingbar.

Zur Kalkulation wäre der Wert des Maises, zuzüglich der Einlagerungskosten, aber auch der Verluste, die dem Betreiber durch die dann wegfallende Einspeisevergütung laut EEG entstünden, heranzuziehen. Einkalkuliert werden müssten noch sonstige Kosten wie Personal- und Verwaltungskosten. Das dürfte allerdings für die Experten der Landwirtschaftskammer kein Problem sein.

Im nächsten Schritt könnte der Mais zu einem festgelegten Preis, orientiert am Preis der letzten Jahre, über die Grundfutterbörse an die Landwirte zum Verkauf angeboten werden. Je nach genauer Preisfindung in diesem Prozess könnte man erheb

liche Mengen an zusätzlichem Futtermittel generieren, ohne Spekulantentum den Boden zu bereiten.

Als Ausgleich für die Biogasproduzenten sowie als Kompensation der weiteren mit der Abwicklung anfallenden Kosten wären ca. 11 Euro pro Tonne zu kalkulieren. Das ist eine vorsichtige Schätzung. Denkbar wäre es so, beispielsweise ein Drittel, ca. 4,4 Millionen Tonnen, des Energiemaises als zusätzliches Futter zu gewinnen. Die Landesregierung ist aufgefordert, zu handeln und Regelungen herbeizuführen, sodass den Anlagenbetreibern aus dieser Aktion keine Nachteile bezüglich ihrer Förderauflagen entstehen.

Nebenher muss man allen Betrieben, die in eine Notlage geraten sind, Hilfe anbieten. Das könnte der weitere Betrag von 50 Millionen Euro abdecken, indem man Not leidenden Betrieben 50 Millionen Euro als zinsfreie Darlehen anbietet. Diese könnten genutzt werden, um Tierfutter anzuschaffen bzw. Futtermittelbetriebe zu entlasten.

Neben der Futtermittelgewinnung fordern wir zusätzlich, dass ca. 200 000 ha an Greeningflächen ohne negative subventionsrechtliche Auswirkungen freigegeben werden. Wir fordern die Freigabe der Zwischenfrüchte für Grünlandumbruch, zur Nachsaat unbürokratisch Genehmigungen zu erteilen, eine schnellstmögliche Auszahlung der EUDirektzahlungen, Steuerforderungen des Staates gegenüber den Landwirten möglichst zinsfrei auszusetzen. Sehr erfreut stellten wir gestern fest, dass diese Maßnahmen faktisch schon als zugesagt betrachtet werden können.

Des Weiteren fordern wir die Landesregierung auf, die Nutzung zusätzlicher Wasserkontingente freizugeben und schließlich die Agrardieselvergütung vorzuziehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Maßnahmen die akute Not der niedersächsischen Bauern lindern könnten, und das dieses vorgeschlagene System es den Landwirten ermöglicht, zu fairen Preisen Futter beziehen zu können und die Biogasanlagenbetreiber vor Verlusten zu schützen.

Sie werden jetzt vielleicht noch einwenden: Wer soll das bezahlen? - Ich sage Ihnen: Das ist ganz einfach! Durch den unerwarteten Geldsegen in Form des Milliardenbußgeldes des VW-Konzerns sind wir ohne Weiteres in der Lage, diesen Betrag zu stemmen. Es kommt nur auf die richtige Prioritätensetzung an.

Das haben auch Sie Anfang des Jahres hinbekommen, als Sie z. B. fast 100 neue Stellen mal einfach so geschaffen haben. Da ging das auch!

Wichtig ist: Es ist nur ein erstes Notfallprogramm. Natürlich müssen weitere Programme aufgelegt werden, um hier die Landwirte zu schützen.

Wir haben im Ältestenrat um sofortige Abstimmung über unseren Antrag in diesem Plenum gebeten, und ich fordere Sie auf, einem sofortigen Anschluss der zweiten Beratung und einer daraus folgenden sofortigen Abstimmung über unseren Antrag zuzustimmen. Wir haben keine Zeit für langwierige und endlose Debatten. Wir brauchen eine schnelle Lösung. Ich hoffe, dass es genauso wie am 22. Juni dieses Jahres geht, als es um die Abgeordnetenvergütung ging. Da waren Sie einer solchen Lösung auch nicht abgeneigt.

(Wiard Siebels [SPD]: Damals haben Sie mitgemacht!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Guth. Ich halte fest, dass Sie die zweite Beratung und die sofortige Abstimmung für diese Sitzung beantragt haben.

Es folgt für die Fraktion der SPD Kollegin Logemann. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hitzerekorde, mehr als 14 Tage über 30 °C, Trockenheit, wohin man schaut. „Savannengold“, so bezeichnete jemand meinen gelb gewordenen Rasen im Garten. Positiver Begleiteffekt: Das Rasenmähen fiel in diesem Jahr weitgehend aus.

Was ich relativ entspannt beobachten konnte, treibt den Landwirten die Sorgenfalten ins Gesicht. Der Blick auf die Wetterkarte, die Hoffnung auf Niederschlag, die Frage: Wie sieht es mit dem nächsten Schnitt aus? Was machen Mais und Getreide? Auf den Weiden wächst nichts nach. Wie geht es weiter, wenn ich kein Futter ernten kann?

Zurzeit wird mit durchschnittlich ca. 30 % Ertragsausfall bei den pflanzlichen Erzeugnissen gerechnet. Die Tiere - unsere Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde - haben nicht mehr genug Futter. Die Wintervorräte werden angegriffen. Ich erinnere daran,

dass schon im Vorjahr aufgrund der extremen Nässe z. B. Maisfelder nicht abgeerntet werden konnten und bereits dadurch der Ernteertrag geringer ausfiel als geplant.

Um es plastisch darzustellen: Gehen wir mal davon aus, dass in der Wesermarsch mit 30 % Ernteausfall zu rechnen ist! Dann fehlt einem Landwirt mit 100 Kühen das Futter für 30 Tiere. Der Betrieb geht weiter. Die Tiere benötigen ihre Tagesrationen. Der Landwirt hat jetzt verschiedene Möglichkeiten. Er könnte z. B 30 Kühe vorzeitig verkaufen oder zum Schlachter bringen. Er kann Futter zukaufen, wovon es allerdings gerade - das erwähnten Sie, Frau Guth - wenig gibt, wodurch es preisanfällig ist und mehr kostet. Er kann anfangen, Stroh zuzufüttern, muss dann aber mehr Kraftfutter zukaufen. Egal, wie er es macht, für unseren Wesermarsch-Landwirt wird es ein teures Jahr. Er muss mit einem Ausfall von 130 bis 140 Euro/ha rechnen, egal, wie er es anstellt.